Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Ich habe mir die Zahlen von vier hessischen Kommunen herausgeschrieben. Das zeigt ein bisschen, wo die Strukturprobleme liegen können. Nehmen Sie Neu-Isenburg. Neu-Isenburg ist in der Finanzkraftstatistik des Landes auf Platz 7 von 421, eine der extrem steuerstarken Kommunen in unserem Land. Trotzdem haben sie es geschafft, einen Kassenkreditbestand von ungefähr 10 Millionen € – umgerechnet gut 270 € je Einwohner – zu haben.

Nehmen Sie Königstein, auch nicht zwingend für kommunale Armut bekannt.

(Norbert Schmitt (SPD): Ich habe 18 Millionen € hier stehen!)

In meiner Statistik stehen 10 Millionen €, aber das können wir nachher noch klären. – Königstein liegt auf Platz 28 von 421, und sie haben 8 Millionen € Kassenkredite, 488 € je Einwohner.

(Norbert Schmitt (SPD): Das ist eine Liste des MdI!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf der einen Seite sind es relativ einnahmenstarke Kommunen mit einem relativ soliden Kassenkreditbestand.

Auf der anderen Seite nehmen Sie die Gemeinde Breitenbach am Herzberg. Ich weiß nicht, ob der eine oder andere schon einmal da war. Dort ist eine wunderschöne Burg. Die Gemeinde hat Platz 412 von 421 in der Finanzkraftreihenfolge, ist also relativ weit hinten. Sie hat einen Kassenkredit von null. Nehmen Sie die Gemeinde Rasdorf im Kreis Fulda, Platz 402 von 421: Kassenkredit null.

Also muss es offenbar zu der Frage, warum es AltdefizitKassenkredite gibt, nicht nur die Pauschalantwort: „weil die da oben irgendwie schuld sind“, sondern sehr individuelle Ursachen von verantwortlichem Umgang mit kommunalen Finanzen vor Ort geben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Das wollen die nicht hören! – Norbert Schmitt (SPD): Das erklärt doch nicht die gesamte Entwicklung!)

Das zeigt aber, dass man mit sehr pauschalen Ansätzen – die guten Kommunen, die schlechten Kommunen, die faulen Kommunen, die fleißigen Kommunen – keinen Meter weiterkommt, sondern wir müssen wiederum das tun, was wir beim Schutzschirm schon sehr erfolgreich gemacht haben: die Finanzsituation jeder einzelnen Kommune individuell ansehen, um jeweils eine individuell angemessene Lösung dafür zu finden, wie mit den Defiziten der Vergangenheit für die Zukunft umzugehen ist. Das ist anstrengender, als im Landtag Plakatreden zu halten.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Das ist aufwendiger, als mit Pauschalbehauptungen durchs Land zu ziehen. Das ist sehr viel Arbeit.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch hinzufügen: Ich habe mich der Mühe unterzogen, Schutzschirmkommunen zu besuchen und mit den Bürgermeistern und den Gemeindevertretern Gespräche zu führen, aber auch mit Vereinen, Bürgern und anderen. Was mir sehr häufig begegnet ist, in besonderer Weise auch von Bürgermeistern, die nicht meiner politischen Blutgruppe angehören, war die Äußerung: Wir waren am Anfang extrem skeptisch gegenüber dem Schutzschirm. Wir hatten Angst, dass uns von außen aufgegeben wird, die Lichter auszumachen. Wir haben dann doch unterschrieben, weil wir an die Chance geglaubt haben. Jetzt sind wir unglaublich froh, dass wir es getan haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie sich an, was in den Kommunen noch „geleistet“ worden ist, in Anführungsstrichen, obwohl sie sich unter dem Schutzschirm befanden – ich füge für meinen Teil hinzu: weil sie die Möglichkeit des Schutzschirms genutzt haben. Sie haben sich neue Perspektiven und Spielräume erarbeitet, mit denen sie nun in der Lage sind, wieder Investitionen für die Zukunft zu tätigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zusammenfassen: Ausgehend von schwierigsten Ausgangspositionen nach der großen Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir in den letzten Jahren mit gemeinsamen Anstrengungen rund um den Schutzschirm, rund um den neuen Kommunalen Finanzausgleich, rund um die verschiedenen Investitionsprogramme erhebliche Beiträge dazu geleistet, dass die Lage auf kommunaler Ebene deutlich besser geworden ist.

Dass noch viele Probleme zu lösen sind, ist ebenfalls wahr. So wie wir unsere Probleme für die Zukunft zu lösen haben, gilt das für die kommunale Ebene gleichermaßen. Wir tragen aber auch gemeinsam Verantwortung für die Probleme mit den Altschulden der Vergangenheit. Seien Sie versichert, wir werden mit der kommunalen Familie eine gemeinsame Lösung finden, auch wenn sie vielleicht nicht jeden restlos zufriedenstellt. Aber beim Schuldenabbau nur zufriedene Gesichter zu sehen,

(Manfred Pentz (CDU): So ist es!)

wäre jedenfalls in meiner politischen Biografie eine gewisse Premiere. Aber seien Sie versichert, wir finden eine Lösung. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit sind wir am Ende der Debatte.

Soll über die beiden Anträge abgestimmt werden?

(Günter Rudolph (SPD): Ja!)

Gut, dann lasse ich zunächst abstimmen über Tagesordnungspunkt 28, Drucks. 19/4921. Wer dem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen.

(Günter Rudolph (SPD): Niemals! – Heiterkeit bei der FDP)

Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen von SPD und der LINKEN.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Enthaltungen? – Bei Enthaltung der Fraktion der FDP ist Drucks. 19/4921 angenommen.

Ich lasse nun abstimmen über Tagesordnungspunkt 40, Drucks. 19/4968. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und der LINKEN. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU. Enthaltungen? – Die Fraktion der FDP. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesordnungspunkt 45 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Landesregierung sieht Schwächung des Luftverkehrsstandorts Frankfurt tatenlos zu – Drucks. 19/5025 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 67:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Luftfahrtstandort Frankfurt Rhein-Main – Drucks. 19/5058 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Der erste Redner hat sich schon am Rednerpult eingefunden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Weiß das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die größten privaten Arbeitgeber in Hessen befinden sich in der Luftverkehrsindustrie. Wir freuen uns, dass wir mit der Fraport und der Lufthansa zwei hessische Unternehmen haben – ich zähle die Lufthansa jetzt einfach einmal dazu –,

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Na ja! Handelsregister!)

die im wahrsten Sinne des Wortes ausgezeichnet sind. Fraport hat vom europäischen Flughafenverband ACI gerade bescheinigt bekommen, die weltweit beste Konnektivität aller Flughäfen zu haben.

(Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Lufthansa wurde gerade als beste Airline Europas ausgezeichnet und kann sich Hoffnungen machen, als erste europäische Airline den begehrten fünften Stern zu bekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir freuen uns, dass wir diese beiden starken Unternehmen hier am Standort Frankfurt/Rhein-Main haben.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Michael Bod- denberg (CDU) und Frank-Peter Kaufmann (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir haben diesen Setzpunkt gewählt, weil wir uns bei den 10.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bedanken wollen, die ihre beiden Unternehmen zu Eckpfeilern der hessischen Wirtschaft machen. Wir haben den Punkt aber auch gewählt, weil wir uns Sorgen über den Zustand der Partnerschaft von Lufthansa und Fraport machen.

(Norbert Schmitt (SPD): So ist es! – Zuruf von der CDU: Oh!)

Seit Monaten schaukelt sich hier ein Konflikt hoch, der vorhersehbar war und den man hätte verhindern können.

(Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Ach ja!)

Öffentlich ausgetragen wird er nicht erst seit der Beantragung und Genehmigung der neuen Entgeltordnung.

Wir haben hier im Plenum mehrfach vor den Entwicklungen gewarnt. Im März hat unser Vorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel dem Ministerpräsidenten einen Brief in dieser Angelegenheit geschrieben.

(Michael Boddenberg (CDU): Dass er sich Sorgen macht?)

Im April gab es einen Krisengipfel in der Dienstvilla des Ministerpräsidenten. Der vereinbarte Burgfrieden hielt gerade einmal zwei Wochen, bis die Giftpfeile bei den jeweiligen Hauptversammlungen wieder durch die Interviews flogen. Mitte Juni kam der vorläufige Höhepunkt mit der

Entscheidung der Lufthansa, fünf ihrer A-380-Maschinen von Frankfurt nach München zu verlegen.