Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

(Zurufe von der SPD: Oh!)

So redet der Chef der Staatskanzlei über Hessens größten Arbeitgeber. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht hat es noch eines weiteren Beweises bedurft: Die hessische CDU hat nach 18 Jahren Regierung jedes Maß verloren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wagner, hören Sie jetzt zum Schluss meiner Rede zu. Dann müssen Sie nicht gleich wieder fünf Minuten lang die Mitglieder der SPD-Fraktion anschreien und fragen, was sie denn eigentlich wollen. Wir brauchen eine Allianz für das Drehkreuz Frankfurt, und zwar ähnlich wie bei der Allianz für den Lärmschutz, mit der im Jahr 2012 auf die Proteste wegen der neuen Landebahn reagiert wurde. Heute braucht es eine Allianz der Politik und der Luftverkehrswirtschaft, mit der ein breites Bündnis für die Zukunftsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Frankfurt gebildet werden kann. Wie kann der Flughafen auf das veränderte Kunden- und Marktverhalten reagieren? Wie kann der Flugha

fen in Frankfurt am Wachstum der Preisbrecher in Europa teilhaben, ohne seine angestammten Netzwerkgesellschaften zu vergrätzen und ohne gute Arbeitsplätze zu gefährden?

Herr Kollege Weiß, Sie müssen zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Wie kann er sich im Wettbewerb der Hubs behaupten und seine Drehkreuzfunktion stärken? Das sind die Fragen, auf die von Schwarz-Grün allein keine Antworten zu erwarten sind. Deshalb brauchen wir eine neue Allianz. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Kasseckert für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach so viel Polemik zu diesem wichtigen Antrag fällt es schwer, zur Tagesordnung zurückzukehren und bei diesem Tagesordnungspunkt den Fokus wieder auf die wirklich wichtigen Fragen zu richten. Herr Kollege Weiß, das, was Sie hier vorgetragen haben, hat weder dem Standort, den Beschäftigten noch dem Jobmotor Frankfurt/Rhein-Main gedient. Das hat Ihnen vielleicht den Jubel Ihrer eigenen Fraktion eingebracht. Aber, wie gesagt, dem Standort Frankfurt/Rhein-Main haben Sie damit einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Entwicklung des Flughafens Frankfurt/Rhein-Main hat für die Region, für Hessen und auch für die hessische Politik eine zentrale Bedeutung. Seine Wettbewerbsfähigkeit ist der Herzmuskel. Er ist damit für jeden der über 80.000 Arbeitsplätze in der Region, also in den Betrieben im Umfeld des Flughafens, Grundvoraussetzung für Stabilität, Wachstum und Wohlstand des gesamten Landes.

Hinsichtlich der Bedeutung des Jobmotors unterscheiden wir uns nicht. Herr Weiß, ich glaube, das ist aber auch der einzige Beitrag, den Sie mit uns bei diesem Thema gemeinsam haben.

Wir wollen die Arbeitsplätze weiterhin sichern. Wir wollen den Jobmotor Flughafen voranbringen. Wir wollen aber auch weiterhin die Reduzierung des Lärms im Auge behalten.

Wir sind an einer stabilen Systempartnerschaft zwischen Fraport und Lufthansa interessiert. Das bleibt unser Ziel. Sie haben aber selbst darauf hingewiesen: Letzten Endes sind es zwei private Unternehmen, die am Markt agieren und die miteinander umgehen müssen. Sie haben das Engagement des Ministerpräsidenten gewürdigt, das sicherlich

eine Grenze hat, nämlich dort, wo die Unternehmen selbst entscheiden.

Damit Fraport, Frankfurt und Hessen weiterhin so erfolgreich bleiben, muss sich der Flughafen den Herausforderungen des veränderten Luftverkehrs stellen. Markt und Wettbewerb sind härter geworden. Das hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verändert.

Das haben Sie wenig angesprochen. Sie haben in Ihrem Antrag und auch in Beiträgen der letzten Wochen beklagt, dass die Öffnung des Frankfurter Flughafens für LowCost-Carrier ein Problem darstelle. Herr Weiß, wir müssen aber auf der anderen Seite konstatieren, dass in Deutschland in den letzten Jahren der Anteil der Low-Cost-Carrier am Luftverkehr auf über 40 % angewachsen ist.

Sie berichten in Punkt 1 Ihres Antrags von einer aktuellen Studie, aus der Sie auch zitiert haben. Das ist die ACI-Studie. Demnach ist Frankfurt in puncto Anzahl der Ziele, Häufigkeit und Qualität der am besten vernetzte Flughafen der Welt. Das muss ich an dieser Stelle auch einmal sagen: Darauf kann die Politik stolz sein. Denn immerhin haben wir die Rahmenbedingungen für diesen Flughafen geschaffen.

Allerdings sagt die Studie auch aus – das haben Sie in dem Antrag verschwiegen –, dass der größte Zuwachs an Konnektivität, also an Verbindungen in Europa, aus dem Segment Low-Cost stammt. Deshalb ist beispielsweise in Amsterdam ein erfolgreich wachsender Flughafen. Er hat ein starkes Wachstum von KLM auf der einen Seite und der Low-Cost-Carrier auf der anderen Seite. Amsterdam hat einen Anteil der Low-Cost-Carrier von 19 %. Beim Flughafen in Paris sind es beispielsweise 9,5 %. Beim Flughafen München sind es 6,7 %. Wir haben beim Flughafen Frankfurt gerade einmal 2 %.

Man muss kein besonders großer Prophet oder Analyst sein, um festzustellen, dass Fraport diese Entwicklung im Low-Cost-Bereich im Luftverkehr nicht tatenlos an sich vorbeiziehen lassen kann. Fraport muss handeln.

Es ist richtig, dass wir in den Aufsichtsräten der Unternehmen auch an dieser Stelle Verantwortung tragen. Stillstand, auch im Luftverkehr, ist Rückschritt. Fraport muss sein Portfolio erweitern, um sich dem Markt und dem Wettbewerb erfolgreich stellen zu können. Auch das ist uns wichtig. Wo immer möglich, muss dieses Wachstum in der Systempartnerschaft mit Lufthansa erfolgen. Dazu gehören aber immer zwei Partner.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Grund und Kern der Diskussion, die wir heute führen, sind die Verlagerung der fünf A-380-Maschinen nach München. Damit befürchten Sie – so ist Ihrem Antrag zu entnehmen – eine Schwächung der eben genannten Konnektivität, also der Verbindungen dieses internationalen Flughafens. Dem will ich deutlich widersprechen. Es ist ganz einfach. Ich will aber vorweg deutlich sagen: Wir sehen die Entscheidung der Lufthansa über die Verlagerung von fünf A-380-Maschinen und die Stationierung der neuen A-350-Maschinen in München ebenfalls sehr kritisch. Auch das will ich an dieser Stelle deutlich sagen. Aber am Ende ist das eine unternehmerische Entscheidung von Lufthansa.

Aber wahr ist auch, dass die Lufthansa schon in den vergangenen Jahren andere Drehkreuze, wie etwa München,

nach und nach ausgebaut hat, weil sie eine andere Strategie, eine Multi-Hub-Strategie, verfolgt, und das schon deutlich, bevor wir überhaupt über Ryanair oder Low-Cost am Frankfurter Flughafen diskutiert haben.

Nur, die Konnektivität am Frankfurter Flughafen – wie Sie befürchten – wird davon nicht geschwächt. Es kommen fünf A-340-Maschinen nach Frankfurt, und sie bedienen die gleichen Strecken. Das heißt, in Frankfurt fällt kein Ziel weg. Hinzu kommt allerdings – das haben Sie seit gestern sicherlich ebenfalls der Presse entnommen –, dass Condor ihre Langstreckenflüge nach Nordamerika und in die Karibik von München nach Frankfurt verlegt. Ab Sommer 2018 wird es keine Flüge mehr dorthin von München aus geben. Auch das ist eine Stärkung dieses Standorts. Es ist ein Unterstreichen der Bedeutung des Drehkreuzes Frankfurt. Darüber können wir uns freuen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Trotzdem bleibt die Frage: Warum verlagert Lufthansa nach München? Der Frage müssen wir uns stellen. Betrachtet man den Standort München, dann sieht man – ich habe es vorhin schon gesagt –, dass der Low-Cost-Anteil in München deutlich höher ist. Er ist dreimal so hoch wie in Frankfurt. Aber die Wahrheit ist eben auch, dass in München die Kapazitätsgrenzen des Flughafens langsam erreicht sind. Die Möglichkeiten, in München zu wachsen, sind auch für Lufthansa limitiert. Ein Ausbau dieses Flughafens ist in weite Ferne gerückt. Wenn man dort größere Fluggeräte einsetzt, um mehr Passagiere befördern zu können, hat das nichts mit Low-Cost zu tun, sondern es ist eine nachvollziehbare Entscheidung, auch wenn wir sie für den Standort Frankfurt nicht unbedingt begrüßen.

Ich will ein weiteres Thema aufgreifen. Das ist das Thema Lärmeffizienz. Sie haben angesprochen, die A-340-Maschinen seien in der Summe lauter als der A 380. Herr Weiß, Sie wissen, dass ich auch dem widersprechen muss. Der A 340 ist 1 dB leiser als der A 380. Er ist in der Gesamtbilanz der Effizienz aber etwas schlechter als der A 380, weil der A 380 mehr Passagiere befördern kann. Aber für den Lärm, der in Frankfurt ankommt – wir sind uns da wohl einig, die Passagiere können wir nicht hören –, ist die A-340-Maschine besser als der A 380. Auch das will ich an der Stelle deutlich machen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dennoch zeigt die Diskussion, dass wir mit unserem Lärmobergrenzenvorschlag, den Minister Al-Wazir gerade verhandelt, auf dem richtigen Weg sind. Denn Wachstum auf der einen Seite, dem wir alle Möglichkeiten und Zugänge des Marktes verschaffen wollen, setzt auf der anderen Seite voraus, dass wir verantwortlich mit dem Thema Lärm für die Bürgerinnen und Bürger im Umfeld des Frankfurter Flughafens umgehen. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle Möglichkeiten nutzen, um lärmeffizient am Frankfurter Flughafen operieren zu können.

Ich will zum Ende kommen. Für uns steht die Wettbewerbsfähigkeit des Flughafens im Vordergrund. Fraport ist der intermodalste und damit der am besten erreichbare Drehkreuzflughafen der Welt, und so soll es auch bleiben. Für das weitere Wachstum muss sich Fraport neuen Sequenzen zuwenden. Wir unterstützen das unter der Bedingung, dass Arbeitsplätze, Wirtschaftlichkeit und Lärm

schutz in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Zuletzt noch ein Appell: Uns liegt sehr wohl und sehr viel an einer guten Partnerschaft der beiden großen hessischen Unternehmen Fraport und Lufthansa. Um den Bogen zu schließen: Deshalb appellieren wir an eine Rückkehr zum Dialog zwischen diesen beiden Unternehmen, der in den letzten Wochen gelitten hat, und an eine Fortsetzung einer erfolgreichen Systempartnerschaft, von der wir alle profitieren. Das Land ist bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Welchen?)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege Lenders für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In dem Generalangriff von Marius Weiß auf die Landesregierung ist leider ein bisschen das Ziel des Antrags der SPD untergegangen. Ich kann ihn aber ein Stück weit verstehen; denn das, was wir im Moment haben, ist die sehr grundsätzliche Frage: Wie geht es mit dem Wirtschaftsstandort Hessen weiter? Wir haben den Jobmotor Frankfurter Flughafen oft genug beschrieben. Darüber sind wir uns wohl alle im Klaren. Wenn sich der Konflikt Lufthansa versus Fraport weiter verstetigt und verfestigt und sich die Lufthansa unter Umständen überlegt, die Systempartnerschaft aufzukündigen, werden wir noch oft darüber diskutieren, was das für den Wirtschaftsstandort Hessen bedeuten mag. Ich glaube, wenn das wirklich eintreten sollte, wäre das das Worst-Case-Szenario für einen hessischen Wirtschaftsminister.

(Beifall der Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Marius Weiß (SPD))

Meine Damen und Herren, ich kann auch nicht so ganz die Auffassung teilen, dass das alles nur privatrechtliche – – Ja, Herr Boddenberg, Sie mögen darüber lachen.

(Michael Boddenberg (CDU): Nein!)

Ja, Sie mögen darüber lachen. Aber Sie können auf der einen Seite nicht immer wieder die wirtschaftliche Bedeutung des Frankfurter Flughafens beschreiben und dann darüber lachen, wenn es wirklich an dieser Stelle knackt und wir hier Debatten darüber führen. Herr Boddenberg, das funktioniert nicht.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich entschuldige mich in aller Form dafür, dass ich gelacht habe!)

Danke. – Meine Damen und Herren, nach den aktuellen Studien liegt der Frankfurter Flughafen – das ist auch das, was aus dem Inhalt des Antrags der SPD hervorgeht – weltweit auf Platz 1, wenn es um Konnektivität geht. Die Konnektivität ist die eigentliche Währung der Flughäfen. Die Studie sagt ganz klar, dass das größte Wachstum in diesem Bereich aus dem Low-Cost-Segment stammt. Es ist auch ganz klar aus der Studie herauszulesen, dass mittlerweile Amsterdam an Frankfurt vorbeizieht, was die Direktverbindungen anbelangt. Es ist auch klar, wo das Wachstum herkommt. Das Wachstum kommt aus dem Low-Cost

Bereich. Davor kann auch die Fraport nicht die Augen verschließen.

(Beifall bei der FDP)

Die ACI-Studie beschreibt ganz deutlich die Marktentwicklungen. Es geht nicht darum, entweder Hub- oder Low-Cost-Flughafen zu sein, sondern es geht darum, beides klug miteinander zu verbinden.

(Beifall bei der FDP)

Nur die Flughäfen, die beide Segmente bedienen und Fluggesellschaften aus beiden Bereichen optimal bedienen können, werden auch in Zukunft Erfolg haben. Das Gleiche gilt übrigens auch für die Airlines. Die Full-Service-Carrier wie die Lufthansa bieten ihren Kunden nicht nur Premium, sondern auch kostenbewusste Leistungen unter einem Dach an. Die Lufthansa fliegt nicht nur das Produkt Lufthansa, sondern auch die Eurowings. Wir dürfen schon einmal die Frage stellen: Warum wächst die Lufthansa an allen Standorten, aber nicht in Frankfurt?

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ähnlich verhalten sich andere große Airlines, die das wachstumsstarke Geschäft im LowCost-Bereich nicht alleine Ryanair oder easyJet überlassen wollen. Genauso wenig kann der Flughafen Frankfurt zuschauen, wie Amsterdam, München und Düsseldorf stärker wachsen als Frankfurt. Alle drei Flughäfen – Amsterdam, München und vor allem Düsseldorf – setzen jetzt schon ganz stark auf den Low-Cost-Bereich.