Protokoll der Sitzung vom 29.08.2017

Frage 844, Frau Abg. Alex.

Ich frage die Landesregierung:

Was veranlasst sie, die Prüfung der Einhaltung der Förderrichtlinien durch die Landesseniorenvertretung in deren Geschäftsstelle mit erheblichem Personalaufwand, d. h. mit jeweils zwei Vertreterinnen oder Vertretern des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration und des Regierungspräsidiums Gießen, durchzuführen?

Herr Minister Grüttner.

Frau Abgeordnete, die Landesseniorenvertretung Hessen wird seit vielen Jahren von der Hessischen Landesregierung als Interessenvertretung der örtlichen Seniorenvertretungen gefördert. Die Landesregierung schätzt die Arbeit der Landesseniorenvertretung und betrachtet sie als wichtigen Partner, um die Partizipation älterer Menschen in einer älter werdenden Gesellschaft zu stärken.

Für die Förderung der Geschäftsstelle stehen pro Haushaltsjahr 83.000 € zur Verfügung – Mittel, die die Landesregierung auch in Zukunft zur Verfügung zu stellen beabsichtigt. Wie bei allen Zuwendungsempfängern müssen fachliche und haushaltsrechtliche Fragen, die im Zusammenhang mit einem Zuwendungsantrag oder mit einer Verwendungsnachweisprüfung auftreten, geklärt werden. Die im Zusammenhang mit der Förderung der Landessenioren

vertretung entstandenen Fragen wurden vom Regierungspräsidium Gießen als Bewilligungsbehörde bearbeitet. Einige Punkte wurden zum Teil auf Wunsch der Landesseniorenvertretung im Hessischen Ministerium für Soziales und Integration erörtert.

Zum Verwendungsnachweis 2016 sowie zum Förderantrag 2017 gab es noch Klärungsbedarf. Um eine weitere zeitliche Verzögerung zu vermeiden und gegebenenfalls eine schnelle Entscheidungsmöglichkeit zu eröffnen, fand daher am 27. Juli 2017 in der Geschäftsstelle der Landesseniorenvertretung unter Beteiligung der bisher Beteiligten ein gemeinsamer Termin statt. Das ist insofern eine Entbürokratisierung, als dass man nicht mit drei verschiedenen Stellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten reden muss.

Es waren dabei: ein Vertreter des Vorstands, Vertreterinnen des Regierungspräsidiums und eine Mitarbeiterin des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration. Das Gespräch war konstruktiv. Vieles konnte geklärt werden. Wenige noch offene Punkte werden zeitnah bearbeitet. Die Teilnehmenden haben ein weiteres gemeinsames Gespräch vereinbart.

Zusatzfrage, Frau Abg. Alex.

Heißt das in der Folge, dass ein Förderbescheid 2017 noch nicht erteilt ist?

Herr Minister Grüttner.

Die vollumfängliche Summe 2017 ist noch nicht gewährt worden. Es sind drei Abschlagszahlungen vorgenommen worden.

Frage 845, Herr Abg. Quanz.

Ich frage die Landesregierung:

Welche konkreten Gebiete in Hessen sind von der Änderung des Bundesbaugesetzbuches und von der geänderten Baunutzungsverordnung betroffen, um in der kommunalen Zuständigkeit sogenannte „urbane Gebiete“ auszuweisen, damit auch in Industriegebieten Wohnmöglichkeiten geschaffen werden können?

Herr Staatsminister Al-Wazir.

Sehr geehrter Herr Abg. Quanz, mit der im Mai 2017 in Kraft getretenen Änderung des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung wurde eine neue Baugebietskategorie „urbane Gebiete“ eingeführt. Mit ihr steht den Kommunen eine weitere Möglichkeit zur Verfügung, um im Wege der Bauleitplanung eine nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege zu verwirklichen.

Die neue Gebietskategorie erlaubt eine räumliche Nähe von wichtigen Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Kultur und Sport. Die Idee der urbanen Gebiete ist es nicht, Wohnmöglichkeiten in Industriegebieten zu schaffen. „Urbane Gebiete dienen“ – so heißt es in der Baunutzungsverordnung – „dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören.“

Das Wohnen ist stärker als im bereits bestehenden Mischgebiet mit einer Pflicht zur Duldung der Störung durch andere Nutzungsarten belastet. Wer im „urbanen Gebiet“ lebt, lässt sich darauf ein, dass es durch Gewerbe oder den Betrieb auf Sportplätzen auch einmal lauter wird.

Die neue Gebietskategorie kann grundsätzlich sowohl bei der Planung einer erstmaligen Bebauung als auch bei der Überplanung bebauter Bereiche zur Anwendung kommen. Trotz der missverständlichen Bezeichnung „urbanes Gebiet“ kann das in allen Städten und Gemeinden geschehen. Die im Vergleich zum Misch- und Kerngebiet flexiblere Nutzungsmischung könnte auch im Zentrum einer kleineren Stadt oder Gemeinde ihre planerische Rechtfertigung haben. Welche konkreten Flächen in Hessen für das „urbane Gebiet“ infrage kommen, ließe sich, wenn überhaupt, nur durch eine Umfrage bei allen hessischen Gemeinden ermitteln.

Herr Kollege Quanz stellt eine Zusatzfrage.

Herr Minister, wenn ich das richtig verstanden habe, heißt das, dass man in ländlichen Regionen durchaus aufgrund der kommunalen Zuständigkeit dafür sorgen könnte, mit einem vereinfachten Verfahren in Industriegebieten Wohnmöglichkeiten zu schaffen?

Herr Minister.

Herr Abgeordneter, das Wort „Industriegebiet“ stört mich da ein wenig. Denn, wie gesagt, es ist nicht so, dass man jetzt auf einmal im Industriegebiet wohnen soll. Vielmehr geht es darum, etwas zu schaffen, was noch ein wenig – ich darf das einmal untechnisch sagen – über das bisherige Mischgebiet hinausgeht.

Damit kommen wir zu Frage 846 des Herrn Abg. Eckert.

Ich frage die Landesregierung:

Plant sie Veränderungen am bisherigen System des sogenannten Bäderpfennigs?

Herr Finanzminister.

Herr Abg. Eckert, die besonderen Belastungen der Heilkurorte werden in Hessen seit dem Jahr 2001 in Form einer besonderen Finanzzuweisung im System des Kommunalen Finanzausgleichs berücksichtigt. Das war über viele Jahre ein Betrag von 11,5 Millionen € jährlich.

Im Zuge der Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs ist dieser Betrag von 11,5 Millionen € im Jahr 2016 auf 13 Millionen € aufgestockt worden. Zugleich wurden die Zuweisungskriterien modifiziert. Es werden nur noch kreisangehörige Gemeinden gefördert. Das Zuweisungskriterium Übernachtungszahlen wurde begrenzt. Mit Oberund Untergrenzen soll Fehlanreizen entgegengewirkt werden. Der Aspekt der medizinischen Wertschöpfung wird stärker berücksichtigt. Vor allem wird den Bedarfen in kleineren Kurorten stärker entsprochen.

Wir haben mit dem neuen Kommunalen Finanzausgleich ein neues System etabliert. Wir gehen davon aus, dass wir eine Evaluierung auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich vorliegenden Bemerkungsnummer 43 des Hessischen Rechnungshofs zu der Haushaltsrechnung für das Jahr 2014 durchführen werden. Wir werden alle diese Gesichtspunkte im Rahmen der Evaluierung des Kommunalen Finanzausgleichs mit einbeziehen.

Strich darunter: Kurzfristig plant die Landesregierung keine Veränderung.

Frau Kollegin Ravensburg stellt eine Zusatzfrage.

Herr Minister, ich glaube, meine Heimatstadt Bad Wildungen ist mit 1,4 Millionen Übernachtungen das größte hessische Heilbad. Sie ist natürlich auf den Bäderpfennig angewiesen. Liegen Ihnen Erkenntnisse vor, wie Bad Wildungen durch die Reform des Kommunalen Finanzausgleichs beim Bäderpfennig profitieren konnte?

Herr Minister.

Ich muss ein bisschen in meinen Aufzeichnungen wühlen. – Bad Wildungen hat im Jahr 2015, also unter Geltung der

ursprünglichen Regelung, von dem Bäderpfennig mit 2,7 Millionen € profitiert. Im Jahr 2017 waren es 3,2 Millionen €. Infolge der Neuregelung kam es also zu einer Steigerung um knapp 20 %.

Herr Kollege Eckert stellt eine Zusatzfrage.

Herr Minister, Sie haben unter anderem schon auf die Empfehlungen des Landesrechnungshofs hingewiesen. Dort wird empfohlen, diese Förderung abzuschaffen. Sie haben gerade gesagt: Wir warten, bis wir das insgesamt evaluiert haben. – Könnten Sie aber zu dieser speziellen Forderung aus Sicht der Landesregierung Stellung nehmen? Ist das eine Forderung, der die Landesregierung beitritt, oder weist sie das, ebenso wie ich, entschieden zurück?

Herr Finanzminister Dr. Schäfer.

Ich würde mit der gebotenen Höflichkeit gegenüber dem Rechnungshof eine solche Formulierung nicht wählen wollen. Aber Sie sehen, dass wir die Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs als ein Gesamtkunstwerk betrachten, bei dem das Herausgreifen einzelner Elemente nicht gerechtfertigt erscheinen würde. Deshalb werden wir auch die Argumente des Hessischen Rechnungshofs in eine Gesamtevaluierung in der neuen Legislaturperiode einzubeziehen haben. Wir werden sicherlich gemeinsam einen Weg finden, diese Argumente in der gebotenen Weise zu wägen.

Es folgt Frage 847 des Herrn Abg. Dr. Blechschmidt.

Herr Präsident, danke. – Ich frage die Landesregierung:

Was tut sie gegen die Verbreitung multiresistenter Keime in Gewässern, die durch gereinigtes Abwasser aus Kläranlagen gespeist werden?

Frau Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Frau Ministerin Hinz, bitte.

Herr Abgeordneter, die Anzahl der Keime kann durch eine weiter gehende Reinigungsstufe an Kläranlagen erheblich reduziert werden. Für derartige Reinigungsstufen stehen grundsätzlich Fördermittel des Landes zur Verfügung. Die

hierfür maßgebende Förderrichtlinie wurde am 24. Juli 2017 im „Staatsanzeiger“ veröffentlicht.

Ozonanlagen beseitigen Keime und Spurenstoffe hierbei besonders effektiv. Sie benötigen aber eine zusätzliche Nachreinigung durch eine Filterstufe.

Herkömmliche Reinigungsanlagen mit zwei oder drei Reinigungsstufen eignen sich hingegen nicht zum Herausfiltern antibiotikaresistenter Keime. Für ein Pilotvorhaben des Abwasserverbandes Bickenbach, Seeheim-Jugenheim wurden am 16. August 2017 Landesmittel in Höhe von 2,74 Millionen € bewilligt. Eine weitere Pilotmaßnahme soll in Kürze gefördert werden. In beiden Fällen ist eine Ozonierung des Abwassers vorgesehen.

Außerdem wird in der Kläranlage des Abwasserverbandes Langen-Egelsbach-Erzhausen derzeit im Rahmen einer großtechnischen Versuchsanlage ein Projekt durchgeführt, das unter anderem die weiter gehende Entfernung antibiotikaresistenter Keime zum Gegenstand hat. Das Forschungsprojekt startete im Oktober 2015. Es wird voraussichtlich Mitte 2018 abgeschlossen werden. Das Land fördert das Vorhaben mit 877.500 €.