Da alle Vorredner über die Grundschulen gesprochen haben, will ich auch hier ein paar Sachen einordnen, weil es für mich schwer zu ertragen ist, dass hier ein Zerrbild skizziert wird, das jeglicher Realität widerspricht.
Wir haben 54.000 i-Männchen in diesem Jahr. Das ist schön. Noch schöner ist, dass es zum Schuljahresbeginn in der 1. Klasse 1.000 Kinder mehr waren. Das ist prima. Damit es hier auch noch einmal unterstrichen ist: Über die Grundunterrichtsversorgung hinaus gelten die 105 %. Es
kommen zusätzliche Lehrer hinzu im Bereich Sozialindex, im Bereich Ganztag, im Bereich Inklusion, im Bereich Sprachförderung. Herr Kollege Schäfer-Gümbel, dann landen wir – das ist alles nachzurechnen – bei den 122 %, die Herr Degen eben beschrieben hat.
Jetzt schauen wir genau hin. Wenn von 11.500 Stellen in den Grundschulen derzeit, was schade ist, 100 noch nicht besetzt sind, dann ist das weniger als 1 %.
Von daher würde ich ruhig und bescheiden im Vergleich zu dem, was um Hessen herum passiert, die Dinge mit einem relativen Stolz betrachten. Denn wenn wir schauen, wie andere Bundesländer arbeiten, dann ist es dort ein wesentlicher Abfall im Vergleich zu dem, was wir vorhalten.
Bei der Lehrergewinnung sind wir erfolgreich. Wir haben kurzfristige Konzepte. Da machen wir denjenigen ein freiwilliges Angebot, die kurz vor der Pension stehen oder noch nicht länger als zwei Jahre pensioniert sind. Mit Weiterbildung, im Übrigen qualifizierter Weiterbildung, gewinnen wir qualifizierte Lehrer für Grundschulen und für Förderschulen. Das ist der mittelfristige Weg. Aber der wirkt ebenfalls, weil die Kolleginnen und Kollegen unverzüglich einsetzbar sind. Dann haben wir auch die Kapazitäten an den Universitäten um 315 Studienplätze erhöht – alles an hessischen Universitäten. Das machen wir.
Im Übrigen haben andere Bundesländer bei Hessen abgeschaut und ergreifen ähnliche Maßnahmen: Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz usw. usf. Ich könnte das endlos fortsetzen, die Zeit fehlt mir dazu. Niedersachsen will ich nicht unerwähnt lassen.
Jetzt schauen wir genau, wie die Situation ist. In Niedersachsen waren 600 Stellen nicht besetzt. Über 200 sind dort nach wie vor nicht besetzt, und Gymnasiallehrer werden zwangsweise abgeordnet und ohne Qualifizierung an den Grundschulen zum Einsatz gebracht – nur, damit Sie es einmal gehört haben.
Das Ergebnis ist: An den Gymnasien fallen Arbeitsgemeinschaften aus. An den Gymnasien fällt der Wahlunterricht aus. Die Direktoren beschweren sich dort.
Mecklenburg-Vorpommern: Von 449 Referendarstellen sind 274 nicht besetzt. Das bedeutet Engpässe im laufenden Schuljahr, und es ist ein Problem für das kommende Schuljahr, weil dann der Nachwuchs fehlt.
Berlin: Die Seiteneinsteigerzahl ist so hoch wie nirgendwo. Es wird auf Plakaten nach Lehrern gesucht. Es werden Lehrer gewonnen, die zuletzt 1989 in der DDR unterrichtet haben und seither in Horten als Erzieher arbeiten. Wie passt das zusammen?
Ich sage es noch einmal: Hessen hält die Stellen vor, Hessen hält die Lehrer vor – die Lehrer kommen auch nach Hessen –, und wir halten auch qualifiziertes Personal vor, und darauf sind wir stolz.
Herr Kollege Greilich, dann kommen wir zu den Arbeitsbedingungen. Arbeitszeitreduzierung, deutliche Lohnerhöhung, Jobticket – auch das gibt es nur in Hessen. Das gehört auch dazu.
Wenn wir über Qualität und Quantität sprechen, dann will ich dieses Thema der Qualität hier noch einmal in den Vordergrund stellen. Wir haben das Schulgesetz verabschiedet. Zum 01.08. dieses Jahres ist es in Kraft getreten. Auch dort gibt es viele Unterstützungsmaßnahmen in allen Bereichen: im Grundschulbereich die Bildungssprache Deutsch. Da haben wir einen Grundwortschatz. Es gibt den Praxisbeirat für die Grundschulen. Herr Kollege Degen, ich bin dankbar, dass Sie das genannt haben. Es gibt computergestützte Lernverlaufsdiagnostik. Wir qualifizieren die Schulleiter entsprechend. Auch das war eine Anfrage in der Fragestunde am gestrigen Tag. Wir richten die Fortbildung neu aus, weil sich auch dort durch sich verändernde Situationen zwangsläufig Herausforderungen ergeben haben. Das Gleiche tun wir bei der Schulevaluation.
Bei der fortgeschrittenen Zeit muss ich jetzt leider etwas kürzen. Aber wir werden Gelegenheit haben, das in der nächsten bildungspolitischen Debatte, nämlich bei der Regierungserklärung, ausführlicher zu machen. All die Schwerpunkte, nämlich Inklusion, Sprache und Integration, Sozialindex, machen wir, Herr Kollege Greilich, das, was Sie im Kern schon lobend in Ihrem Antrag erwähnt haben. Da haben wir in Summe 3.500 Stellen eingebracht. Ich finde, das kann sich auch sehen lassen. Aber es ist mir wichtig, noch einmal zu betonen, damit es eingeordnet wird: Inklusion ist eine Herausforderung, keine Frage. Aber vor allem stehen das Kindeswohl
ich kürze gerne, Frau Präsidentin; ich komme zum Ende –, die Wahlfreiheit und natürlich die Entscheidung vor Ort, was die optimale Richtung, der optimale Unterstützungsrahmen für das Kind ist.
Ich ziehe einen Strich darunter: Wir haben prima Rahmenbedingungen. Wir haben die meisten Lehrer aller Zeiten. Wir haben die kleinsten Klassen aller Zeiten, und Hessen hat die geringste Schulabbrecherquote von 16 Bundesländern laut Caritas-Bildungsstudie 2017. Wir arbeiten weiterhin so erfolgreich, und ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich die Anträge der Opposition zu diesem Setzpunkt der FDP gesehen habe, dachte ich mir: Das ist für einen Schuljahresanfang erstaunlich moderat. – In den Reden wurde jetzt ein bisschen verbal nachgelegt und aufgerüstet. Aber im Kern beschäftigen sich die Anträge der Opposition damit, dass es in Hessen wie in allen anderen Bundesländern auch derzeit schwierig ist, alle Lehrerstellen zu besetzen. Wenn ich mir überlege, über was wir in diesem Haus schon zu anderen Schuljahresbeginnen gestritten haben,
dann haben wir das jetzt auf ein gewichtiges Problem, auf eine wichtige Herausforderung reduziert. Aber in allen anderen Bereichen – das entnehme ich den Anträgen der Opposition – ist die Kritik nicht mehr so scharf wie in früheren Jahren. Das nehme ich erst einmal sehr positiv zur Kenntnis.
Lassen Sie uns über die bundesweite Lehrerknappheit reden; denn natürlich ist das eine Schwierigkeit. Aber tun Sie bitte nicht so, als sei das ein hessisches Spezifikum. Kollege Schwarz hat schon aus anderen Bundesländern einige Zahlen genannt. Ich will ergänzen, und damit Sie sehen, dass es keine parteipolitische Debatte ist, fange ich mit Baden-Württemberg an, wo die GRÜNEN den Ministerpräsidenten stellen – nicht die Schulministerin, aber den Ministerpräsidenten. Ich will mich da nicht drücken.
In Baden-Württemberg sind die Zahlen noch viel größer bei dem Delta zwischen den Lehrern, die man bräuchte, und den Lehrern, die auf dem Markt zur Verfügung stehen.
In Brandenburg fehlen über 500 Lehrer. In Sachsen fehlen über 540 Lehrer. Andere Beispiele hat der Kollege Schwarz schon genannt.
Gleich. – Ich sage nur, wir haben eine Herausforderung, und diese Landesregierung reagiert auf die Herausforderung. Das ist das Entscheidende. Wir handeln, um dem Lehrermangel zu begegnen, indem wir kurzfristig Pensionärinnen und Pensionäre gebeten haben, wieder in den Schuldienst zu gehen, indem wir mittelfristig Weiterqualifizierungen für andere Lehrämter angeboten haben und indem wir langfristig die Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen erhöht haben. Was ist eigentlich die Alternative dazu, es so zu machen? Dazu habe ich noch nichts gehört.
Danke für die Möglichkeit. – Herr Kollege Wagner, ist Ihnen bei den Beispielen, die Sie aufzählen, bekannt, ob man dort auch wie in Hessen Personen ohne jegliche pädagogische Ausbildung im Umfang von 10 % auf volle Lehrerstellen setzt?
Herr Kollege Degen, vielen Dank für die Frage. Ich beantworte sie mit dem dpa-Dossier Bildung vom März 2017 am Beispiel Niedersachsens. Ich zitiere aus der dpa-Meldung:
Niedersachsen stellt mehr Quereinsteiger ein. – Angesichts des bundesweiten Lehrermangels stellt Niedersachsen verstärkt Quereinsteiger ein und muss auch zahlreiche ausgeschriebene Stellen unbesetzt lassen.
Herr Kollege Degen, vielen Dank für die Zwischenfrage. Alle Bundesländer stehen vor derselben Herausforderung. Alle Bundesländer lösen das gleich. Zur Erläuterung: In Niedersachsen stellt die SPD die Kultusministerin.
Herr Kollege Greilich, ich finde es übrigens mutig, dass ausgerechnet die FDP-Fraktion das Thema der zu wenigen ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer hier so groß macht. Ein Lehrer oder eine Lehrerin brauchen je nach Lehramt fünf bis sieben Jahre, bis sie fertig ausgebildet sind. Ich glaube, darüber besteht in diesem Haus Einigkeit. Herr Kollege Greilich, die Lehrerinnen und Lehrer, die heute fehlen, hätten also während der Verantwortung der FDPKultusministerinnen ausgebildet werden müssen. Herr Kollege Greilich, insofern etwas mehr piano.
Ich habe gesagt: Ich war überrascht, dass die Anträge und der Dringliche Antrag der Opposition zum Schuljahresanfang moderat sind. Die Opposition spricht über 100 Stellen, die bislang an den Schulen nicht besetzt sind.