Protokoll der Sitzung vom 30.08.2017

Man könnte eine Haushaltsdebatte über die Vorstellungen der Europäischen Union hinsichtlich der Mindeststandards anstoßen, mit denen in der Pflege gearbeitet werden muss. Man könnte auch eine Grundsatzdebatte über die Generalistik anstoßen. Ich finde, wir sollten diese Debatte dann führen, wenn dieses grundsätzliche Thema in dem Gesetz einen Niederschlag finden soll, aber nicht heute. Das wäre gegenüber den Kollegen nicht angemessen, und es würde auch ein Stück weit etwas in einen Gesetzentwurf hineininterpretiert, der eigentlich eine Fortschreibung darstellt und durch den es nur zu minimalen Veränderungen kommen wird, die aus meiner Sicht nicht zu kritisieren sind. Ich kann mir momentan kaum vorstellen, dass wir diesem Gesetzentwurf am Ende nicht zustimmen werden.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Rock. – Das Wort hat Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist so schmal wie das Entgelt der Betroffenen. Das ist das Bedauerliche an der Situation. An dieser Situation müssen wir dringend etwas ändern.

Die Menschen haben es hier mit einer Ausbildung zu tun, die ähnlich schmal ist wie dieser Gesetzentwurf; in der Praxis müssen sie aber viele Tätigkeiten übernehmen, die eigentlich einer voll ausgebildeten Pflegekraft obliegen würden. Im praktischen Erleben werden diese Tätigkeiten aber oft von Hilfskräften ausgeführt, weil in den Einrichtungen schlicht und ergreifend zu wenig Personal vorhanden ist. Da müssen wir Abhilfe schaffen.

Eine Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen, ist, diese enorm schmale Ausbildung ein bisschen umfänglicher, länger, besser und gründlicher auszugestalten, damit wir Pflegekräfte bekommen, die all die Tätigkeiten, die sie in der Praxis tatsächlich ausführen, ordentlich gelernt haben. Deshalb müsste man diese Ausbildung grundlegend verändern. Man müsste sie in die Ausbildung zur Gesundheitsund Krankenpflegekraft integrieren. Ich hoffe, dass das dann zur Sprache kommt, wenn wir das Thema insgesamt noch einmal debattieren. Es wird ja nicht an uns vorbeigehen, dass wir das tun müssen. Ich kann schon jetzt sagen, meine Begeisterung bezüglich dessen, was da auf uns zurollt, was die Veränderung der Ausbildung betrifft, hält sich enorm in Grenzen.

Wenn die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagenen Änderungen auch noch so klein sind, entsprechen sie nicht den Vorstellungen, die wir davon haben, wie Menschen ausgebildet sein sollten, die in diesem Berufs

feld arbeiten. Deshalb glaube ich nicht, dass der Gesetzentwurf unsere Zustimmung finden wird. Wir werden in der Anhörung genau aufpassen, was uns die Fachleute an der Stelle mit auf den Weg geben, und danach unsere Entscheidung treffen. Wir würden uns wünschen, dass man an der Stelle etwas anders reagiert. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir auch einmal erfahren, wie viele Menschen aus dieser ersten Ausbildung heraus tatsächlich in eine Vollausbildung einsteigen, wie viele derer, die eingestiegen sind, die Ausbildung tatsächlich beenden, und wie viele Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten es für die Menschen gibt, die diesen Weg wählen.

Ich kann mir nämlich vorstellen, dass durchaus viele auf diesem Weg scheitern, was ziemlich fatal wäre, weil man die Menschen damit enorm frustriert und ihnen das Selbstwertgefühl nimmt und wir dadurch die Chance verlieren, voll ausgebildete Pflegekräfte zu bekommen. Die könnten wir vielleicht haben, wenn wir sie an der Stelle stärker unterstützt hätten. Es wäre wichtig, Zahlenmaterial zu haben, das wir auswerten und daraufhin anschauen können, ob es da noch einen Handlungsbedarf gibt.

Ich halte es für gut möglich, dass es da einen großen Handlungsbedarf gibt. Die Hürde, in die Ausbildung hineinzukommen, mag mit diesem ersten Schritt genommen werden; aber die Hürde, die Ausbildung auch abzuschließen, sollten wir uns noch einmal genauer anschauen. Da gibt es noch einiges, was wir machen können. Wir müssen unbedingt viel tun, da das Personal dringend notwendig ist. Deswegen ist hier Handlungsbedarf gegeben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat der Abg. Dr. Ralf-Norbert Bartelt, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hessische Krankenpflegehilfegesetz tritt Ende dieses Jahres außer Kraft. Der Entwurf der Landesregierung sieht vor, die Geltungsdauer des Gesetzes zu verlängern. Wir stimmen dem zu.

Aus den den Mitgliedern des Sozial- und Integrationspolitischen Ausschusses bereits zur Verfügung gestellten Unterlagen der Regierungsanhörung geht hervor, dass die angeschriebenen Betroffenen zu dem Entwurf keine Anmerkungen hatten und der Verlängerung der Geltungsdauer ebenfalls zustimmen. Dies trifft insbesondere für die Krankenpflegeschulen zu.

Die einzige substanzielle Änderung in dem Gesetzentwurf betrifft die Regelung der Anerkennung der im Ausland absolvierten Ausbildungen. Durch die Klarstellung und die Bezugnahme auf entsprechende Richtlinien der EU werden die Anerkennungen in der Praxis erleichtert. Wir hoffen auch, dass die Antragsverfahren dadurch verkürzt werden.

Im Zusammenhang mit der Behandlung dieses Gesetzentwurfs möchte ich ganz kurz, ohne die Redezeit voll ausschöpfen zu wollen, einige wenige Anmerkungen zur Reform der Pflegeberufe machen. Ich bewerte positiv, dass der Bundestag im Juni dieses Jahres das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe, das ab 2020 eine generalistische Pflege

ausbildung vorsieht, verabschiedet hat. Das Gesetz konnte im Juli in Kraft treten.

Hierdurch werden folgende Verbesserungen erzielt: Der Pflegeberuf wird in der Gesellschaft deutlich aufgewertet. Die Pflegekräfte können ihr Berufsleben flexibler gestalten. Die größere Anerkennung wird auch zu einer besseren Bezahlung führen. Der Druck wird erhöht werden, sodass weniger Personen ihren erlernten Beruf vorzeitig verlassen. Die Ausbildung ist jetzt bundesweit für Schülerinnen und Schüler kostenfrei. Nicht jedes Bundesland hat bisher – im Gegensatz zu Hessen – die Schulkosten unabhängig von den Anmeldezahlen vollständig und ungedeckelt übernommen.

Insgesamt wird die Qualität der Ausbildung erheblich verbessert, und es wird auch der fachlichen Entwicklung Rechnung getragen: Die Krankenpflege erfordert immer mehr geriatrische Kenntnisse, und die Altenpflege ist medizinisch anspruchsvoller geworden.

Es bleibt bei einem mittleren Schulabschluss als Aufnahmevoraussetzung. Das ist uns im Zusammenhang mit der auf der EU-Ebene geführten Diskussion wichtig. Bei Einzelbewertungen ist in vielen Fällen auch der Hauptschulabschluss ausreichend, um eine solche Ausbildung zu beginnen.

(Beifall bei der CDU)

Nach der Einführung der Generalistik wird das Gesetz, dessen Geltungsdauer jetzt verlängert wird, sicherlich wieder geändert werden müssen. Es ist daher zu erwarten, dass wir hier bereits nach drei Jahren entsprechende Diskussionen führen werden.

Abschließend danken wir den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Ausbildungskräften für ihre Beiträge, um den Mangel an Pflegekräften und Pflegehilfskräften zu beheben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Kollege Dr. Bartelt. – Das Schlusswort in der Debatte hat der Kollege Bocklet, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor Sie in die Mittagspause gehen können, kommt nur noch mein Wortbeitrag. Ich bemühe mich um angemessene Kürze.

Der vorgelegte Gesetzentwurf hat nur ein wesentliches Ziel, nämlich die Verlängerung der Geltungsdauer sicherzustellen. Der Herr Minister hat dazu alles ausgeführt. Wir stimmen als GRÜNE diesem Gesetzentwurf zu.

Wir haben darüber hinaus von der Kollegin Sommer gehört, dass noch zwei Themen gestreift werden. Eines davon ist die Frage: Wie wirkt sich die Reform der Pflegeberufe aus? Was bedeutet das tatsächlich?

Was die Debatte über die Generalistik betrifft: Ich habe sie als eine sehr umkämpfte Diskussion wahrgenommen; sie hat sehr stark gespalten. Ich habe viele Lager festgestellt, zwischen denen sehr heftig darüber gestritten wurde und

die sehr ungewöhnlich waren – SPD, CDU –, auch auf der Bundesebene. Die Gesetzentwürfe wurden aufgehalten, dann wurde doch wieder weitergemacht. Da ging es also drunter und drüber. Viele Verbände waren überraschend dafür, einige wenige waren dagegen. Ich glaube, das war ein sehr umstrittenes Feld.

Fakt ist – der Kollege Dr. Bartelt hat es gesagt –, seit Juli ist es beschlossen. Spannend wird es jetzt in der Tat. Wir GRÜNE haben der Generalistik immer sehr offen gegenübergestanden. Aber ihr Erfolg hängt von der Umsetzung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen ab, die dann auf uns zukommen werden. Da wird das Entscheidende passieren, z. B. wie viele Stunden vorgesehen sind. Die Inhalte werden zusammengelegt; logischerweise wird es dadurch weniger werden. Da wird es darauf ankommen, wie genau das umgesetzt wird. Dann wird sich zeigen, ob die positiven Ziele der Generalistik tatsächlich erreicht werden. Das ist das eine Thema, das mit diesem Gesetzentwurf angetickt wird: die Reform der Pflegeberufe.

Der zweite Punkt, den Sie angesprochen haben, waren die Mindeststandards in der Pflege. Sie wurden hier noch einmal zum Thema. Ich glaube, dass perspektivisch kein Weg daran vorbeiführt. Natürlich brauchen wir in der Pflege auch Mindeststandards. Frau Dr. Sommer, Sie haben da recht.

Die Frage war aber schon damals: Wie werden diese Mindeststandards finanziert? Müssen Krankenhäuser das sozusagen von ihrem Etat abschneiden? Geht das von der medizinischen Versorgung ab? Muss umgeschichtet werden? Das ist der entscheidende Punkt. Dass die Stellen für Menschen, die in der Pflege arbeiten, eines Mindeststandards bedürfen, finde ich inhaltlich richtig.

Ich will noch ergänzen, dass, soweit ich informiert bin, eine Arbeitsgruppe auf der Bundesebene dazu getagt hat. An dieser Arbeitsgruppe waren sehr viele Akteure beteiligt, auch Vertreter der Parteien. Sie sind eigentlich zu einer Einigung gekommen; das steht kurz vor einer Verordnung. Aber auch hier ist die Gretchenfrage: Was bedeutet diese Verordnung am Ende des Tages für die Finanzierung? Da wird noch weiter verhandelt. Man kann sehr gespannt darauf sein.

Das Land Hessen wird das sicherlich nicht alleine stemmen. Solche Mindeststandards haben große finanzielle Auswirkungen. Deswegen muss der Bund dort Vorentscheidungen treffen. Auch das scheint auf einem guten Wege zu sein.

Ich fasse zusammen: Die Pflegeberufe stehen in der Tat vor großen Umwälzungen. Wir brauchen die Umsetzung der Generalistik, und wir stehen auch vor der Frage: Wie werden die Mindeststandards aussehen? Wie werden sie finanziert? Das sind die spannenden Felder, um die es in dieser pflegepolitischen Debatte geht. Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf beschränkt sich im Wesentlichen auf die Verlängerung der Geltungsdauer, was bedeutet, dass wir all diese Veränderungen wahrscheinlich in ein oder zwei Jahren angehen werden. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Kollege Bocklet, herzlichen Dank. – Wir sind am Ende der Debatte.

Der Gesetzentwurf wird zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Fachausschuss überwiesen.

Damit sind wir am Ende der Vormittagsberatung. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr und hoffe, wir sehen uns wieder.

(Unterbrechung von 12:38 bis 15:02 Uhr)

Kolleginnen und Kollegen! Ich hebe die Sitzungsunterbrechung auf.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 43 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend unveränderte Probleme zum Schuljahresbeginn an hessischen Schulen – Drucks. 19/5164 –

mit Tagesordnungspunkt 50:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Schule zuverlässig gestalten – Drucks. 19/5172 –

sowie mit Tagesordnungspunkt 71:

Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD betreffend „Wo Schule draufsteht, muss auch Schule drin sein“ – Guter Unterricht benötigt ausgebildete Lehrkräfte – Drucks. 19/5201 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erstem erteile ich dem Kollegen Greilich für die FDP-Fraktion das Wort.

Ich meine, wir hätten zehn Minuten Redezeit zu diesem Setzpunkt.

Das habe ich gesagt.