Die Etablierung einer Biosphärenregion im Gebiet einer europäischen Metropolregion bedeutet eine große Herausforderung. In Deutschland ist so etwas noch Neuland. Die Machbarkeitsprüfung, die rechtliche Ausweisung und das UNESCO-Antragsverfahren, die Etablierung einer urban geprägten Biosphärenregion – das ist ein sehr großes Vorhaben mit vielen Facetten.
Gerade in einer Metropolregion sind die Problemstellungen der Umwelt-Mensch-Beziehungen am größten und nur schwierig zu lösen, da schon heute über 50 % der Menschheit in Städten und Ballungsräumen leben. Eine Biosphärenregion lebt von und mit ihren Menschen. Die Zivilgesellschaft, ihre Teilhabe und deutliche Einbindung sind daher ausschlaggebend für den Erfolg eines solchen Projekts. Dies soll und muss daher von Beginn eines solchen Prozesses an bis zu seiner Realisierung und Durchführung gewährleistet sein.
Damit kommen wir so langsam in den Bereich, wo die Landesregierung tätig werden müsste. Das ist eine klare Aufgabe, eine entsprechende Einbindung der Akteure vor Ort zu administrieren. Es gibt vor Ort eine ganze Menge an
Einzelpersonen, aber auch an Verbänden und Institutionen, die sich bereits mit diesem Thema beschäftigen.
An erster Stelle muss der Naturpark Rhein-Taunus mit dem Geschäftsführer Andreas Wennemann genannt werden. Der Naturpark könnte als zentrale Kooperationsstelle dienen, in der Koordinierung eine wichtige Rolle übernehmen und gegebenenfalls später in der Biosphärenverwaltung aufgehen. Die Stiftung „Unser Land! Rheingau und Taunus“ ist hier zu nennen.
Ebenso gehören Bildungsinstitutionen vor Ort dazu. Hier könnte die Hochschule Geisenheim als fester Partner auftreten. Der dortige Prof. Werk hat sich in diesem Zusammenhang sehr hervorgetan und hochinteressante Ideen zu diesem Thema entwickelt. Auch die Hochschule RheinMain in Wiesbaden oder die Hochschule Fresenius in Idstein könnten wichtigen Partner werden.
Viele Verbände und Einzelpersonen sind bereits engagiert und befassen sich mit diesen Themen. Dazu gehören auch kritische Verbände; so hat sich der Kreisbauernverband damit befasst, aber auch – der Kollege Lenders hat den Weinbau erwähnt, der im Rheingau-Taunus-Kreis besonders wichtig ist – der Rheingauer Weinbauverband. Natürlich gibt es dort auch kritische Stimmen. Der Präsident des Rheingauer Weinbauverbandes, unser ehemaliger Kollege Peter Seyffardt, hat schon Kontakt aufgenommen mit der Wiener Region – die Kollegin Hammann hat schon gesagt, dass es auch in Wien eine solche Biosphärenregion gibt –, um zu schauen, wie man Weinbau in einer solchen Biosphärenregion betreiben kann und welche Restriktionen es eventuell gibt. Es gibt also eine Menge Akteure vor Ort. Jetzt ist die Landesregierung gefordert, diese Akteure mitzunehmen. Vor allem muss sie jedoch vor Ort für Akzeptanz werben.
Einen Vorwurf kann ich Ihnen allerdings nicht ersparen, Frau Hammann. Bei den GRÜNEN sehe ich bislang wenig Erfolg bei dieser Handlungsweise. Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen erklären. Es sind ja nicht nur der Rheingau-Taunus-Kreis und Wiesbaden dabei, sondern auch der Main-Taunus-Kreis. In Ihrem Antrag steht, dass sich auch der Main-Taunus-Kreis dafür einsetzt und die Bereitschaft unterstützt.
Ich sage Ihnen mal, wie das wirklich gelaufen ist: Ihre hauptamtliche Kreisbeigeordnete im Main-Taunus-Kreis, Frau Overdick, hat die vier betroffenen Bürgermeister eingeladen, hat sie mit ziemlich dicken Tischvorlagen bombardiert und gesagt: Ihr könnt jetzt erst mal eine Lesepause machen und euch mit diesem Thema beschäftigen. – Die Bürgermeister sind dann wutentbrannt gegangen. Im Kreistag ist das Thema überhaupt nicht debattiert worden. Wenn hier steht, dass der Main-Taunus-Kreis das Ganze unterstützen würde, ist das schlicht die Unwahrheit. So wirbt man nicht für Akzeptanz, wenn man bewusst etwas Falsches in einen Antrag schreibt.
Ein weiterer Punkt. Sie bringen diesen Antrag im Alleingang ein. Wenn man so etwas politisch auf breite Füße stellen will und wenn man weiß, dass es, mit Ausnahme der FDP, außer der Koalition noch zwei andere Fraktionen gibt – nämlich DIE LINKE und die SPD –, die im Kreistag zugestimmt haben und die diesem Projekt im Grundsatz offen gegenüberstehen, dann finde ich es ziemlich unklug, aus reinem Themenmangel aus diesem Punkt einen Alleingang zu machen und die anderen Fraktionen nicht einzu
Damit komme ich zum letzten Punkt. Hier steht: „Der Landtag … bittet … die Landesregierung, eine ergebnisoffene Machbarkeitsstudie … auf den Weg zu bringen.“ Da kann man aus unserer Sicht erst mal nichts dagegen haben. Daraufhin habe ich interessehalber in der Hessischen Ausschreibungsdatenbank nachgeschaut und festgestellt – Referenznummer 17/3265; das können Sie nachlesen –: Auftraggeber: Land Hessen, vertreten durch das HCC; Bezeichnung des Auftrags durch den Auftraggeber: Rahmenvertrag zur Erstellung, Prozessbegleitung und zum -management einer Machbarkeitsstudie „Biosphärenregion im Gebiet Rheingau-Taunus/Wiesbaden/Mainspitze“; Tag der Veröffentlichung in der HAD: 24.08.2017.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, man könnte fast meinen, das sei eine Missachtung des Parlaments.
Zumindest aber ist das eine echte Unverschämtheit, was Sie uns hier vorlegen. Wir sollen hier und heute beschließen, dass die Landesregierung gebeten wird, eine solche ergebnisoffene Machbarkeitsstudie auf den Weg zu bringen, wo sie es doch schon längst getan hat.
Und das mit Datum vom 22. August dieses Jahres – am 24. August hat die Landesregierung das Ganze auf den Weg gebracht. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Für dumm verkaufen können wir uns alleine.
Das ärgert mich wirklich, weil wir inhaltlich nämlich zu dieser Machbarkeitsstudie stehen. Wir stehen dazu, und wir würden diesem Antrag eigentlich gerne zustimmen. Wenn aber erstens in dem Antrag etwas Falsches im Hinblick auf die Machbarkeitsstudie steht und wir zweitens veräppelt werden sollen, indem wir etwas beschließen sollen, was die Landesregierung längst beschlossen hat, wir also über einen Schaufensterantrag beschließen sollen, dann hat das eher etwas mit Eigensinn und amateurhaftem Verhalten zu tun, trägt aber nicht dazu bei, die Akzeptanz für einen solchen Antrag zu erhöhen.
Deswegen können wir uns bei dem Antrag heute nur enthalten, was ich sehr bedauere. Dafür ist jedoch niemand anders verantwortlich als Sie und Ihre Fraktion, liebe Frau Hammann. Wenn man weiterhin so mit diesem Projekt umgeht wie Sie, dann fährt man es gegen die Wand.
Vielen Dank, Herr Kollege Weiß. – Als Nächste hat sich Frau Kollegin Müller-Klepper für die Fraktion der CDU zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hessen ist ein Land voller wunderbarer Landschaften und großartiger Natur. Obwohl wir der Verkehrsknotenpunkt Europas und eine der wirtschaftsstärksten Regionen der Welt sind, haben wir unsere Umwelt und Natur bewahrt. Wir arbeiten dafür, sie auch in Zukunft zu erhalten.
Neben flächendeckenden Maßnahmen für Umweltschutz und Artenvielfalt spielen dabei auch und gerade unsere Naturschutzgroßprojekte eine wichtige Rolle. Wir haben mit dem Kellerwald einen großartigen Nationalpark, der in der Region sehr gut angenommen wird, der den Tourismus am Edersee belebt und ergänzt hat und der für den Erhalt unserer traditionellen Umweltstrukturen gerade im Bereich der Buchenwälder und der damit verbundenen Arten eine wesentliche Rolle spielt.
Wir haben ein länderübergreifendes UNESCO-Biosphärenreservat in der Rhön, das ebenfalls sehr erfolgreich ist. Auch hier funktioniert der Schutzstatus sehr gut mit den Zielen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung, mit dem Tourismus und mit den Wünschen der Region. Ich könnte noch viele weitere erfolgreiche Beispiele nennen, sei es das Großprojekt „Hoher Vogelsberg“, das UNESCO-Projekt „Lebenswerte Lahn“ oder das „Grüne Band durch Hessen“.
Unser heutiges Thema ist ein weiterer Schritt bei diesen Aktivitäten, ein weiterer Baustein, mit dem wir eine Region in den Blick nehmen, die über viele Vorzüge verfügt, die wirtschaftlich stark ist, die über eine einzigartige Landschaft, über kulturelle Vielfalt verfügt. All dies gilt es zu bewahren und behutsam weiterzuentwickeln.
Frau Kollegin Hammann hat bereits einige Glanzlichter dieser Region beschrieben. Wir haben seit vielen Jahren die Diskussion über die Idee, gebietskörperschaftsübergreifend in Wiesbaden, im Rheingau-Taunus, an der Mainspitze eine weitere Biosphärenregion einzurichten. Der Ansatz, eine solche Region im hoch verdichteten Bereich des Rhein-Main-Gebiets und unter Beteiligung der Landeshauptstadt zu entwickeln, ist herausfordernd; denn wenn man an Biosphäre denkt, dann kommen einem sicherlich nicht zuallererst die hoch entwickelten, wirtschaftlich starken, von einem engen Straßen- und Schienennetz durchzogenen Regionen am Zusammenfluss von Rhein und Main in den Sinn, ebenso wenig wie die Landeshauptstadt mit ihrer hohen Siedlungsdichte.
Genau deshalb ist es aber auch eine spannende Frage. Kann eine UNESCO-Biosphärenregion in einem so verdichteten Raum funktionieren? Bekommen wir den Schutz unserer Landschaft, der Natur und der Arten, die hier leben, in einen guten Einklang mit der Entwicklung der Region mit dem notwendigen Straßenausbau, mit der Landund Forstwirtschaft und natürlich insbesondere auch mit dem Weinbau? Können wir den Menschen im Ballungsraum ein UNESCO-Naherholungsgebiet vor ihrer Haustür bieten, das Chancen für Tourismus und vieles mehr bietet, ohne dass wir die Dynamik der Region gefährden? Findet ein solches Vorhaben Akzeptanz bei den Menschen vor Ort? Nur dann, wenn eine Biosphärenregion von den Menschen getragen wird, kann sie auch funktionieren.
Entschuldigung, Frau Kollegin. – Ich muss jetzt einmal um Ruhe bitten. Im Bereich des Plenums haben die Gespräche mittlerweile etwas überhandgenommen. Vielleicht können wir der Rednerin etwas mehr Aufmerksamkeit widmen.
Der Kreistag des Rheingau-Taunus-Kreises hat sich schon mehrfach mit diesem Thema beschäftigt und Offenheit für die Idee gezeigt. Vor Kurzem hat nun auch die Stadt Wiesbaden signalisiert, dass sie zumindest der Antwort auf die offenen Fragen offen gegenübersteht.
Ich will hier sehr deutlich sagen, dass es mir und meiner Fraktion an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt genau darum geht. Es gibt Fragen, bei manchen Sorgen oder Befürchtungen, bei anderen Hoffnungen oder Erwartungen. Beiden, den Hoffnungen und den Befürchtungen, begegnet man am besten mit Fakten statt mit Spekulationen.
Die Regierungsfraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN haben daher vereinbart – dies ist auch in der Koalitionsvereinbarung verankert –, dass wir eine Machbarkeitsstudie gemeinsam mit den Betroffenen in den Regionen auf die Schiene bringen. Als Land wollen und können wir diesen Prozess begleiten. Wir wollen und werden ihn aber nicht vorschreiben. Wir legen Wert darauf, dass diese Studie ergebnisoffen ist. Wir müssen Chancen und Risiken unvoreingenommen ernsthaft prüfen, um zu wissen, welche Sorgen berechtigt und welche Sorgen unberechtigt sind. Das gilt genauso für die Hoffnungen und Erwartungen, die damit verbunden sind.
Wir möchten daher, dass man sich fachlich und rechtlich vertiefter damit beschäftigt, wie eine solche Region ausgestaltet werden könnte. Wir wollen dies wissenschaftlich fundiert tun. Hat man – das ist schon angesprochen worden – die notwendigen Flächen, um die Anforderungen der UNESCO zu erfüllen, ohne dass man weitere Stilllegungen oder Eingriffe zulasten des Weinbaus oder von Forst- und Landwirtschaft vornehmen muss? Kann man einen wirklich messbaren Nutzen für den Naturschutz, den Artenschutz und den Landschaftsschutz erreichen? Bringt ein solches Projekt der Region wirklich bessere Chancen im Bereich des Tourismus? Beschneiden wir an irgendeiner Stelle Entwicklungsziele oder Entwicklungspotenziale, die wir als Region brauchen und erhalten wollen?
Es gibt – auch das ist schon angedeutet worden – in den Regionen auch Verantwortungsträger, die dem Vorhaben sehr skeptisch gegenüberstehen und die der Auffassung sind, dass es nicht geht. Ich habe Verständnis dafür, dass eine solche Debatte Sorgen auslöst und dass hierdurch Widerstände entstehen; denn die Fragen sind ja nicht trivial, sondern sie betreffen ganz direkt und unmittelbar viele Menschen. Deshalb dürfen wir auch nicht den Eindruck erwecken, wir würden eine solche Maßnahme mal eben einfach über die Köpfe der Leute hinweg umsetzen und dann
sehen, was passiert. Genau so machen wir es nicht. Wir nehmen die Ängste und Sorgen sehr ernst, und wir gehen sehr sorgfältig mit ihnen um. Uns ist wichtig, dass der Prozess mit einer breiten Beteiligung der Betroffenen, der Akteure vor Ort im Dialog stattfindet. Es gilt natürlich, die Kommunen einzubinden, den Weinbau, die Bauernverbände, aber auch die guten Institutionen, über die wir in den Regionen verfügen. Die Hochschule Geisenheim University ist genannt worden.
Ich halte es für richtig, dass wir all diese Fragen mit wissenschaftlicher Expertise prüfen. Sowenig Hoffnungen und Erwartungen allein ausreichen, um ein solches Projekt umzusetzen, so wenig reichen Ängste und Befürchtungen aus, ein Projekt einfach abzulehnen. Hier ist die Machbarkeitsstudie der richtige Weg. Für sie hat sich auch ausdrücklich der Kreistag des Rheingau-Taunus-Kreises mit breiter Mehrheit ausgesprochen. Sie schafft das Fundament für die weitere Debatte, für das Abwägen der Vor- und Nachteile und letztendlich für das Treffen der Grundsatzentscheidung.
Es wird keine Schnellschüsse und auch kein Gefälligkeitsgutachten geben, sondern eine objektive Prüfung aller Aspekte und eine fundierte Analyse. Anhand der Ergebnisse kann dann beurteilt werden, ob die Chancen die Risiken überwiegen und ob man für die Probleme Lösungen findet oder ob Probleme und Widerstände doch eine so ernsthafte Grundlage haben, dass man von dem Vorhaben Abstand nimmt.
Das ist das richtige und verantwortungsbewusste Vorgehen bei einem Projekt wie diesem, das seine Wirkung über Jahrzehnte entfalten wird. Ich begrüße, dass wir uns mit den Verantwortungsträgern in der Region auf ein solches Verfahren einigen konnten. Wenn wir so vorgehen, kann das ein interessanter und spannender Prozess werden. Er wird auf jeden Fall auch innovativ sein; denn es werden Kreis- und Stadtgrenzen übergreifend gemeinsam Antworten auf die Fragen der Regionalentwicklung gesucht werden. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Müller-Klepper. – Ich erteile jetzt Frau Abg. Schott von der Fraktion DIE LINKE das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Präsident, Sie müssen schon Verständnis dafür haben, dass auf der linken Seite des Hauses nach dem, was Marius Weiß in seiner Rede eben öffentlich gemacht hat, ein bisschen Unruhe herrschte. Dass anschließend Frau Müller-Klepper hier ans Mikrofon geht und ihre vorbereitete, standardisierte Rede ohne eine einzige Bemerkung zu dem, was wir zuvor erfahren haben, hält, das ist schon Hardcore.
Frau Abg. Schott, wenn Sie meinen, meine Verhandlungsführung kritisieren zu müssen, dann machen Sie das bitte auf einem geeigneten Weg, aber nicht hier in der Sitzung.