Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Jetzt stellt die Fraktion der LINKEN wieder einmal einen ähnlichen Antrag, und wir müssen uns hier wieder damit beschäftigen. Es geht erneut um eine rein bundespolitische Debatte über den Umgang mit Atomwaffen. Diese wird völlig zu Recht im Deutschen Bundestag geführt, und dort gehört sie meiner Meinung nach auch hin.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Zuständig für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ist bekanntermaßen die Bundesregierung – und nicht wir. Berlin verhält sich in dieser Frage, wie ich finde, klug, besonnen, verantwortungsvoll und nicht etwa naiv. Dort hat man die sicherheitspolitischen Belange des gesamten Landes im Blick.

Wie gesagt, aus meiner Sicht müssen wir diese Debatte, die in Berlin gut aufgehoben ist, nicht unbedingt in diesem

Landtag führen. Aber mitten im Bundestagswahlkampf wundere ich mich nicht über solche Vorstöße, und ich wundere mich auch nicht über den Änderungsantrag der Sozialdemokraten, der offen Zustimmung zur Äußerung des SPD-Kanzlerkandidaten in einer an sich friedenspolitischen und so wichtigen außenpolitischen Debatte vom Hessischen Landtag verlangt. Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass der 24. September naht und jeder versucht, seine Claims noch abzustecken.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Och!)

Meine Damen und Herren, unser aller Bekenntnis zu Frieden und zur Achtung der allgemeinen Menschenrechte müssen wir hier nicht extra diskutieren. Niemand von uns – da habe ich keine Zweifel – befürwortet den Einsatz von Nuklearwaffen. Jeder von uns kämpft für und träumt auch von einer atomwaffenfreien Welt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nur ist die Welt leider nicht immer so, wie wir sie gerne hätten. Der Weltfrieden ist kein Wunschkonzert, das wird uns tagtäglich vor Augen geführt. Symbol- und Resolutionspolitik von wem auch immer wird uns hierbei wenig helfen.

Gerade erst vorgestern – einige der Redner haben darauf hingewiesen – mussten wir mit Schrecken lesen, dass der Konflikt um Nordkorea weiter eskaliert. Unbeeindruckt von allen Strafmaßnahmen ging die verbrecherische kommunistische Führung in Pjöngjang diesmal so weit, eine Interkontinentalrakete über japanisches Territorium zu schießen, und dies ohne Ankündigung. Tokio sprach von einer beispiellos ernsten Bedrohung, und genau das ist es auch. Wir wissen nicht, wie sich dieser Konflikt weiterentwickeln wird, aber wir wissen schon, dass es weiterhin vielerorts – nicht nur in Ostasien, sondern bis an die Grenzen der Europäischen Union – Bedrohungen und Gefahren gibt. Ich erinnere nur an die völkerrechtswidrige Annexion der Krim – ich komme später noch einmal darauf zu sprechen – und das in regelmäßigen Abständen inszenierte Säbelrassen des Kremls gegenüber den baltischen Staaten.

Der Einsatz für den Frieden ist seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland Grundpfeiler der deutschen Außenund Sicherheitspolitik. Ein weiterer Grundpfeiler ist aber auch die Solidarität Deutschlands zu seinen Partnern – zur NATO und zu anderen Partnern weltweit. Deutschland ist zu groß und bedeutend, um sich, wie etwa Liechtenstein, neutral aus allem herauszuhalten. Zugleich ist Deutschland – und das bedauere ich nicht – militärisch zu unbedeutend, um ohne seine Verbündeten bestehen zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Die Einbindung in die NATO ist für den Erhalt des Friedens auch in Deutschland elementar. Die Zusammenarbeit mit unseren Verbündeten unter dem Dach der NATO ist und bleibt ein entscheidender Baustein für die Sicherheit und den Frieden in Deutschland, in Europa und in der Welt, und, meine Damen und Herren von den LINKEN, sie ist dringlicher und notwendiger denn je.

Aber zurück zu den Atomwaffen. Es ist aus Sicht der Hessischen Landesregierung sehr erfreulich, dass die Debatte um das Verbot von Kernwaffen auf der Ebene der Vereinten Nationen so ambitioniert verfolgt wird. Auch die Bundesregierung setzt sich im Rahmen der internationalen Friedensordnung für das Ziel einer atomwaffenfreien Welt

ein. Nur kann, darf und sollte sie hier keinen Schritt unternehmen, der die Bündnisverpflichtungen gegenüber den NATO-Partnern unterminiert – hier auszuscheren, dahinter muss man ein großes Fragezeichen machen.

(Beifall bei der CDU)

Auch wenn sich begrüßenswerterweise 122 Staaten für eine Annahme des Vertragsentwurfs für das Verbot von Kernwaffen ausgesprochen haben, bleibt festzustellen, es war keine Atommacht darunter, und kein einziges NATOMitglied – noch nicht einmal die Niederlande, die an den Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen sind. Die vorgeschlagene Konzeption – so ist jedenfalls aus Berlin zu hören – ist nämlich nicht mit dem strategischen Konzept der NATO vereinbar, das derzeit noch am Prinzip der nuklearen Teilhabe festhält.

Natürlich kann man das strategische Konzept und die nukleare Teilhabe diskutieren. Ich bin nur der Ansicht, dass ein Abrücken davon unter den aktuellen Vorzeichen bei massiver Aufrüstung in Nordkorea, Russland, China und den Golfstaaten verantwortungslos wäre. Aber vielleicht wollen Sie von den LINKEN das ja.

(Zuruf)

Unsere Logik, die ehrliche Logik muss doch sein: Es müssen alle auf Nuklearwaffen verzichten, also die NATOStaaten und alle anderen Atomwaffenmächte und Atomwaffenbesitzer. Andernfalls erlangen diejenigen, die weiter aufrüsten, noch strategische Vorteile für sich, und das wird nicht zu einer friedlicheren Welt beitragen und wahrscheinlich auch nicht den Frieden stabilisieren.

Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt, was Sie seitens der LINKEN an sich wirklich wollen.

(Zuruf von der LINKEN: Abrüstung!)

Ihre Russlandnähe ist ja nicht nur sprichwörtlich, sie ist greifbar. Sie müssten hier einmal die Frage beantworten, warum Ihr Bundesparteitag im Juni dieses Jahres auf die Verurteilung der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim verzichtet hat, ja, die Verurteilung in einem Antrag, der gestellt worden ist, abgelehnt hat.

(Manfred Pentz (CDU), zur LINKEN gewandt: Das wollt ihr doch nicht hören! – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Meine Damen und Herren von den LINKEN, wie müssen wir es denn verstehen, wenn Ihr linker Superstar, Frau Wagenknecht, gerade in diesem Kontext stattdessen auf dem Parteitag im Zusammenhang mit Russland fordert: „Wir wollen … eine Politik der guten Nachbarschaft“?

(Zurufe von der LINKEN)

Meine Damen und Herren von den LINKEN, fußt Ihr Antrag heute etwa auf dem auf Ihrem Parteitag beschlossenen Antrag, der da wörtlich lautet, die US- und NATO-Infrastruktur in Deutschland für den Aufmarsch gegen Russland solle beseitigt werden?

(Zurufe von der CDU: Aha! – Zuruf des Abg. Her- mann Schaus (DIE LINKE) – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Ich stelle mir die Frage: Ist etwa aus gutnachbarschaftlichen Beziehungen – –

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, das ist alles so fadenscheinig und offensichtlich, was Sie hier mit Ihrer Resolutionspolitik betreiben – Willi van Ooyen im FDJ-blauen Hemd lässt grüßen.

(Beifall bei der CDU)

Die Hessische Landesregierung, das ist mein letzter Gedanke, baut hier auf Diplomatie. Auch wenn das manchmal schwierig ist, kann das dann doch zum Erfolg führen, beispielsweise durch die engagierte Vermittlung der Hohen Vertreterin Mogherini bei den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm. Erst durch ihr Einschreiten ist der Durchbruch dort gelungen, den viele nicht für möglich hielten. Das Nuklearabkommen mit dem Iran zeigt die Rolle, die Diplomatie einnehmen kann, um langjährige Streitigkeiten in einer friedlichen, kooperativen Weise zu bewältigen. Die Hohe Vertreterin Mogherini hat dafür auch am 19. Juli 2017 den Hessischen Friedenspreis verliehen bekommen. Dazu möchte ich an dieser Stelle noch einmal gratulieren.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auf der Bühne der großen Außen- und Sicherheitspolitik muss Primat sein, dass der Frieden der Welt erhalten bleibt und die Menschen auch hierzulande unbesorgt und sicher leben können.

Auch wenn die Hessische Landesregierung hierfür verfassungsmäßig selbst nicht militärisch zuständig ist, unterstützen wir alle Anstrengungen der Bundesrepublik Deutschland. Wie sagte Helmut Kohl, der kürzlich verstorbene Kanzler der Bundesrepublik Deutschland schon am 4. Mai 1983 in seiner ersten Regierungserklärung? „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“. – Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Staatsminister Wintermeyer. – Wir sind am Ende der Debatte angelangt.

Mir ist signalisiert worden, dass wir über alle Anträge sofort abstimmen. Bei dem Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen habe ich das Signal gehört, den dritten Punkt getrennt abzustimmen.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Alle drei!)

Alle drei getrennt? Okay. – Dann beginnen wir mit dem Antrag der LINKEN. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich? – Das ist die SPD. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Als Zweites rufe ich den Entschließungsantrag der SPD auf. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, DIE LINKE und FDP. Wer ist dagegen? – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist unglaublich!)

Als Drittes nun der Dringliche Entschließungsantrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zunächst Punkt 1. Wer stimmt zu? – Das ist das gesamte Haus.

Punkt 2. Wer stimmt zu? – CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Wer ist dagegen? – Die Fraktion der LINKEN.

Punkt 3. Wer stimmt zu? – CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktion der LINKEN. Wer enthält sich?

(Günter Rudolph (SPD): Nichtbeteiligung!)

Bei Nichtbeteiligung der SPD ist auch der dritte Punkt und damit der Antrag in Gänze angenommen worden.

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich auf der Besuchertribüne die Botschafterin der Republik Philippinen, Ihre Exzellenz Frau Melita Santa Maria-Tomeczek, sowie Herrn Honorarkonsul Torsten Griess-Nega. Herzlich willkommen im Hessischen Landtag.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf: