Protokoll der Sitzung vom 31.08.2017

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsrecht – Drucks. 19/5160 zu Drucks. 19/5015 –

Berichterstatterin ist Frau Bächle-Scholz. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimme der LINKEN, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Na gut, dann machen wir das so!)

Danke, Frau Bächle-Scholz, für die Berichterstattung. – Ich eröffne die Aussprache. Die vereinbarte Redezeit beträgt siebeneinhalb Minuten. Als Erste hat sich Frau KlaffIsselmann von der CDU zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jeder von uns kann in die Lage kommen, wichtige Angelegenheiten seines Lebens nicht mehr selbst regeln zu können, sei es durch einen Unfall, eine Krankheit, eine Behinderung oder aufgrund nachlassender geistiger Kräfte im Alter. Mit einer Vorsorgevollmacht, einer Betreuungsverfügung oder einer Patientenverfügung kann man für solche Situationen vorsorgen.

(Unruhe)

Haben Sie jetzt fertig diskutiert? Danke schön. – Man kann sicherstellen, dass bei eigener Hilflosigkeit die Angelegenheiten ausschließlich nach dem Willen des Vorsorgevollmachtgebers geregelt werden.

In der ersten Lesung haben wir ausführlich darüber gesprochen, warum dieses Gesetz weiterhin notwendig ist. Es hilft den Menschen, es hilft jenen, die persönlich davon betroffen sind. Es hilft auch ihren Angehörigen. Es schafft Rechtssicherheit und beugt unnötigen Sorgen vor, derer man sich in Zeiten einer außergewöhnlichen Belastung gerne vorher entledigt hätte. Vorausschauendes Handeln in diesem Zusammenhang nimmt den seelischen Druck und hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch dann, wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt und man in die Situation kommt, dass man seine Angelegenheiten nicht mehr alleine regeln kann, greift das Gesetz. Denn in diesem Fall wird ein Betreuungsgericht eingeschaltet, welches einen Betreuer bestellt. Die Betreuerin oder der Betreuer hat sich im Rahmen des Möglichen an den Wünschen des betroffenen Menschen zu orientieren. Er oder sie soll die Betreuung so gestalten, dass sie sich an die jeweiligen Bedürfnisse und noch vorhandenen Fähigkeiten des Betroffenen anpasst.

Die Rechte und die Eigenständigkeit der betroffenen Person werden durch das betreuungsgerichtliche Verfahren besonders berücksichtigt. Ich danke an dieser Stelle allen ehrenamtlich und beruflich tätigen Betreuerinnen und Betreuern für ihre wertvolle Arbeit. Sie leisten einen wichtigen Dienst an unserer Gesellschaft.

Hessen hat erstmals 1992 ein Ausführungsgesetz zum Betreuungsrecht erlassen, dieses 2012 geändert, und nun steht dieses Gesetz nach Evaluation wieder zur Veränderung und Verlängerung an. Das Ausführungsgesetz regelt die Zuständigkeit der Betreuungsbehörden auf örtlicher Ebene und konkretisiert die überörtlichen Aufgaben nach dem Betreuungsbehördengesetz. Dieses Ausführungsgesetz hat sich in der Praxis ausgesprochen bewährt. Es besteht daher wenig Handlungsbedarf.

Redaktionelle Änderungen und zwei Änderungen in der Sache sind daher die Folge: zum einen, ob der Betreuungsverein seinen Sitz in Hessen haben muss, zum anderen, dass das Merkmal der Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts als weitere Voraussetzung für die Anerkennung als Betreuungsverein in Hessen aufgenommen wird. So soll sichergestellt werden, dass Betreuungsvereine keine ausschließlich wirtschaftlichen Ziele verfolgen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist eine Bedingung, die allerdings bereits heute alle in Hessen anerkannten Betreuungsvereine erfüllen.

Ich empfehle jeder Bürgerin und jedem Bürger, sich mit der Thematik zum Anfertigen von Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung und Betreuungsverfügung auseinanderzusetzen. Ich bitte weiterhin um Ihre Zustimmung zu diesem Ausführungsgesetz. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Frau Klaff-Isselmann. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Rock zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe an dieser Stelle schon in der ersten Lesung gesagt, dass Betreuungsvereine eine sehr wichtige Funktion übernehmen, gerade bei der Schulung und Gewinnung von Betreuern, aber einfach auch nur als Ratgeber in einer Situation, in der sich viele Bürgerinnen und Bürger in dem speziellen Moment überfordert fühlen.

Wir haben in Hessen ein Netzwerk von Betreuungsvereinen, deren Finanzierung manchmal ein bisschen schwierig ist. Der Minister hat uns im Ausschuss gesagt, dass die Landesregierung dies auch erkannt hat und dass sie dort nachsteuern wird. Sie wird versuchen, die hauptamtliche Infrastruktur zur Unterstützung der Ehrenamtlichen zu fördern, weil viele in den Betreuungsvereinen Tätige natürlich qualifizierte Berater sein müssen. Dass dies in diesen Haushaltsberatungen eine gewisse Rolle spielen wird, finde ich gut. Das hat mich am Ende auch motiviert, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, obwohl die Frage, warum Betreuungsvereine, die die Menschen in Hessen unterstützen können, aber ihren Sitz nicht in Hessen haben, jetzt ausgeschlossen werden müssen, mir nicht direkt einleuchtend gewesen ist. Denn es geht eigentlich darum, dass die Hessinnen und Hessen Unterstützung bekommen. Ob die jetzt von der anderen Rheinseite kommt, ist für mich zweitrangig.

Da mir aber klar geworden ist, dass die Landesregierung, der Minister und die Mitglieder des Plenums die Einschätzung der Wichtigkeit dieser Einrichtung und die Unterstützung der Betreuungsvereine verbinden, kann ich diese jetzt nicht übermächtigen Bedenken zurückstellen, damit wir diesen Gesetzentwurf einstimmig beschließen. Denn die Erfüllung dieser Aufgabe ist uns wichtig. Von daher werden wir diesen Gesetzentwurf mittragen. Dies geschieht mit dem kleinen Hinweis, dass uns diese Einschränkung nicht ganz einleuchtet.

Ich glaube, ansonsten hat die Anhörung nichts ergeben, was den Hinweis geben würde, dass diesem Gesetzentwurf nicht zugestimmt werden könnte. Ich persönlich halte die Arbeit der Betreuungsvereine für besonders wichtig und fördernswert. Darum gibt es am Ende auch Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Michael Bodden- berg (CDU))

Herr Rock, danke. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Merz zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben schon in der ersten Lesung angedeutet, dass gegen den Gesetzentwurf keine grundlegenden Einwände vorgebracht werden können. Es gab trotzdem ein paar Bedenken, die sich aus den Unterlagen der Regierungsanhörung ergeben hatten. Dem sind wir in der Ausschussberatung nachgegangen.

Das betraf unserer Ansicht nach eine Anregung des Städtetages. Darauf wurde etwas erwidert. Dazu muss ich sagen, ich finde das nicht wirklich gut nachvollziehbar. Dagegen wurden rechtliche Bedenken geltend gemacht. Das ist aber

nicht so bedeutend, dass man daraus eine Ablehnung ableiten könnte.

Den zweiten Punkt halten wir für etwas bedeutsamer. Er ist aber in dem Kontext nicht wirklich einzubringen. Dabei geht es um die Frage der Finanzierung der Betreuungsvereine über die kommunalisierten Landesmittel. Insbesondere hat uns interessiert, ob die Erhöhung, die in der Begründung des Gesetzentwurfs avisiert wurde, eine Finanzierungsquelle für neue Betreuungsvereine oder, so muss ich genauer sagen, für bisher noch nicht geförderte Betreuungsvereine über den Abschluss von Zielvereinbarungen sein könnte. Das wurde bejaht. Darauf werden wir achten. Darauf werden wir zurückkommen.

(René Rock (FDP): Ich auch!)

Die grundsätzliche Diskussion über die Frage der Finanzierung sozialer Dienstleistungen über kommunalisierte Landesmittel wird bei anderer Gelegenheit zu führen sein.

Ich habe mit meinem parlamentarischen Geschäftsführer gewettet, dass ich keine zweieinhalb Minuten brauchen werde. – Kurzum: Es hat sich weder aus dem genauen Studium des Gesetzentwurfs noch aus den Gesprächen, die wir parallel zur Ausschussberatung geführt haben, noch in der Ausschussberatung selbst ein Grund gefunden, warum wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen könnten. Deswegen tun wir das auch nicht. Genauer gesagt: Wir werden ihm zustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herr Merz, danke schön. – Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Frau Schott zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, am Wettbewerb der kürzesten Rede teilzunehmen.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist ein ganz schlechter Anfang!)

Das ist schon deshalb der Fall, weil wir doch einige Kritikpunkte an diesem Gesetzentwurf haben. Denn es soll nach wie vor keinen Rechtsanspruch der Betreuungsvereine auf Finanzierung geben. Hessen will zwar im Haushalt die Zuwendungen erhöhen, was erfreulich ist und was wir durchaus begrüßen. Das wird dann aber immer noch von den Haushaltsberatungen abhängig sein. Das ist der Sache nicht zuträglich.

Entweder will man die ehrenamtliche Betreuung und das Abschließen der Vorsorgevollmachten fördern, um höhere Kosten durch die Berufsbetreuung zu verhindern – dann muss man die Betreuungsvereine auch ordentlich fördern und finanzieren –, oder man lässt es. Dann zahlt man das Ganze eben aus dem Justizhaushalt. Da muss man sich entscheiden. Aber da muss man auch Farbe bekennen.

Ich möchte mich an der Stelle noch einmal ganz deutlich bei den Betreuungsvereinen für ihr großes Engagement und bei all denen bedanken, die Betreuungen durchführen. Ich will insbesondere auch den Ehrenamtlichen danken. Denn das ist eine äußerst verantwortungsvolle und oft

nicht einfache Tätigkeit. Das kann sich sicher jeder gut vorstellen.

Ich dachte eigentlich, es gebe noch mehr Menschen in diesem Haus, die das gerne tun würden.

(Holger Bellino (CDU): Dann reden Sie erst einmal mit den Mitgliedern Ihrer Fraktion!)

Ich habe zu den Mitgliedern des gesamten Hauses gesprochen. Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie den Betreuungsvereinen keinen Dank aussprechen wollen, dann nehme ich das zur Kenntnis. Ich spreche für meine Fraktion. Für diese bedanke ich mich bei den Menschen, die diese Arbeit machen.

(Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Die Arbeit, die diese Menschen leisten, kann einfach nicht genug wertgeschätzt werden.

Für eine Verbesserung der Querschnittsarbeit fordern die Wohlfahrtsverbände eine Bezuschussung der Betreuungsvereine über die Erstattung der Kosten für ganze oder halbe Stellen. Es gibt derzeit 53 Betreuungsvereine. Diese würden dann durchschnittlich 18.000 € erhalten. Damit kann man aber nicht die Besetzung halber qualifizierter Stellen fördern. Das reicht vielleicht für zwei Minijobs. Das passt aber nicht zu dem Aufgabengebiet, das sich hier darstellt. Da braucht es Fachkräfte.

Die Qualifizierung, Beratung und Begleitung der ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer ist eminent wichtig. Die Verrechtlichung und restriktive Handhabe der Sozialleistungsträger bei Menschen mit Erkrankungen und Behinderungen hat enorm zugenommen. Die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer müssen in der Lage sein, die Ansprüche der Betreuten gut zu vertreten. Es ist wichtig, ihnen gute Einstellungen und Hilfen an die Hand zu geben, sodass sie tatsächlich den Festlegungen des § 1901 Bürgerliches Gesetzbuch entsprechen. Da wird die Aufgabe der Betreuerinnen und Betreuer deutlich festgelegt:

Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. …

Ehe der Betreuer wichtige Angelegenheiten erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten, sofern dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft.

Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.