Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

Wenn daher jetzt ein solches Signal der Anerkennung und Wertschätzung kommt, dann kann man das im Landtag nur gemeinsam beschließen und unterstützen. Wir müssen mit Klischees und Vorurteilen, die in der Gesellschaft noch immer existieren, aufräumen, sie bekämpfen und damit auch die Geschichte und die Kultur stärker im gesellschaftlichen Denken verankern. In diesem Staatsvertrag sind wichtige Impulse dafür enthalten.

In der Bildungsplanung soll der Vermittlung der Geschichte der Sinti und Roma sowie des Völkermordes in der NSZeit ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden. Dabei wird empfohlen, sich auch mit dem Thema des Antiziganismus als Erscheinungsform des Rassismus im Unterricht

auseinanderzusetzen. Auch der Einsatz für bessere Bildungserfolge der Angehörigen dieser Minderheit ist von Bedeutung und wird im Vertrag als Ziel aufgeführt. Ziel des Gesetzes bzw. des Vertrages ist es, dass die Sinti und Roma Unterstützung des Landes bekommen, damit ihre Identität, Kultur und Sprache nicht beeinträchtigt werden.

Es ist außerdem ein guter Gedanke, die Grabstätten der Opfer des Nationalsozialismus zu erhalten. Auch die institutionelle Förderung, die beschlossen werden soll, ist absolut unterstützenswert.

(Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN)

Es wird ein Gremium geben, das sich um die Angelegenheiten der deutschen Sinti und Roma kümmern soll. Auch das ist eine gute Idee. Dabei gestatten Sie mir eine Anmerkung zu den Regelungen und erlauben mir an dieser Stelle eine Kritik: In dem zu schaffenden Gremium für die Angelegenheiten der Minderheit der deutschen Sinti und Roma hält die Regierung eine Beteiligung des Parlaments scheinbar nicht für notwendig.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Anscheinend!)

Es ist schade, dass hier dem Parlament kein größerer Stellenwert eingeräumt wird.

(Beifall der Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Wenn man sich schon an dem Vertrag aus Baden-Württemberg orientiert, hätte man das Parlament – wie dort – auch in Hessen an dem Gremium beteiligen können. Schade, dass unsere Landesregierung das Parlament an dieser Stelle wenig wertschätzt.

(Beifall der Abg. Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Mit der institutionellen Förderung in Höhe von 300.000 € und der damit einhergehenden Aufstockung der Förderung um 100.000 € pro Jahr sind wir einverstanden. Insgesamt ist der Vertrag eine gute Sache, die man mit Überzeugung nur unterstützen kann. Allerdings muss dieser Vertrag dann auch ausgefüllt werden. Es muss gemeinsam auf Augenhöhe mit dem Verband der Sinti und Roma daran gearbeitet werden, dass Diskriminierung und Vorurteile, die es leider immer noch gibt, hoffentlich sehr bald der Vergangenheit angehören. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Frau Abg. Feldmayer hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Staatsvertrag zwischen dem Land Hessen und dem Landesverband der Sinti und Roma wird der besonderen Situation der nationalen Minderheit der Sinti und Roma Rechnung getragen. Es gibt eine verlässliche Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und dem Landesverband sowie einen verlässlichen finanziellen Rahmen zur Unterstützung. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Hessen diesen Schritt getan hat. Ich schließe mich den Worten des Ministerpräsidenten an. Es wird Zeit, dass das jetzt endlich passiert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU)

Roma und Sinti haben eine über 600 Jahre alte Geschichte in Deutschland. Das heißt, sie gehören zu unserem Land, sie gehören zu Hessen, und sie gehören zu unserer Gesellschaft. Sie stehen daher unter einem besonderen staatlichen Schutz. Das wird mit der Unterzeichnung dieses Staatsvertrages deutlich. Ich glaube, es ist in diesen Zeiten wichtiger denn je, ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und Rassismus zu setzen.

Meine Damen und Herren, leider ist es immer noch so, dass Sinti und Roma als Minderheit häufig Diskriminierungen ausgesetzt sind und mit Vorurteilen zu kämpfen haben. Viele Menschen wissen nicht, dass Sinti und Roma eine anerkannte nationale Minderheit sind. Laut einer repräsentativen Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist der im Nationalsozialismus begangene Völkermord an den Sinti und Roma nur knapp jedem Fünften bekannt. Umso wichtiger ist es, dass der Staatsvertrag vorsieht, dass die Geschichte der Sinti und Roma sowie der Völkermord in unseren Schulen vermittelt werden. Auch hier ist es gut, dass es eine Verlässlichkeit gibt.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Mit dem Staatsvertrag wird auch die institutionelle Förderung um 100.000 € auf insgesamt 300.000 € pro Jahr erhöht. Das wurde schon ausgeführt. Für die Einrichtung einer Dauerausstellung über die Geschichte der Sinti und Roma werden jährlich bis zu 50.000 € zur Verfügung gestellt.

In der Vergangenheit gab es bereits mit dem Rahmenvertrag zwischen dem Land Hessen und dem Landesverband der Sinti und Roma eine enge Zusammenarbeit. Mit diesem Staatsvertrag wird sich das noch einmal verfestigen.

Es wurde auch schon gesagt, wir haben eine historische und eine politische Verantwortung gegenüber der Minderheit der Sinti und Roma. Das betont der Staatsvertrag. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden Sinti und Roma verfolgt und ermordet. Das sind grauenhafte Verbrechen. Die Erinnerung daran darf nie aufhören. Dafür muss jede Generation sorgen. Wir müssen all jenen entgegentreten, die einen Schlussstrich ziehen wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Es ist beschämend, dass es so lange gedauert hat, bis die Bundesregierung dieses Unrecht an den Sinti und Roma bedauert und sich entschuldigt hat. Erst 1982 hat der damalige Bundeskanzler Schmidt diesen Völkermord offiziell für die Bundesregierung anerkannt und sich entschuldigt. Hier ist aber auch heute noch viel Aufklärung zu leisten. Es ist auch noch viel aufzuarbeiten und zu erforschen, was den Porajmos – so heißt der Völkermord an Sinti und Roma auf Romani – angeht. Jahrzehntelang wurde der Völkermord an den Sinti und Roma geleugnet oder verschwiegen. Wie schlimm muss es nach dem Krieg für die überlebenden Menschen gewesen sein, dass man den Genozid geleugnet oder die Verbrechen der Nationalsozialisten relativiert hat.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der CDU, der SPD und der LIN- KEN)

Der Bundesgerichtshof bezeichnete Sinti und Roma in einem Urteil aus dem Jahr 1956 als „Landplage“ und lehnte eine Wiedergutmachung wegen Zwangsumsiedlung ab.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Viele, die Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, an ihnen sogenannte medizinische Experimente durchgeführt und sie ermordet haben, kamen davon oder waren später sogar wieder im öffentlichen Dienst tätig.

So auch Robert Ritter, der als Leiter der Rassenhygienischen Forschungsstelle einer der schlimmsten Schreibtischtäter des Porajmos war. Trotz seiner Täterschaft war er ab 1947 als Stadtarzt im Frankfurter Gesundheitsamt tätig. Ein Verfahren gegen ihn und weitere, die in der Rassenhygienischen Forschungsstelle gearbeitet haben, wurde eingestellt. Das muss man sich einmal vorstellen, dass dieser Mann weiter als Arzt gearbeitet hat.

Es ist gut, dass die Stadt Frankfurt nun die Geschichte des Gesundheitsamts aufarbeiten will. Das ist aber auch in vielen anderen Behörden bitter nötig, auch heute noch, z. B. auch in der Wissenschaft und bei Gerichten. Ich hoffe, dass hierzu durch diesen Staatsvertrag zwischen dem Land Hessen und dem Landesverband der Sinti und Roma ein Anstoß gegeben wird. Es ist wirklich Zeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass sich eine so große Gemeinsamkeit abzeichnet und wir alle gemeinsam diesen Staatsvertrag beschließen werden. Es ist gut, dass wir dies in dieser Legislaturperiode tun. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Utter das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rahmenvereinbarung zwischen der Hessischen Landesregierung und dem Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Hessen, vom 12. März 2014 hat sich bewährt. Dem Wunsch, dieser Regelung und Vereinbarung durch einen Staatsvertrag eine größere Beständigkeit und Wertigkeit zu verleihen, wollen wir gerne und ausdrücklich nachkommen.

Auch die Erhöhung der finanziellen Mittel zur Unterstützung der Arbeit des Landesverbands halten wir für ausgesprochen angebracht. In diesem Sinne soll der Staatsvertrag dazu beitragen, die Situation von Sinti und Roma in allen Bereichen des wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Lebens in Hessen weiter zu verbessern.

Der Schutz und die Unterstützung von anerkannten nationalen Minderheiten ist für die CDU generell ein wichtiges Thema. Wir zeigen mit dem Staatsvertrag einmal mehr, dass wir uns der mehr als 600-jährigen Geschichte der deutschen Sinti und Roma bewusst sind.

Aufgrund der systematischen Verfolgung und Ermordung der Sinti und Roma durch die nationalsozialistische Terror

herrschaft gibt es eine besondere Pflicht, für den Schutz dieser Minderheit einzutreten und jede Form von Diskriminierung zu bekämpfen.

(Allgemeiner Beifall)

Angesichts zunehmender rassistischer Ausfälle ist dieser Staatsvertrag ein positives Zeichen, das wir gemeinsam setzen können, dass Hessen sich zu seinen Verpflichtungen bekennt und auch weiterhin die notwendigen Konsequenzen aus dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte zieht.

Ich stimme den Äußerungen der Vorredner ausdrücklich zu und will die Debatte nicht durch Wiederholungen verlängern. Deshalb erlauben Sie mir einen Hinweis: Unsere Landeszentrale für politische Bildung hat in größerem Umfang eine neue Publikation von Frau Karola Fings, „Sinti und Roma – Geschichte einer Minderheit“, erworben. In diesem Buch wird die Geschichte der Sinti und Roma auf wissenschaftliche Weise kompakt aufgearbeitet. Dieses Buch ist über unsere Landeszentrale erhältlich. Ich kann es jedem Kollegen nur empfehlen. In kurzer, aber einprägsamer Form wird die Geschichte dieser Minderheit dargestellt.

Auch ich freue mich sehr darüber, dass es jetzt so aussieht, dass wir diesen Staatsvertrag einstimmig miteinander beschließen können. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

Wir haben die erste Lesung vollzogen und überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Hauptausschuss. – Dem widerspricht niemand, dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zu dem Studienakkreditierungsvertrag und zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes sowie weiterer hochschulbezogener Vorschriften – Drucks. 19/5253 –

Das Wort hat der Minister für Wissenschaft und Kunst, Herr Rhein. Bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben bereits in der ersten Hälfte der Legislaturperiode in diesem Haus eine umfassende Novellierung des Hessischen Hochschulgesetzes beraten und beschlossen. Mit dieser Novellierung haben wir das Hochschulrecht massiv weiterentwickelt. Das Stichwort Promotionsrecht für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ist eines der herausstechenden, natürlich aber auch die Stärkung der studentischen Mitwirkung.

Ich bin vor gar nicht so langer Zeit mit den Präsidenten der Universitäten und den Präsidenten der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in San Francisco auf der sogenannten GAIN Conference gewesen. Das ist eine Konferenz, bei der es auch darum geht, junge deutsche Wissenschaftler wieder für den Wissenschaftsstandort Deutsch