Protokoll der Sitzung vom 28.09.2017

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))

Herr Rock, Sie haben das nicht für möglich gehalten, dass wir Wort halten. Das mag Ihr gutes Recht sein.

(Zurufe von der SPD)

Es mag sein, dass Sie überrascht gewesen sind, dass es uns gelingt, tatsächlich die Entlastung im Haushalt darzustellen.

(René Rock (FDP): Lesen Sie Ihre Rede nach!)

Es mag sein, dass Sie die Eckpunkte nicht für möglich gehalten haben, dass es 310 Millionen € geben wird. Wenn Sie aber frühzeitig darüber unterrichtet werden, dass es 310 Millionen € sind, und Sie selbst fordern, dass wir den Experten zuhören, aber im selben Atemzug aufmucken, dass noch nicht jedes Detail festgelegt ist, dann müssen Sie sich entscheiden, was Sie nun wollen. Wollen Sie einen perfekten Entwurf, der nicht mehr zu verändern ist, oder wollen Sie von uns frühzeitig über die Eckpunkte für die Entlastung der Eltern unterrichtet werden, und dass wir noch offen für weitere Anregungen sind? – Nur eines von beiden geht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Jetzt komme ich zum entscheidenden Punkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, man kann unterschiedlicher Auffassung über die Fragen sein, ob das Geld ausreicht, ob man, wie Sie, noch einmal 1,3 Milliarden € in das System pumpen soll, oder ob es ein irrwitziges Versprechen ist, das Sie überhaupt nicht halten können. Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Worüber Sie aber keine Unwahrheiten verbreiten können, ist über die Frage, ob wir den Kommunen in die Tasche greifen. Diese 310 Millionen € sind ganz einfach aufzugliedern, auch für die Kolleginnen und Kollegen, die sich nicht jeden Tag in diesem Bereich bewegen. Von den 310 Millionen € werden 155 Millionen €, die Hälfte, direkt aus dem Staatsetat kommen.

(Norbert Schmitt (SPD): Und die andere Hälfte?)

Die anderen 155 Millionen € kommen aus dem Kommunalen Finanzausgleich. Jetzt kommt aber das, was Sie verschweigen: Der Aufwuchs des Kommunalen Finanzausgleichs beträgt vom Jahr 2017 auf das Jahr 2018 386 Millionen €. Das bedeutet, dass die meisten Kommunen nachher mehr Geld in der Tasche haben werden als vorher. Jetzt zu behaupten, man hätte ihnen auf Kosten der Kinderbetreuung in die Tasche gegriffen, ist die Unwahrheit, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Nancy Faeser (SPD): Es ist aber das Geld, das den Kommunen zusteht! – Weitere Zurufe von der SPD)

Ihre Behauptung wäre dann richtig, wenn wir den Satz so lesen, dass die Summe des Kommunalen Finanzausgleichs so bliebe. Die Summe steigt aber an, deswegen wird den Kommunen nichts entzogen. Sie bekommen mehr Geld

und werden am Ende des Tages mehr Geld zur Verfügung haben.

(Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Deshalb behaupten Sie die Unwahrheit. Ich weiß auch, warum. Sie wollen Chaos stiften und hinterher behaupten, wir hätten es angerichtet.

(René Rock (FDP): Das haben Sie selbst gemacht!)

Ich habe es gerade in Wiesbaden gemerkt: Sie laufen durch die Stadtparlamente und behaupten, wir würden den Kommunen in die Tasche greifen. Das Gegenteil ist richtig. Es wird am Ende des Tages mehr Geld zur Verfügung stehen. Und Sie gehen durchs Land und behaupten die Unwahrheit.

(Zurufe von der SPD)

Das ist in dieser Frage unanständig. Sie können eine andere Auffassung haben und andere Konzepte vertreten, aber keine Unwahrheiten behaupten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Präsident, erlauben Sie mir bitte noch, den Dank an Frau Wiesmann aussprechen? – Günter Ru- dolph (SPD): Jetzt ist aber gut!)

Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich danke dem Präsidenten, dass ich noch die Möglichkeit habe, der Kollegin Wiesmann zu danken. – Liebe Kollegin Wiesmann, ich merke meinen inneren Widerwillen, dir Auf Wiedersehen zu sagen. Wir kommen ja auch aus demselben Stadtteil, aus dem Nordend, du bist jetzt meine Bundestagsabgeordnete.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Hast du sie auch gewählt? – Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Meine auch!)

Ich möchte dir auf diesem Weg, auch im Namen meiner Fraktion, ganz herzlich danken. Wir haben auf sehr hohem Niveau diskutiert. Du warst immer eingearbeitet, du hast alle Studien gelesen, alle Akten gefressen. Mir hat es großen Spaß gemacht, mit dir zusammenzuarbeiten. Ich wünsche dir allen erdenklichen Erfolg im Bundestag. Machs gut, vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bocklet. – Als Nächste hat sich Frau Abg. Schott, Fraktion DIE LINKE, gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bocklet, die Aufforderung, man möge bei der Wahrheit bleiben, gilt dann aber für alle hier im Haus.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir bei der Wahrheit bleiben wollen und Sie dann sagen: „Sie glauben doch nicht, dass wir mit niemandem geredet hätten“, dann ist es doch sehr verwunderlich, dass alle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, mit denen wir gesprochen haben, sich laut geäußert und gesagt haben, dass sie ziemlich verwundert über das sind, was hier gerade geschieht.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landrätinnen und Landräte sind in den letzten Monaten an diese Landesregierung herangetreten und haben gesagt, dass sie hier eine Erleichterung für die Eltern brauchen, dass sie die Gebührenfreiheit wollen und dass das Land sehen muss, wie es das geregelt bekommt. Ja, das haben sie getan. Sie haben das aber so getan, dass man nicht annehmen konnte – und so haben sie das auch bestätigt –, dass es Gespräche mit Ihnen darüber gegeben hat, wie man das hinbekommt, wie man das eintütet und welcher Weg der richtige ist, um das zu finanzieren, und wie man das so macht, dass die Kommunen nicht noch mehr belastet werden. Nein, das haben Sie im stillen Kämmerlein gemacht, ohne zu reden. Das ist unanständig.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD – Holger Bel- lino (CDU): Woher wissen Sie denn, was wir im stillen Kämmerlein machen?)

Sie haben es nicht nur im stillen Kämmerlein gemacht, ohne zu reden, sondern Sie haben in diesem Haus gestanden und immer und immer wieder gesagt, dass Sie diese Entlastung der Eltern nicht wollen, dass Sie es für falsch und nicht notwendig halten, dass die Reichen damit bevorteilt werden und dass die armen Leute sowieso keinen Vorteil davon haben. Das war Ihre Argumentation. – Da müssen Sie nicht den Kopf schütteln. Sie können es im Protokoll nachlesen. Ich gehe davon aus, dass Sie das können.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

Wenn Sie aber die ganze Zeit über eigentlich vorbereitet haben, kurz vor der Wahl einen solchen Flohzirkus aus dem Sack zu lassen,

(Holger Bellino (CDU): Hey!)

dann kann ich nur sagen, das ist doch leicht durchschaubar, dass das ein Wahlkampfmanöver und nichts anderes war. Sonst hätten Sie uns im letzten halben Jahr sagen können: Wir sind ebenfalls der Meinung, dass man die Eltern entlasten muss, und wir sind an der Seite der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister; wir wissen, dass die kommunalen Haushalte durch die Kinderbetreuung enorm belastet sind, und wir werden Abhilfe schaffen, und lassen Sie uns gemeinsam sehen, wie wir das machen können. – Das alles haben Sie nicht getan. Sie haben genau das Gegenteil davon gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben sich hier immer wieder hingestellt und gesagt, alle Vorstöße zur Entlastung der Kommunen und der Eltern seien Unsinn, und es ginge um mehr Qualität.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben gesagt, Sie müssten erst einmal mehr Qualität schaffen, um dann über Entlastungen nachzudenken. Wir haben immer gesagt: Die Reihenfolge ist uns gar nicht das

Wichtigste. Die Eltern und die Kommunen müssen entlastet werden. Die Qualität in den Kitas muss steigen. Darüber, in welcher Reihenfolge man es macht, kann man doch reden. – Das wären doch alles Dinge gewesen, über die man hätte verhandeln können. Stattdessen sind Sie auf der Stelle getreten. Nichts in diese Richtung ist geschehen, was auch irgendwie nur den Ansatz gebracht hätte, dass eine Verbesserung entstehen könnte.

Was jetzt möglicherweise entsteht – etwas Genaues wissen wir ja immer noch nicht –, ist etwas, was die Kommunen unter Zugzwang setzt und was die Kommunen eindeutig wirtschaftlich belastet, weil es eben keine 1 : 1-Entlastungen gibt, was eine Verwirrung bei Eltern hervorrufen wird, weil manche Dinge refinanziert werden und manche nicht. Irgendwo muss man dann doch noch Beiträge bezahlen. Die Eltern glauben, es müssten jetzt keine mehr entrichtet werden. Das stimmt ja so im Ganzen gar nicht. Das stimmt nur für einen Teilbereich.

(Holger Bellino (CDU): Das wissen wir doch! Das haben wir immer so gesagt!)

Ja, das wissen Sie. Dann laufen Sie doch nicht herum und sagen, Sie würden für Gebührenbefreiung sorgen. – Das haben Sie nicht getan. Sie haben einen kleinen Teilausschnitt, mit dem Sie die Kommunen unter einen unglaublichen Druck stellen, damit sie das tun müssen, egal, ob sich die jeweilige Kommune das leisten kann oder nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann schauen wir uns das noch einmal an, was die Qualität angeht. Ich habe etwas von 25 Millionen € gehört. Das hört sich erst einmal nach viel Geld an. Brechen Sie das jetzt einmal runter auf die Kreise, auf die Städte und die Dörfer, und brechen Sie das dann runter auf die Kita. Brechen Sie es dann vielleicht noch runter auf das einzelne Kind. Dann wissen Sie, was von Ihrer Qualität übrig bleibt. Das ist an dieser Stelle nämlich wirklich nur ein Klacks. Es ist nicht das, was es brauchen würde, um eine gute Situation zu schaffen.

Frau Wiesmann, Sie haben vorhin gesagt, es gebe viel gute Qualität an den Kitas in Hessen. Ja, das stimmt zu einem großen Teil – Gott sei Dank. Aber das stimmt deshalb, weil wir unglaublich engagierte Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas haben.