Meine Damen und Herren, alle Ministerpräsidenten bis auf Hans Eichel haben diese Auszeichnung bekommen. Ich glaube, es gibt sehr viele gute Gründe dafür, dass auch Roland Koch diese Auszeichnung erhalten sollte. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an Roland Koch ist ein Skandal und stößt völlig zu Recht auf derart breite öffentliche Kritik.
In der Pressemitteilung der Staatskanzlei heißt es zur Begründung, die Auszeichnung gehe „an Menschen, die sich beispielhaft und nachhaltig für Demokratie, Freiheit und soziale Gerechtigkeit eingesetzt haben“.
Roland Koch sei eine der „herausragenden Persönlichkeiten, die sich im Geiste Wilhelm Leuschners große Verdienste um Freiheit und Demokratie erworben haben“. Er habe „sich für das demokratische Zusammenleben … engagiert“ und stehe für „persönlichen Mut, politische Cou
rage, Kampf für Demokratie und Freiheit“ – so Ministerpräsident Bouffier. Ich sage: Nein, nein und nochmals nein. Gerade dafür steht Roland Koch nicht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Widerspruch des Abg. Norbert Kartmann (CDU))
Roland Koch steht mitnichten für Courage, für Verdienste im Geiste Leuschners oder für soziale Gerechtigkeit. Dass ausgerechnet er diesen Preis bekommt, ist eine Verhöhnung des Erbes Wilhelm Leuschners.
Wilhelm Leuschner war Gewerkschafter. Er war antifaschistischer Widerstandskämpfer. Roland Koch hingegen steht für schwarze Kassen, ausländerfeindliche Wahlkämpfe und Sozialabbau.
Er ist die Gewerkschaften angegangen. Er hat einen massiven Personalabbau durchgesetzt. Mit der „Operation düstere Zukunft“ hat er den brutalstmöglichen Sozialabbau in der Landesgeschichte zu verantworten. Er hat die Arbeitszeit erhöht und ist aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgetreten.
Der DGB und die Einzelgewerkschaften haben in ihren offenen Briefen an den Ministerpräsidenten zu Recht deutlich gemacht, was sie von dieser Auszeichnung halten, und rufen anlässlich dieser Verleihung zu Protesten auf.
Zur Erinnerung: Koch hat dem ver.di-Vorsitzenden Bsirske in der Debatte um die Vermögensteuer vorgeworfen, dies sei „eine neue Form von Stern an der Brust“ und „eine schlimme Parallele zu anderen Zeiten“. Der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte diese Äußerung „eine unerträgliche Beleidigung“ aller Opfer des Naziregimes. Es dürfe nicht sein, dass Politiker durch fahrlässige Vergleiche „zur Banalisierung und Relativierung der unmenschlichen Vorgänge im Dritten Reich beitragen“.
Die GRÜNEN haben Roland Koch damals zum sofortigen Rücktritt aufgefordert, da er die Millionen Opfer des Holocaust verhöhne.
Ausgerechnet dieser Roland Koch soll jetzt die Auszeichnung bekommen, mit der Persönlichkeiten wie der Holocaust-Überlebende Marcel Reich-Ranicki und die Widerstandskämpferin Trude Simonsohn geehrt wurden. Meine Damen und Herren, das kann und darf nicht sein.
Koch machte Wahlkampf mit einer „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“-Kampagne. Die Jüdische Gemeinde warf ihm vor, dass sich sein Wahlkampf kaum von dem der NPD unterscheide. Koch deklarierte schwarze Kassen als „jüdische Vermächtnisse“. Jetzt soll er mit einer Medaille ausgezeichnet werden, die das Andenken eines
Widerstandskämpfers gegen die Nazis ehrt? Das kann nicht Ihr Ernst sein, dass Sie das wirklich beschlossen haben, Herr Ministerpräsident.
Hinzu kommen die Verscherbelung öffentlichen Eigentums, z. B. das Uniklinikum Gießen-Marburg, zwangspensionierte Steuerfahnder, die Sternsingerlüge, die Schließung von Frauenhäusern, der Ausbau des Frankfurter Flughafens, unzählige Affären und Skandale. Koch hat so viel Schaden angerichtet, dass man ihn in Regress nehmen sollte, aber ihm nicht auch noch eine Medaille dafür verleihen.
Für sein Wirken hat er vielleicht die Alfred-Dregger-Medaille verdient, aber doch nicht die höchste Auszeichnung des Landes.
Meine Damen und Herren, dass Herr Bouffier auf die Idee kommt, seinem Tankstellen-Connection-Kumpel diese höchste Auszeichnung des Landes zu verleihen, ist schon schlimm. Dass aber die Landtagsfraktion der GRÜNEN und der stellvertretende Ministerpräsident Al-Wazir dazu überhaupt keine klaren Worte finden, das finde ich erbärmlich.
Roland Koch hat 2008 im Wahlkampf ein Plakat mit der Aufschrift drucken lassen: „Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen!“ Tarek Al-Wazir hat ihm deshalb zu Beginn einer Fernsehdebatte öffentlich den Handschlag verweigert. Und jetzt? Kein kritisches Wort dazu? Liebe GRÜNE, wer sein Rückgrat so verbiegt, der bekommt irgendwann einen Haltungsschaden. Ich erwarte, dass Sie deutliche Worte dazu finden.
Deutliche Worte kamen von der langjährigen Frankfurter Integrationsdezernentin der GRÜNEN, Eskandari-Grünberg, die gesagt hat, Koch habe sein Amt als Regierungschef einst erlangt, „indem er schamlos in rassistischer und menschenverachtender Weise gegen Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft gehetzt“ habe.
Wenn man denkt, es geht nicht schlimmer, dann kommt noch Ihr Antrag hinzu. Es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass Sie hier beschließen wollen, dass dies die alleinige Entscheidung des Ministerpräsidenten sei und dass der Landtag das nicht zu kommentieren habe. Wo sind wir denn hier? Wir sind immer noch im Parlament und keine Monarchie.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Die Entscheidung ist zu Recht auf breite Kritik gestoßen, gerade auch bei Menschen mit Migrationshintergrund, die durch Roland Koch diffamiert und beleidigt wurden. Deswegen for
Natürlich wird meine Fraktion an der Feier nicht teilnehmen. Wir unterstützen die Proteste der Gewerkschaften am 1. Dezember ab 10 Uhr vor dem Kurhaus. Denn diesen Protest hat sich Roland Koch wirklich verdient – im Gegensatz zur Wilhelm-Leuschner-Medaille. – Vielen Dank.
Das ist mir bewusst, sehr verehrter Herr Präsident. – Vorab möchte ich mich erst einmal bei der SPD-Fraktion dafür bedanken, dass sie diesen Antrag gestellt und das Thema heute in die Aktuelle Stunde gebracht hat. Ich danke auch für das Engagement der LINKEN, die im Vorfeld ganz fleißig eine Presseerklärung herausgegeben und klar Haltung bezogen hat.
Roland Koch ist nicht die Person, die die Wilhelm-Leuschner-Medaille, die höchste Auszeichnung des Landes Hessen, verdient. Diesen Umstand hat er sich selbst zuzuschreiben, weil er dieses Land gespalten hat in einer Zeit, in der es hätte zusammengehalten werden müssen.
Roland Koch hat mit seiner Wahlkampagne „Ypsilanti, AlWazir und die Kommunisten stoppen!“ dieses Land sehr tief gespalten. Ich fand es auch richtig, dass der stellvertretende Ministerpräsident Al-Wazir ihm damals die Hand verweigert hat, um zu zeigen: mit mir nicht, mit uns nicht.
Schlimm fand ich auch, dass Koch 1999 in diesem Land mit seiner Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft quasi den Nährboden für die Kontroverse geschaffen hat,
wer hierher gehöre und wer nicht hierher gehöre, wen man ausgrenzen und ausweisen dürfe und wen man als dazugehörig zählen könne. Diese tiefe Wunde innerhalb der Migrantengesellschaft, speziell innerhalb der türkischen Community, ist in Deutschland und in Hessen immer noch vorhanden. Im Namen dieser Menschen können und dürfen Sie Herrn Koch diese Medaille nicht verleihen, meine Damen und Herren.
Herr Ministerpräsident, Sie sind in diesem Landesparlament von uns, die damals diese Regierungsmehrheit getragen haben und tragen wollten, gewählt worden. Aber Mehrheit ist in diesem Lande nicht automatisch Wahrheit. Es kann nicht sein, dass Sie diese Entscheidung eigenmächtig treffen und dass sich ein Parlament selbst das Wort verbietet. Es kann nicht sein, dass gefordert wird, das Parlament solle dies nicht kommentieren. Das verbitte ich mir. Wir im Landtag werden das kommentieren.