Protokoll der Sitzung vom 23.11.2017

Herr Ministerpräsident, Sie sind in diesem Landesparlament von uns, die damals diese Regierungsmehrheit getragen haben und tragen wollten, gewählt worden. Aber Mehrheit ist in diesem Lande nicht automatisch Wahrheit. Es kann nicht sein, dass Sie diese Entscheidung eigenmächtig treffen und dass sich ein Parlament selbst das Wort verbietet. Es kann nicht sein, dass gefordert wird, das Parlament solle dies nicht kommentieren. Das verbitte ich mir. Wir im Landtag werden das kommentieren.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir werden das als Landtag kommentieren. Wir werden die Stimmen der Menschen, die nicht hier sitzen, hörbar

machen. Sie haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Sie wollten Hessen sein und sind heute Hessen. Damals hat Roland Koch ihnen untersagt, Hessen zu sein. Sie wurden mit der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auf polemische und niedrigste Art und Weise instrumentalisiert. Diese Menschen wurden ausgegrenzt. Im Namen dieser Menschen reden wir heute hier. Im Namen dieser Menschen rede ich heute hier. Das maße ich mir an. Denn Sie meinen, sich den Willen der restlichen Hessen anmaßen zu dürfen.

Diese Menschen wollen definitiv nicht, dass Roland Koch ausgewählt wird. Ich bitte die Mitglieder der GRÜNENFraktion um Haltung, diesen Dringlichen Entschließungsantrag nicht zu beschließen. Vielmehr sollten sie am 1. Dezember 2017 vor dem Kurhaus mit demonstrieren. Sie sollten Fahne zeigen, so wie sie damals in diesem Landtag gegenüber Roland Kochs Diskriminierung Fahne gezeigt haben. Das ist es, was den GRÜNEN gut stünde. Heute sind sie Teil der Regierungsmehrheit. Morgen sind sie es vielleicht nicht mehr. Man muss auch an die Zukunft denken und nicht nur an das Jetzt. Zeigt deshalb Haltung.

Ziehen Sie diese Medaillenehrung zurück. Damals hat Roland Koch kein Problem damit gehabt, zu untersagen, dass ein angesehener Mensch wie Navid Kermani den Kulturpreis erhält. Wir haben das alle gemeinsam kommentiert und dagegen protestiert. Wir haben dafür gesorgt, dass Navid Kermani diesen Preis doch bekam. Roland Koch verdient diesen Preis heute definitiv nicht. Wilhelm Leuschner war jemand anderes. Er war ein Widerstandskämpfer. Roland Koch ist ein Spalter. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Frau Kollegin Öztürk, vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Abg. Wagner, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Soll der Landtag nicht auf eine Kommentierung verzichten?)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Manfred Köhler schrieb in seinem Kommentar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom vergangenen Montag zur Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an Roland Koch – ich zitiere –:

In einer Zeit, in der alle Gewissheiten über die Zukunft der politischen Landschaft schwinden und auch die Konturen der Parteien zunehmend verwischen, ist es für alle schön, wenn sich noch hin und wieder die alte Schlachtordnung aufstellen lässt.

Ich sehe, wie recht er doch hat, wenn ich mir die Debatten der vergangenen Tage anschaue.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Günter Rudolph (SPD): Ach du lieber Gott!)

Es ist einladend und geradezu verlockend, sich einmal mehr in diesem Landtag über die Politik Roland Kochs zu streiten. Wir GRÜNE haben da nach vielen Jahren der Auseinandersetzung mit Roland Koch einiges zu bieten.

Um es klar zu sagen: Die Debatten von einst waren richtig, und sie waren nötig. Wir bleiben bei unserer Kritik an der Politik Roland Kochs. Wir haben nichts vergessen, weder die Kampagne zur doppelten Staatsbürgerschaft noch andere Wahlkämpfe.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wird es niemanden verwundern, dass Roland Koch uns GRÜNEN als Preisträger nicht eingefallen wäre. Ebenso richtig ist aber auch, dass seit Ministerpräsident Georg August Zinn die Auszeichnung mit der WilhelmLeuschner-Medaille in der alleinigen Kompetenz des Hessischen Ministerpräsidenten liegt. Das akzeptieren wir.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Damit komme ich wieder auf den Kommentar von Manfred Köhler zurück. Ja, es ist für alle schön, wenn sich hin und wieder die alte Schlachtordnung aufstellen lässt. Die Sehnsucht nach dem alten Landtag, mit seinen polarisierenden und manchmal krawalligen Debatten ist heute mit Händen zu greifen. Das ist aber eine Sehnsucht nach vergangener Zeit.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Roland Koch ist seit sieben Jahren nicht mehr im Amt. Der Landtag von heute ist nicht mehr der Landtag von damals.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vor sieben Jahren galt in Hessen eine Koalition aus CDU und GRÜNEN als unvorstellbar.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, allerdings!)

Seit 2014 haben wir die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland, und das überaus erfolgreich. Diese Koalition arbeitet auch deshalb erfolgreich für Hessen, weil wir die Vergangenheit nicht vergessen haben und dennoch die Gegenwart und die Zukunft gestalten wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Günter Rudolph (SPD): So einfach ist das!)

Sie ist erfolgreich, weil wir alte Gräben nicht zuschütten, aber neue Brücken bauen. Sie ist erfolgreich, weil wir nicht die alte Schlachtordnung immer wieder aufstellen, sondern unseren Blick nach vorne gerichtet haben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben in den vergangenen Tagen die Wiederkehr des alten Landtags erlebt. Ich glaube, wir alle sollten uns ihn nicht zurückwünschen. Wir haben 2014 mit einer lagerübergreifenden Koalition mit Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir an der Spitze etwas Neues begonnen. Wie richtig es war, etwas Neues zu beginnen, hat diese Debatte gezeigt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Kollege Wagner, vielen Dank. – Das Wort erhält Herr Staatsminister Wintermeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die WilhelmLeuschner-Medaille wurde 1964 anlässlich des 20. Todestages von Wilhelm Leuschner von Ministerpräsident Georg August Zinn gestiftet. Der Erlass vom 29. September 1964 regelt, dass die höchste hessische Landesauszeichnung allein vom Hessischen Ministerpräsidenten verliehen wird.

Im Laufe der Jahre ist es zu einem guten Brauch geworden, dass der Ministerpräsident, nachdem er seine Entscheidung getroffen hat, die Fraktionsvorsitzenden der im Landtag vertretenen demokratischen Parteien über seinen Entschluss informiert. Das geschah in diesem Jahr am 17. Oktober. Er wird Sie und auch die Bevölkerung über seine Entscheidung anlässlich der Preisverleihung am 1. Dezember 2017 durch eine Laudatio entsprechend informieren.

Es gibt mehr als 220 Preisträger aus allen politischen und gesellschaftlichen Bereichen, die für ihre jeweiligen Überzeugungen eingetreten sind. Alle Ministerpräsidenten, gleich welcher Partei, haben sich – das ist unbestritten – mit ganzer Kraft für das Wohl unseres Landes Hessen, für unsere Demokratie und für stabile Freiheit eingesetzt.

Neben Ministerpräsident Roland Koch waren Christian Stock 1966, Georg August Zinn 1971, Albert Osswald 1989, Holger Börner 1993 und Walter Wallmann 1996 Preisträger. Nach Georg August Zinn hat Roland Koch während elfeinhalb Amtsjahren als Ministerpräsident als am zweitlängsten amtierender Ministerpräsident, übrigens dem Willen der Wählerinnen und Wähler folgend, die Geschicke unseres Landes gelenkt. Er war sicherlich ein streitbarer Demokrat, aber auch ein Ministerpräsident, der an dem Tag seines selbst gewählten Ausscheidens Hessen als erfolgreiches, zukunftsfähiges Bundesland übergeben hat.

Es geht bei der Auszeichnung nicht um einzelne Maßnahmen der Politik. Es geht auch nicht um die Person. Es geht um die Leistungen eines Menschen, des Preisträgers, für unser Land. Das möchte ich auch hinzufügen: Heute geht es um Respekt und Achtung vor der Auszeichnung und ihrer Verleihung.

(Zurufe von der SPD: Genau! – So ist es!)

Herr Kollege Rudolph, ob Sie mit dieser Aktuellen Stunde der SPD-Fraktion und Ihrem Redebeitrag der Ehre und Würde Wilhelm Leuschners

(Günter Rudolph (SPD): Allemal!)

und der Intention des Stifters, Ihres ehemaligen Landesvorsitzenden Georg August Zinn, gerecht geworden sind, mögen andere beurteilen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten – Zuruf von der SPD: Das tun auch andere beurteilen!)

Mich jedenfalls erfüllen Teile dieser Aktuellen Stunde und das offensichtlich politisch motivierte Nachtreten mit Sorge um unsere demokratische Kultur.

(Beifall bei der CDU – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Herr Minister, vielen Dank. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen.

Herr Kollege Günter Rudolph hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident, wir beantragen zu unserem Antrag namentliche Abstimmung.

Jawohl, namentliche Abstimmung – schaut bitte einmal nach der Liste.

Meine Damen und Herren, ich rufe die namentliche Abstimmung zum Dringlichen Antrag der SPD zur Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille, Drucks. 19/ 5448, auf. Wir werden mit dem Namensaufruf beginnen. Bitte sehr.

(Namensaufruf – Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Meine Damen und Herren, haben alle abgestimmt? – Das ist der Fall. Dann bitte ich auszuzählen.

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis bekannt.