Protokoll der Sitzung vom 23.11.2017

(Allgemeiner Beifall)

Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister AlWazir. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Um es gleich am Anfang sehr klar zu sagen: Die Entscheidung des Siemens-Vorstands, die Division „Power and Gas“ in Erlangen zu bündeln und damit faktisch das Ende des Standorts Offenbach mit rund 800 Mitarbeitern zu beschließen, ist für die Hessische Landesregierung nicht nachvollziehbar.

Ich habe bereits letzte Woche darauf hingewiesen, dass Siemens in Offenbach ein bedeutender Teil des Industriestandorts Rhein-Main ist – selbstverständlich wegen der Arbeitsplätze, aber auch wegen der Kompetenz im Energiesektor.

Deswegen würde eine Schließung des Standorts die Region natürlich empfindlich treffen, ganz abgesehen von den Folgen für die unmittelbar betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und deren Familien. Deswegen werden wir in den Gesprächen mit Siemens, die jetzt kommen werden, natürlich darauf drängen, diese Entscheidung zu verändern.

Natürlich ist völlig klar, dass unternehmerische Entscheidungen auch Standortfragen betreffen können. Aber ich will das ausdrücklich sagen: Ein Unternehmen sollte nicht allein an kurzfristig erzielbare Einsparpotenziale denken, sondern z. B. auch an seine Verantwortung vor Ort, an mittel- und langfristige Entwicklungen und an die Vorteile einer erstklassigen Infrastruktur, wie sie im Rhein-Main-Gebiet vorhanden ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es kommt etwas hinzu. Das wurde schon angesprochen. Siemens geht es als Konzern nicht schlecht. Siemens geht es als Konzern sogar ziemlich gut.

Natürlich ist klar, dass es in der Kraftwerkssparte insgesamt Veränderungsbedarf gibt. Denn das ist ein globaler Markt. Es gibt auf diesem Markt Überkapazitäten. Natürlich ist klar, dass Veränderungsbedarf da ist und dass man sich auf das Neue einstellen muss. Siemens hat das in seiner langen Unternehmensgeschichte immer auch gemacht.

Ich darf einmal daran erinnern, dass der Siemens-Standort in Offenbach ein Ergebnis davon ist, dass man einmal etwas auseinandergeführt hat, was man vor vielen Jahrzehnten zusammengeführt hatte. Siemens und AEG bildeten irgendwann einmal die Kraftwerk Union. Am Ende hat man das wieder auseinandergenommen. Dann gab es die Areva, die für die Atomkraftwerke zuständig war. Siemens wurde für die Gasanlagen zuständig.

Areva hat den Standort Offenbach geschlossen. Allerdings taten sie das, weil sich Areva als Konzern in einer dramatischen Krise befindet. Ich kann deshalb sagen: Es gibt schon einen Unterschied zwischen einem Konzern, bei dem man nicht weiß, ob er in einem oder zwei Jahren überhaupt noch existiert, und einem Konzern, der gerade weltweit blendende Geschäfte macht. Deshalb kann man wirklich an die Verantwortung des Unternehmens appellieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der LINKEN)

Zweitens will ich sagen, dass wir natürlich bei der Frage, wie wir mit den Vertretern dieses Unternehmens sprechen, ganz klar die Standortinteressen vertreten werden. Wir werden das auch in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat tun. Der Betriebsratsvorsitzende befindet sich gerade in Berlin. Aber ich werde ihn dort morgen früh treffen. Es ist ganz gut, wenn sich zwei Offenbacher in Berlin zum Frühstück treffen.

Ich will das sehr deutlich sagen: Ich verstehe aus Sicht der Gewerkschaft, dass man sich nicht auseinanderdividieren lassen möchte. Frau Kollegin Wissler hat das auch gesagt. Ich will dann aber aus hessischer Sicht schon einmal die Frage stellen: Wenn man sagt, man möchte Standorte zusammenlegen, erhebt sich die Frage, warum dann alles in Erlangen zusammengelegt werden soll. Denn man sollte sich überlegen, welche Ersatzangebote man für gut qualifizierte Fachkräfte hat. Dann ist es natürlich bei dem Hauptstandort eines Unternehmens sehr viel einfacher, Leuten etwas anderes anzubieten, als es an einem Standort der Fall ist, bei dem es dann gar nichts anderes mehr geben würde.

Das ist ein Teil der Situation. Siemens in Offenbach ist so etwas wie ein Ingenieurstandort. Es ist weniger ein Produktionsstandort. Deshalb ist das auch hinsichtlich der Frage, ob man beispielsweise an anderen Siemens-Standorten wie in Fechenheim Ersatzarbeitsplätze hat, nur sehr eingeschränkt darstellbar.

Deswegen will ich schon einmal sagen: Meiner Ansicht nach wäre eine Zusammenlegung an einem Ort, der sehr zentral in Deutschland liegt, gut. Dabei muss man wissen, wo die unterwegs sind. Das ist bei Offenbach immer die Ambivalenz. Einerseits gibt es den Fluglärm. Andererseits gibt es Verbindungen in alle Welt. Da muss man mir ein

mal erklären, warum Erlangen eigentlich besser geeignet sein soll. Diese Frage werde ich durchaus stellen. Aber natürlich werden wir das in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft machen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Insgesamt will ich sagen: Herr Kollege Lenders, ich verstehe Ihren Versuch, zu sagen, die Landesregierung sei schuld. Sie sehen, Siemens wird knapp 7.000 Stellen abbauen. Wenn ich das einmal so sagen darf: Beispielsweise ist für Görlitz und den dortigen Produktionsstandort die Entscheidung viel dramatischer. Das sieht man, wenn man sich die gesamte Umgebung anschaut.

Ich glaube, dass für eine solche unternehmerische Entscheidung, die etwas mit dem globalen Markt zu tun hat, nicht allein die Hessische Landesregierung verantwortlich sein kann. Die Rahmenbedingungen hier sind gut. Herr Kollege Kasseckert hat das alles gesagt.

Eines ist mir noch wichtig. Denn ich bin auch für Energie zuständig. Natürlich wird die Energiewende die Energieerzeugungslandschaft verändern. Das ist doch ganz klar. Natürlich ist es auch so, dass sich die Produktion der Kraftwerke verändern wird. Auch das ist unbestritten. Es ist auch völlig unbestritten, dass Gaskraftwerke in der Übergangszeit bis zur Vollversorgung mit erneuerbaren Energien in allen Szenarien eine bedeutende Rolle spielen.

Herr Lenders, ich darf das einmal so sagen: Vielleicht würde ein geplanter Ausstieg aus der Nutzung der Kohle dazu beitragen, dass wieder mehr Unternehmen in Gaskraftwerke investieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn wir befinden uns in einer bestimmten Situation. Wir haben noch einige laufende Atomkraftwerke. Wir haben die Braunkohlekraftwerke, die einfach sehr schlecht regelbar sind. Darin besteht der Unterschied zu den Gaskraftwerken. Deswegen wird der Strom an der Börse momentan eher verschenkt, als dass man etwas, was man nicht abregeln kann, abregelt. Das ist ein Teil der Investitionsunsicherheit. Das ist ein Teil der Erklärung, warum wir in Europa so wenige neue Gaskraftwerke haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deswegen sage ich Ihnen: Wenn man merkt, wie erfolgreich die Energiewende ist, wird eine Anpassung der konventionellen Strukturen vielleicht dafür gut sein, Investitionen für den Übergangszeitraum wieder zu ermöglichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Judith Lannert (CDU))

Ich glaube, dass wir gute Argumente haben. Natürlich gibt es für die Beschäftigten eine Phase der Unsicherheit. Das ist etwas, was durch diese Entscheidung des Unternehmens hervorgerufen wurde. Ich jedenfalls habe den Standort noch nicht aufgegeben. Ich setze darauf, dass sich am Ende die Qualität, die besseren Argumente und auch mittelfristige Überlegungen durchsetzen und gegenüber dem einfachen Schließen des Standorts gewinnen werden. Ich hoffe im Interesse der Beschäftigten, dass wir alle miteinander mit dem, was wir uns, so denke ich, alle wünschen, am Ende auch Erfolg haben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Heike Habermann (SPD))

Herr Minister, vielen Dank. – Da mir keine Wortmeldungen mehr vorliegen, ist damit auch diese Aktuelle Stunde abgehalten.

(René Rock (FDP): Gibt es noch Redezeit?)

Es sind noch 24 Sekunden. Vielleicht wird das gewünscht. – Nein.

Noch eingegangen und an Sie verteilt worden ist zu Tagesordnungspunkt 15, das ist der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Landtagswahlgesetzes, Drucks. 19/5439 zu Drucks. 19/5273, der Änderungsantrag Drucks. 19/5450.

Ist das so? – Ich will es wiederholen. Drucks. 19/5439 ist die Beschlussempfehlung zu Drucks. 19/5273. Dazu liegt jetzt der Änderungsantrag Drucks. 19/5450 vor. Er wird natürlich mit dem Gesetzentwurf unter Tagesordnungspunkt 15 aufgerufen werden.

Nach Absprache der parlamentarischen Geschäftsführer steht zwischen uns und der Mittagspause nur noch Tagesordnungspunkt 70:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Opel-Beschäftigte in Hessen haben Grund zu großer Zuversicht – Sanierungsprogramm „Pace“ ist eine gute Grundlage für die Zukunft) – Drucks. 19/5433 –

Dazu hat sich Frau Kollegin Bächle-Scholz für die CDUFraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Opel ist ein traditionsreiches hessisches Unternehmen. Für die Region, aus der ich komme, ist es noch viel mehr. Über ihre Arbeit bei Opel definieren sich bei uns die Menschen, die Familien und vielleicht sogar Städte, und das schon über Generationen. Dabei geht es nicht nur um die 14.000 direkt bei Opel Beschäftigten, sondern auch um viele weitere Menschen, unter anderem bei den Zulieferern.

Ich selbst bin da keine Ausnahme. Meine Mutter war bei Opel technische Zeichnerin. Die Tochter meines Mannes macht bei Opel gerade eine duale Ausbildung.

Jeder kann sich daher vorstellen, welche Unruhe nun über viele Jahre den Menschen in unserer Region zugemutet wurde und bei ihnen geherrscht hat. Die Frage ist: Wie geht es mit Opel weiter? Wie sicher ist mein Arbeitsplatz?

Manch einer wird sich noch daran erinnern, wie sehr sich die Landesregierung 2009 und im Frühjahr 2017 für Opel eingesetzt hat. – Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU)

Bei uns haben die meisten Menschen – dies konnte ich in vielen Gesprächen mit den Beschäftigten erfahren – den Verkauf von Opel durch GM an PSA als eine Chance für die Zukunft gesehen. Trotzdem bleibt die Frage: Wie geht es weiter? Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Pace ist das neue Zauberwort. Durch Pace, das sogenannte Programm zur Zukunftsgestaltung von Opel, wird ein Weg eingeschlagen, der eine neue Geschichte in dem traditionsrei

chen hessischen Unternehmen einleiten kann. Mit dem klaren Bekenntnis von Opel und PSA zu dem Standort Hessen, den Beschäftigten und deren Sachverstand und Kompetenz entsteht diese neue Sicherheit. Beides, die Beschäftigten und ihr Wissen, ist von zentraler Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des Gesamtkonzerns in einem sich stark verändernden Wettbewerbsumfeld. Gleichzeitig ist die Erklärung, dass das Forschungs- und Entwicklungszentrum zu einem globalen Kompetenzzentrum für den neuen Eigentümer werden soll, ein starkes Bekenntnis zum Standort Rüsselsheim, ein starkes Bekenntnis zu der Region und ein starkes Bekenntnis zu Hessen.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Offenkundig hat die PSA-Group den Willen, Opel zu neuen Erfolgen zu führen. Dies begrüße ich ausdrücklich, auch wenn damit noch nicht alle Probleme vom Tisch sind. Jetzt sind Betriebsrat und Gewerkschaften am Zuge, sich in die Weiterentwicklung einzubringen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass Arbeitsplatzsicherheit auch im Interesse des Arbeitsgebers liegt. Es ist daher eine gute Botschaft für die Angehörigen und Familien der Beschäftigten der Opel-Standorte, dass beabsichtigt ist, auch über 2018 hinaus betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen und alle deutschen Werke zu erhalten.

Ich begrüße ausdrücklich die Bemühungen um eine langfristige Sicherung der Arbeitsplätze. Für meine Region geht es dabei nicht nur um die Arbeitsplätze der derzeit bei Opel Beschäftigten, sondern auch um die Ausbildung und die Arbeitsplätze der nächsten Generation. Mit Pace kann nun Ruhe einkehren, um die vor Opel liegenden enormen Aufgaben zu bewältigen. So ist eine Exportoffensive geplant, mit der bis 2022 rund 20 neue Märkte erschlossen werden sollen. Bereits 2020 soll Opel Vauxhall mit vier elektrifizierten Modellreihen auf dem Markt vertreten sein. Alle europäischen Pkw-Baureihen sollen bis 2024 entweder mit einem Batterieantrieb ausgestattet oder als sogenannter Plug-in-Hybrid verfügbar sein. Ebenso soll die Entwicklung von Brennstoffzellen, Assistenzsystemen und Technologien zum automatisierten Fahren vorangetrieben werden. – Das nenne ich Nachhaltigkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Werte Kollegen, dadurch können sich große Wachstumschancen ergeben, die natürlich auch von der Entwicklung von PSA abhängig sind. Opel muss daher vom bislang dominanten europäischen Markt unabhängig werden – ich nenne nur China –, was mit GM nicht machbar war. Opel ist ein innovationsstarkes Unternehmen, das alle Voraussetzung für eine solch erfolgreiche Entwicklung hat.

Jetzt liegt noch eine Menge Arbeit vor der Führungsspitze und den Arbeitnehmern bei der Umsetzung des neuen Programms.

Frau Kollegin, Sie müssen bitte langsam zum Ende kommen.

Ich bin sicher, dass gerade die Mitarbeiter in der Fertigung und Forschung in Rüsselsheim angesichts ihrer herausra