Es ist schön, dass die Landesregierung die Notwendigkeit nationaler und internationaler Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung anerkennt. Anstatt sich hinter diesen nationalen und internationalen Maßnahmen zu verstecken, wäre es schön, wenn Sie Ihre eigenen Hausaufgaben machen und dafür sorgen würden, dass die Unternehmen, an denen das Land Hessen beteiligt ist, aufhören, Steuervermei
Wenn man sich das Marketing für Ihre Offensive in der Steuerpolitik so anschaut – Marketing kann die Hessische Landesregierung gut –, dann hat man den Eindruck, dass zumindest bei einem Teil der die Landesregierung tragenden Parteien vielleicht auch ein bisschen schlechtes Gewissen dahintersteht. Denn da gab es etwas in der Vergangenheit. Daran erinnern sich vielleicht nicht mehr alle. Aber es gab einmal ein dunkles Kapitel mit völlig zu Unrecht zwangspsychiatrisierten Steuerfahndern. Ich kann verstehen, dass Sie dieses Image loswerden wollen. Das ist für das Land Hessen kein schönes. Blöd dabei ist nur, dass Sie ausgerechnet demjenigen, der das mitzuverantworten hat, die Wilhelm-Leuschner-Medaille verleihen wollen. Aber auch darüber haben wir schon gesprochen.
(Beifall der Abg. Janine Wissler und Marjana Schott (DIE LINKE), bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Sie rühmen sich, jetzt endlich Betriebsprüfer und Anwärter für Steuerprüfer einzustellen. Dafür sollen wir noch einmal extra klatschen. Es ist eine Notwendigkeit, dass wir genügend Betriebsprüfer und genügend Anwärter für Steuerprüfer haben. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein und kein Grund, sich selbst zu beweihräuchern. Wir haben in den letzten Jahren verzweifelt gefordert, dass Sie da mehr tätig werden müssen.
Ich fasse jetzt zusammen. Allein, mir fehlt der Glaube, dass sich die Landesregierung auch nur für einen kleinen Fortschritt im Steuerrecht ernsthaft einsetzen wird. Das gilt, obwohl Sie immer wieder erklären, dass Sie bei den sogenannten Share Deals – Frau Erfurth hat das angesprochen – etwas gegen die Tricksereien bei der Grunderwerbsteuer tun wollen. Solange Sie nicht einmal bei Unternehmen, die mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, zur Einsicht bereit sind, dass nicht alles, was legal ist, auch legitim und moralisch richtig ist, bleiben Sie schlichtweg unglaubwürdig.
Ich komme zu meinen letzten Sätzen. – Steuerhinterziehung und Steuervermeidung schaden allen, die auf eine gut ausgebaute öffentliche Infrastruktur angewiesen sind. Appelle und Sonntagsreden reichen nicht aus. Wer Steuergerechtigkeit durchsetzen will, der muss sich mit den Reichen und Mächtigen in diesem Land anlegen. Dazu ist die Landesregierung bis auf Weiteres wohl nicht bereit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jährlich gehen rechtschaffenen Steuerzahlern in Europa durch Steuervermeidung bei der Körperschaftsteuer nach Schätzungen der Europäischen Kommission 50 bis 70 Milliarden € verloren. Man muss sich einmal überlegen, was man damit alles finanzieren könnte, z. B. Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa oder sinnvolle Investitionsprogramme in Südeuropa, möglicherweise auch in Griechenland.
Deswegen darf es nicht sein, dass sich Steuerverbrecher gegenüber einer Gemeinschaft, die sie reich gemacht hat, indem sie ihre Produkte gekauft hat, entsolidarisieren. Die geleakten Dokumente zeigen den Sittenverfall von wirtschaftlichen Eliten,
und sie machen unanständige Steuervermeidung und zum Teil auch strafbare Handlungen deutlich. – Deswegen ein Lob an die Journalisten und auch an diejenigen, die diese Dokumente zur Verfügung gestellt haben. – Damit kommen wir wieder zu der strafrechtlichen Frage. Ich glaube, wir bräuchten in Deutschland auch eine Regelung, mit der wir solche Personen vor strafrechtlicher Verfolgung schützen, Stichwort: Whistleblower-Privileg.
Meine Damen und Herren, das Grundgesetz, die Hessische Verfassung und auch die bayerische Verfassung haben wunderschöne Formulierungen dazu, dass sich die Reichen, die Vermögenden in unserer Gesellschaft an der Veranstaltung „Steuerzahlung“ zu beteiligen haben und dass es nicht am Ende dazu kommt, dass nur diejenigen, die über kleine und mittlere Einkommen verfügen, die Veranstaltung „Staat“ in Deutschland und Europa bezahlen. – Das kann nicht sein. Es gibt eine moralische Verpflichtung, und es gibt auch eine Verpflichtung aufgrund von Verfassungen, dass wir diese Personen endlich erfassen und den gerechten Anteil für den Staat dann auch von ihnen holen.
(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos) – Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vorsitz.)
Wir müssen erreichen, dass die Vermögenden etwas von dem zurückgeben, was die Gesellschaft und der Staat für sie geleistet und erbracht haben. Das ist eine gesellschaftliche Pflicht. Meine Damen und Herren, wer sich dieser Pflicht entzieht, der begeht „eine Sauerei“.
Herr Präsident, bevor es gerügt wird: Ich habe gerade Graf Lambsdorff von der FDP zitiert. Der hat gesagt, das sei eine Sauerei. Er hat recht, meine Damen und Herren. Mittlerweile sieht man es auch bis in die letzten Kreise der FDP hinein so, dass es so nicht weitergehen darf.
Wir müssen alles daransetzen, dass wir das nicht hinnehmen. Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen endlich dazu kommen, dass Firmen, die ungeheuer gut verdienen, auch zum Steuerzahlen herangezogen werden und sich keinen schlanken Fuß machen können.
Wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wollen dem Geschäftsmodell Steueroase die Grundlage entziehen. Hier sind die Bundesregierung und die EU-Mitgliedstaaten gefordert. Länder mit Steuersätzen in Höhe von 0 % oder mit geringen Steuersätzen sind Steueroasen. Solche Länder gehören auf eine schwarze Liste.
Meine Damen und Herren, Steueroasen sind gleichzeitig Gerechtigkeitswüsten. Gerechtigkeitswüsten können wir in der Europäischen Gemeinschaft nicht hinnehmen.
Wir müssen Länder, die sich das zum Geschäftsmodell gemacht haben – die Niederlande, Luxemburg, Großbritannien –, auf die schwarze Liste setzen. Dann müssen auch wirtschaftliche Sanktionen folgen. Alles andere hat keinen Sinn; das ist das einzige Instrument, das wir haben. Leider setzen manche EU-Mitgliedstaaten auf eine Verschleppungstaktik und versuchen, gemeinsame Grundlagen zur Bemessung der Körperschaftsteuer in der Europäischen Union wie auch die Veröffentlichung einer länderspezifischen Berichterstattung von multinationalen Unternehmen zu verhindern. In einem solchen Bericht müssten diese Unternehmen endlich einmal offenlegen, was sie in den einzelnen Ländern an Steuern zahlen. Diese Offenlegung würde dazu führen, dass endlich einmal bekannt wird, was z. B. Starbucks in Italien oder Deutschland, den Niederlanden oder in Frankreich an Steuern zahlt. Dadurch würde dann auch national eine Diskussion losgehen. Wie kann es sein, dass die Unternehmen Riesengewinne melden, aber bei uns kaum Steuern zahlen? Deshalb ist diese Offenlegung sehr wichtig, und wir müssen sie erreichen.
Wir sind aber leider nicht allein. Es gibt europäische Staaten, die versuchen, das zu vermeiden. Aber da müssen wir – um Peer Steinbrück zu zitieren – endlich einmal die Pferde satteln. Ich glaube, wir müssen alles, was wir an Möglichkeiten haben, am Ende auch anwenden. Die Skandale um Lux Leaks, die Panama Papers und jetzt natürlich um die Paradise Papers machen deutlich, dass asoziales Verhalten von internationalen Unternehmen, aber auch von Niedrigsteuerländern, nicht hingenommen werden darf. Ich glaube, das ist eine sehr zentrale Frage.
Wenn nun aber die CDU in ihrem Antrag – die CDU hat ja leider noch nicht gesprochen, ich bin ganz überrascht –, vor allem in Punkt 4, so tut, als sei sie in Sachen Bekämpfung der Steuervermeidung Vorreiter, dann hat das mit der Realität doch nichts zu tun.
Herr Finanzminister Dr. Schäfer, wer war es denn, der das Steuerabkommen mit der Schweiz, das Anonymität für alle Steuervermeider und Steuerflüchtlinge vorsah, absichern wollte? – Er war es. Dieser Minister wollte, dass das so gemacht wird. Dass wir das verhindert haben – vor allem Sozialdemokraten und GRÜNE –, war ein wesentlicher Grund dafür, dass wir heute mittlerweile auch andere Steuerabkommen haben und dass diese Anonymität endlich aufgebrochen worden ist. Es war dieser Minister, der die Anonymität für Steuerflüchtlinge und -betrüger weiter aufrechterhalten wollte. Und Sie sprechen von einer Vorreiterrolle in Deutschland? Da lache ich mich ja kaputt, meine Damen und Herren.
Der Herr Ministerpräsident war es, der zu der Frage des Ankaufs von Steuer-CDs – was wichtig war, um herauszubekommen, was da gespielt wird – gesagt hat, das wäre illegal. Meine Damen und Herren, er wollte auch das vermeiden. Und da sprechen Sie von einer Vorreiterrolle? – Nein, das ist keine Vorreiterrolle.
Bundesfinanzminister Schäuble wollte in Deutschland z. B. eine Patentbox einrichten; das hätte dazu beigetragen, dass der Steuerdumpingwettbewerb in Europa weitergegangen wäre.
Protokolle auf europäischer Ebene zeigen, dass Schäuble mit wirklich seltsamen Begründungen das sogenannte Country-by-Country-Reporting verhindern wollte. Es geht dabei darum, dass internationale Konzerne wichtige Kennzahlen gegenüber dem Fiskus offenlegen müssen, damit wir endlich einmal sehen: Wie sind die Zahlen? Wie sind die Gewinne? Wie hoch sind die Betriebsausgaben? Wie sieht es mit den Lizenzen aus? Wie sind die internen Verrechnungen? Wie hoch sind die Steuerzahlungen? Diese Kennzahlen sollten veröffentlicht werden, damit wir einmal durchblicken können, was da möglicherweise auch zwischen Müttern und Töchtern bei internationalen Unternehmen verschoben wird.
Es waren in all diesen Fällen Sozialdemokraten, insbesondere der nordrhein-westfälische Finanzminister, Norbert Walter-Borjans, die verhindert haben, dass solche Reports torpediert werden. Es war nicht die Hessische Landesregierung, es waren Sozialdemokraten, die für das Reporting gekämpft haben. – Gott sei Dank.
Meine Damen und Herren, wenn Sie in Punkt 4 Ihres Antrags schreiben, wie toll die Stellenentwicklung ist: Wir haben ja eine Anfrage dazu. Aus dieser wird deutlich: Der Soll/Ist-Vergleich in Hessen heißt, dass es 630 Finanzbeamte weniger gibt, als der Stellenplan 2016 ausweist. Das war die Antwort, die wir jetzt gerade gesehen haben. Deshalb sage ich: Sie können noch so viele Stellen in den Stellenplan schreiben – sie werden nicht besetzt. Ob das finanzpolitische Gründe hat oder damit zusammenhängt, dass Sie nicht ausgebildet haben, oder damit, dass Leute am Ende in die Wirtschaft wechseln, weiß ich nicht. Aber Sie müssen da für eine andere Politik sorgen, damit die Leute auch bei der Steuerverwaltung bleiben. Fast 8 % der Mitarbeiter in den Finanzämtern fehlen. Das ist keine alte Zahl, sondern sie ist von Ende 2016.
2010 hatten wir in den Finanzämtern – ich rede nicht von der Steuerverwaltung – 200 Finanzbeamte mehr als 2016. Da sprechen Sie von Zuwächsen und davon, dass mehr gemacht wird. Das sind die objektiven Zahlen, schauen Sie sich die Beantwortung der Anfrage an.
Meine Damen und Herren, der eigentliche Skandal ist, dass Einkommensmillionäre im Jahr 2009 öfter geprüft wurden als im Jahr 2016. Also auch bei der Frage der Prüfung der Einkommensmillionäre ist eine schlechtere Entwicklung feststellbar. Deswegen hören Sie auf, davon zu sprechen, alles sei besser geworden.
Nun zu den Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafsachen. Im Jahr 2014 waren es 44,0 Stellen, und im Jahr 2017 sind es 44,7 Stellen. Das ist also ein richtiger Zuwachs von 0,7 Stellen, meine Damen und Herren. Das ist ein Schwerpunkt. Alle Achtung. 0,7 Stellen haben Sie mehr.
Gestehen Sie das doch endlich ein. Ich glaube, in der Sache sind wir uns einig. Hören Sie aber doch bitte mit der Lobhudelei auf. Das hat doch nichts mit der Realität zu tun. Lassen Sie uns in der Sache darüber streiten, was man in Deutschland oder auf europäischer Ebene tun kann. Hören Sie aber doch bitte mit dieser Lobhudelei auf, die nichts mit der Realität zu tun hat.
Ich komme zum Schluss. Wir werden dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen. Herr Kaufmann, Sie sind doch Aufsichtsratsmitglied und bekommen dafür 22.000 € im Jahr. Insofern könnte man durchaus der Frage nachgehen, was mit dieser Briefkastenfirma in Malta eigentlich gemacht wird. Das gilt es zu klären. Ich will wissen, ob dieser Sache nachgegangen worden ist. Wir werden dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf jeden Fall zustimmen.
Eine staatliche Instanz muss doch vorangehen. Deswegen sage ich noch einmal, dass endlich die Pferde gesattelt werden müssen, um denjenigen das Handwerk zu legen, die Steuervermeidung als Geschäftsmodell betreiben. – Herzlichen Dank.