Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

(Beifall bei der LINKEN)

Er fordert nicht die Abschiebung der Geflüchteten. Er verlangt mehr sichere und legale Einreisewege für Menschen, die nach Europa wollen. Leoluca Orlando, der zum dritten Mal als Bürgermeister wiedergewählt wurde, hat seine Stadt für die Eingewanderten geöffnet und sieht in der Migration Chancen statt Gefahren.

Genau für diese Politik steht auch DIE LINKE in Hessen. Für Menschen in Not muss es offene Grenzen geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Migration ist kein Verbrechen, und deshalb dürfen Menschen nicht allein deshalb in Haft genommen werden, weil sie keinen gültigen Aufenthaltstitel haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu diesem Gesetzentwurf gab es viele äußerst kritische Stellungnahmen – seitens der Diakonie, der Caritas, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, des Hessischen Flüchtlingsrats und des Deutschen Anwaltvereins. Diese Bedenken teilen wir alle. Die nun vorliegenden Änderungsanträge sind jedoch nicht geeignet, die ursprüngliche Bewertung des Gesetzesvorhabens aufzugeben.

Insbesondere die Aufnahme des Ultima-Ratio-Prinzips in § 1 des Gesetzentwurfs ist nichts weiter als Augenwischerei. Das soll bloß das Gewissen beruhigen. Reden wir doch mal über Ultima Ratio und Rechtmäßigkeit. Rechtsanwalt Peter Fahlbusch aus Hannover – ein Spezialist auf dem Gebiet des Abschiebungshaftrechts – hat kürzlich eine persönliche Statistik veröffentlicht.

Er hatte in den vergangenen 16 Jahren 1.400 Mandanten in Abschiebungshaftverfahren vertreten. 738 dieser Mandanten, also mehr als 50 %, waren laut rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert – manche nur einen Tag, manche jedoch monatelang. Auch deshalb sagen wir: Wir brauchen keine Abschiebehaft, überhaupt keine.

(Beifall bei der LINKEN)

Für den Betrieb des Abschiebungsgefängnisses hat die Landesregierung jährlich 5,5 Millionen € eingeplant. Zehn

neue Stellen für die Abschiebeverwaltung werden geschaffen; die jährlichen Kosten belaufen sich auf 682.000 €. An zusätzlichen Mitteln für Abschiebungen und angeblich freiwillige Ausreisen weist der Haushalt 2018/2019 jeweils 8,5 Millionen € aus. Es gibt viel bessere Verwendungsmöglichkeiten für dieses Geld, z. B. für die schulische Integration von Flüchtlingskindern oder für die Sprachförderung.

Deshalb sagen wir: Lassen Sie uns in bessere Aufnahmestrukturen investieren, statt noch mehr Geld in eine rücksichtslose Abschiebelogistik zu stecken. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Faulhaber. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Herr Frömmrich gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man das Letzte gerade gehört hat, denkt man eigentlich nicht, dass über Hessen geredet worden ist.

(Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ich glaube, es gibt kein Land in der Bundesrepublik Deutschland, das seiner humanitären Verpflichtung in einer so einzigartigen Art und Weise nachgekommen ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Als 2015 die Flüchtlinge gekommen sind, haben wir in Hessen gesagt: Ja, das ist eine humanitäre Verpflichtung.

(Gabriele Faulhaber (DIE LINKE): Knast!)

Da müssen wir Leistungen erbringen. – Wir hätten uns gefreut, wenn andere Länder der Europäischen Union genauso gehandelt hätten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben uns als Koalition darauf verständigt, dass wir im Jahr 2015 1,3 Milliarden € zur Verfügung stellen für die Integration dieser Menschen und für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Abschiebung aus der Schule! Abschiebung aus der Psychiatrie!)

Für das Jahr 2016 haben wir beschlossen, 1,6 Milliarden € zur Verfügung zu stellen für die Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Ich glaube, diese Koalition, diese Regierung brauchen keine Nachhilfe, was die Frage von humanitären Ansprüchen und humanitären Leistungen angeht. Nur so viel vor der Klammer, Frau Kollegin.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Natürlich ist das eine schwierige Diskussion, die man führen muss. Natürlich ist es für Menschen ein belastender Vorgang, wenn sie in Abschiebeeinrichtungen aufgenommen werden müssen. Das passiert aber doch in einem rechtsstaatlichen Verfahren.

In der Bundesrepublik Deutschland haben wir eine einmalige Asylgesetzgebung. Wir haben die Aufnahme von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention und andere Regelungen. Außerdem gibt es bei uns in Deutschland rechtsstaatliche Verfahren. Wenn ein Asylantrag abgelehnt worden ist, hat jeder die Möglichkeit, vor Gericht zu gehen und diese Entscheidung vor Gericht überprüfen zu lassen. Irgendwann ist aber auch ein solches Klageverfahren zu Ende, und dann entscheidet bei uns ein Gericht. Am Ende eines solchen Gerichtsverfahrens kann auch stehen, dass gesagt wird: Der Ausländer ist vollziehbar ausreisepflichtig. – Das ist eine Gerichtsentscheidung, eine rechtsstaatliche Entscheidung.

Die Landesregierung legt sehr viel Wert darauf, dass man versucht, dass diese Menschen freiwillig ausreisen. Abschiebung ist eine Belastung für die betroffenen Menschen, aber auch für die Menschen, die damit beschäftigt sind, also für Polizeibeamte, Sozialarbeiter usw. Also versuchen die Behörden, darauf hinzuwirken, dass die Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, freiwillig ausreisen.

Es gibt aber einen kleinen Teil von Menschen, die den Aufforderungen zur freiwilligen Ausreise nicht nachkommen. Das ist ein kleiner Teil von Menschen, die dann in einer solchen Einrichtung untergebracht werden müssen – nach Anordnung durch einen Richter.

Die Unterbringung erfolgte bisher in anderen Bundesländern. Wir nehmen nun die Verantwortung wahr und regeln das selbst, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben lange über diesen Gesetzentwurf geredet. Deshalb muss ich auf die Einzelheiten nicht eingehen. Wir haben eine Anhörung durchgeführt. Wir sind auch auf den einen oder anderen Punkt aus der Anhörung eingegangen. Wir haben eine Präambel vorangestellt und haben gesagt, wie das Verfahren insgesamt aussehen soll und dass freiheitsentziehende Maßnahmen nur zur Wahrung des gesetzlichen Zwecks infrage kommen.

Außerdem haben wir eine Ultima-Ratio-Regelung aufgenommen. Viele Anzuhörende haben den Wunsch geäußert, dass festgehalten wird, dass eine Abschiebung nur eine Ultima Ratio sein kann. Das haben wir aufgenommen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

In § 11 haben wir Regelungen aufgenommen, die die Freizeit, die Mediennutzung usw. betreffen. Frau Kollegin Faeser, die Telefonnutzung ist in § 14 geregelt. In der Anhörung gab es dazu Hinweise, die wir auch aufgenommen haben.

(Nancy Faeser (SPD): Ich habe Ihren Gesetzentwurf sorgfältiger gelesen als Sie selbst!)

In der Begründung haben wir dann klargestellt, dass Kameras abgeklebt werden können. Damit haben wir im Übrigen eine Regelung aus Nordrhein-Westfalen übernommen.

Wir haben also in diesem Bereich nachgelegt. Außerdem haben wir die Frage des Besuchsrechts noch einmal aufgerufen. Wir sehen vor, dass Einschränkungen des Besuchsrechts natürlich nicht gelten für Rechtsanwälte sowie Vertreterinnen und Vertreter von konsularischen Einrichtungen.

Bezogen auf die Gesundheitsversorgung haben wir gesagt, dass wir eine besondere Verpflichtung gegenüber besonders Schutzbefohlenen haben. Hierzu zählen Schwangere und andere.

Letztlich haben wir Anregungen aus der Anhörung aufgenommen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss. – Wir haben Regelungen getroffen, die diesen Komplex verantwortungsvoll und rechtsstaatlich korrekt regeln.

Frau Kollegin Faeser, ich sage es jetzt auch noch einmal am Ende, weil Sie vorhin dazwischengeredet haben. Wir haben in der Anhörung gefragt: Wie machen Sie es eigentlich in Rheinland-Pfalz, wo die SPD regiert?

Herr Frömmrich, Sie haben versprochen, zum Schluss zu kommen.

Es gibt ganze drei Absätze, in denen das geregelt ist. Im Gegensatz zu Rheinland-Pfalz haben wir ein Gesetz, in dem gute Regelungen getroffen worden sind. Ich bitte um Zustimmung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Danke, Herr Frömmrich. – Für die Landesregierung spricht nun der Innenminister, Staatsminister Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erhält das Land Hessen nunmehr eine gesetzliche Regelung und einen gesetzlichen Rahmen für die Abschiebungshaft. Diese Abschiebungshaft in Hessen folgt damit klaren Regeln, und – das will ich hinzufügen – sie folgt eigenen Regeln.