Protokoll der Sitzung vom 15.12.2017

Ein Punkt ist mir jetzt ganz wichtig, auch nach der Anhörung im Innenausschuss: noch einmal auf die Notwendigkeit einer eigenen Einrichtung hinzuweisen. Es scheint mir, dass das nicht von jeder Fraktion im Hause geteilt wird. Das wundert mich, wenn man bei der Anhörung anwesend war oder sich zumindest die Anhörungsunterlagen einmal durchgelesen hat. Denn der Leiter aus Ingelheim, also aus Rheinland-Pfalz – eine der Einrichtungen, die wir deutschlandweit genutzt haben –, war zum Glück zugegen und konnte ein paar Aussagen treffen. Er stellte sehr klar fest, dass die Anstalt aufgrund der personellen Situation in Rheinland-Pfalz auf maximal 40 Plätze begrenzt ist. Mehr Personen kann man dort nicht unterbringen. Derzeit ist es auch nicht möglich – das gilt übrigens nicht nur für Rheinland-Pfalz; das zeigen auch Erfahrungen, die wir mit anderen Bundesländern machen –, dass dort Haftanträge anderer Bundesländer angenommen werden. Sie können nicht berücksichtigt werden. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir auch in Hessen eine eigene Anstalt haben, weil wir ansonsten niemanden mehr unterbringen könnten. Wie gesagt: Lesen Sie die Anhörungsunterlagen, dann werden Sie

vielleicht dem Leiter der Anstalt in Ingelheim Glauben schenken.

Das heißt am Ende, wenn man alles resümiert: Es ist dringend geboten, dass wir in Hessen eine eigene Anstalt errichten. Wir tragen damit auch einer notwendigen rechtsstaatlichen Maßnahme Rechnung. Am Ende ist Abschiebungshaft – ich sage es ausdrücklich – immer nur die Ultima Ratio. Über das Thema freiwillige Ausreise hinaus – darüber haben wir hier immer wieder ausführlich gesprochen – ist sie aber ein notwendiges Instrument. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke Frau Wallmann. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr Dr. Blechschmidt zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Frau Kollegin Wallmann, ich bin enttäuscht – ich sage das einmal so. Ich habe gedacht, dass sich Schwarz-Grün in dem Punkt vielleicht einmal auf die Opposition zubewegt. Wir haben eine dritte Lesung, wir haben eine Debatte gehabt, wir haben eine zweite Lesung gehabt, in der alle Punkte breiter diskutiert wurden, als das hier im Redebeitrag von der CDU auf den Punkt gebracht wurde. Es geht nicht um redaktionelle Änderungen. Wer das liest, hat die Debatte zur zweiten Lesung und vielleicht auch die Änderungsvorschläge missverstanden.

(Zuruf der SPD: Ja, genau!)

Ich habe meinem parlamentarischen Geschäftsführer gesagt, dass wir ablehnen werden. Ich mache das ein bisschen davon abhängig, wie man mit den Änderungsanträgen umgeht, weil sie inhaltlich begründet sind. Ich bin eigentlich auf dem Wege gewesen, vielleicht zuzustimmen, weil wir die Abschiebungshaft und die Regelungen, die wir dafür für erforderlich halten, als dringend notwendig ansehen. Ich werde meiner Fraktion empfehlen – das werden wir noch abstimmen –, abzulehnen, weil überhaupt nicht auf das, was die Opposition an Anregungen nicht redaktioneller Natur bringt, eingegangen wird.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Selbstverständlich, als Ultima Ratio – Frau Wallmann, Sie haben recht – ist Abschiebungshaft leider notwendig. Wir als Landtag – heute haben wir einen historischen Bescherungstag vor Weihnachten: dritte Lesung – müssen auch hier nachbessern. Wir alle haben uns Gedanken darüber gemacht, wie es uns gelingt, unterschiedliche Gewichtungen in die Abschiebungshaft hineinzubringen. Das ist das, was Sie als indifferent bezeichnen. Ich glaube, dass man gut daran getan hätte, das eine oder andere aufzunehmen. Ich habe es dargelegt: Abschiebungshaft ist notwendig – Ultima Ratio. Das Indifferente ist aber, dass Abschiebungshaft nicht im eigentlichen Sinne Haft ist, sondern Ultima Ratio. Auch der Minderjährigenbezug und all das, was in den Änderungsanträgen von SPD und FDP geregelt wird, ist notwendig, weil wir aufpassen müssen, dass wir nicht das vermischen und dadurch insbesondere denjenigen Schaden zufügen, die abgeschoben werden. Aber Minder

jährige – das war auch der Inhalt der zweiten Lesung – müssen wir einem besonderen Schutz unterstellen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich möchte noch einmal auf den Änderungsantrag der FDP eingehen. Nr. 1 betrifft § 2. Wir wollen klarstellen, dass Minderjährige und Familien mit Minderjährigen im Regelfall nicht in Abschiebungshaft genommen werden. Zwar schließt die Minderjährigkeit eines Ausländers die Anordnung von Haft nicht generell aus. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs – das haben Sie selbst auch gesagt – erfordert jedoch, dass geprüft wird, ob mildere Mittel, wie die Unterbringung in einer Jugendeinrichtung, in Betracht kommen. Das möchten wir geregelt haben.

Nr. 2 unseres Änderungsantrags betrifft § 4. Zweck der Abschiebungshaft ist die Sicherung der Ausreise. Sie verfolgt das Ziel, den Zugriff auf den Ausländer sicherzustellen. Das haben Sie als CDU etwas härter formuliert. Wir sehen auch, dass das geregelt werden muss; denn die Gewährung von Ausgang unter Aufsicht konterkartiert diesen Zweck. Der Ausgang unter Aufsicht erfolgt ohne Fesselung und birgt eine höhere Fluchtgefahr. Zudem birgt er Sicherheitsgefahren für den den Ausländer begleitenden Bediensteten. Das ist das, was Sie als indifferent bezeichnet haben. Aber auch das muss geregelt werden, nicht nur der Minderjährigenschutz, sondern auch der Ausgang. Deshalb unser Änderungsantrag unter Nr. 2.

Die Nr. 3 betrifft § 14. Da geht es um Besitz und Gebrauch eigener Mobiltelefone, was nur unter bestimmten Maßgaben und Einschränkungen möglich sein soll. Das ist die Regelung aus Nordrhein-Westfalen, Frau Faeser, die übrigens auch von der SPD favorisiert wird. Wir sehen das als dringend erforderlich an; darauf bin ich schon bei der zweiten Lesung eingegangen. Hier besteht Handlungsbedarf. In dem Änderungsantrag von CDU und GRÜNEN ist das meiner Meinung nach nicht gut geregelt.

(Beifall bei der FDP)

Die Nr. 4 betrifft § 17; auch das hatte ich in der zweiten Lesung schon ausgeführt. Das ist ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt, der indirekt das Justizministerium und dort den Strafvollzug betrifft, nämlich die fachliche Qualifikation der Landesbediensteten. Hierfür wollen wir eine ausdrückliche Regelung im Gesetz verankert wissen. Die Regelung im Gesetzentwurf ist unserer Meinung nach ungenügend.

Ich komme zum Änderungsantrag der CDU und der GRÜNEN. Zu diesem Antrag werden wir uns definitiv enthalten. Das ist alles gut gemeint, aber leider nicht alles gut gemacht. Bis auf einen Satz könnten wir dem Änderungsantrag zustimmen. Der Antrag enthält durchaus sinnvolle Regelungen; wir als FDP fordern jedoch Regelungen, die darüber hinausgehen. Wir werden auch den SPD-Antrag an einigen Punkten unterstützen, so etwa zur Mediennutzung.

Der besagte Satz aus dem Änderungsantrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der uns Bauchschmerzen bereitet, hat es in sich. Er findet sich im ansonsten gut gemeinten § 11. Lassen Sie mich kurz § 11 Abs. 3 Satz 3 aus dem Änderungsantrag zitieren. Dort heißt es:

Hinsichtlich der Nutzung von Geräten mit Kamerafunktion gilt das in § 14 Gesagte.

Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Blechschmidt.

Danke schön. – In § 14 aber heißt es wortwörtlich:

Der Besitz und die Benutzung von Mobiltelefonen mit Kamerafunktion sind verboten.

Dieser Verweis in § 11 führt zu Missverständnissen. Sie führen das in der Begründung auf; im Gesetzestext selbst besteht jedoch ein Widerspruch. Vielleicht kann man das redaktionell überarbeiten.

Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, dann stimmen Sie einem Antrag zu, der inhaltlich und redaktionell weitaus besser gestaltet ist. Ich appelliere insofern noch einmal an Sie, das eine oder andere, was in unserem Änderungsantrag,

Bitte, Herr Blechschmidt.

aber auch im Änderungsantrag der SPD geregelt ist, noch aufzunehmen und nicht einfach Nein zu sagen. – Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Danke, Herr Blechschmidt. Um Verwirrungen entgegenzuwirken: Heute steht kein CDU-Änderungsantrag zur Abstimmung. – Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Faeser zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann an das von Herrn Blechschmidt Gesagte anknüpfen. Frau Wallmann, ich bin etwas verwundert, dass Sie die beiden Änderungsanträge von FDP und SPD einfach so abtun. Das klingt so, als gäbe es da nur deklaratorische oder redaktionelle Änderungen. Dem ist aber nicht so – vielmehr enthalten beide Änderungsanträge erhebliche qualitative Verbesserungen.

Ich bitte insofern, noch einmal darüber nachzudenken. Eine dritte Lesung dient auch dazu, noch einmal in sich zu gehen und zu überlegen, ob es vielleicht doch den einen oder anderen Punkt gibt, der bislang nicht so glücklich geregelt war und der noch der Überarbeitung bedarf.

Beginnen möchte ich mit der Regelung für die unbegleiteten Minderjährigen und besonders Schutzbedürftigen. Die Regelung in Ihrem Gesetzentwurf reicht uns einfach nicht aus.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt. Sie haben lediglich die Gesundheitsversorgung der Personen geregelt. Wir wollen darüber hinaus aber auch, dass diese Personen nicht in Abschiebehaft kommen. Das ist ein qua

litativer Unterschied, der sehr maßgeblich ist – das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen –, und deshalb werben wir um Unterstützung. Wir freuen uns, dass die FDP diesbezüglich ihre Unterstützung signalisiert hat.

Ein weiterer Aspekt ist der Ultima-Ratio-Grundsatz. Frau Wallmann, ich bin froh, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass dieser Grundsatz für Sie ganz entscheidend ist, und dass Sie jetzt eine entsprechende Regelung aufnehmen. Wir meinen, diese Regelung gehört an den Anfang des Gesetzes, weil es hierbei um etwas Grundsätzliches geht. Auch in diesem Punkt ist unser Änderungsantrag der weiter gehende. Ich werbe noch einmal um Ihre Unterstützung für unseren Antrag.

Bei der Abschiebehaft müssen wir eines sehr deutlich machen; auch da bin ich bei Herrn Blechschmidt: Wir als SPD sind der Meinung, dass hierfür Regelungen notwendig sind. Auch wir sind für eine eigene Abschiebehaft in Hessen. So jedoch, wie Ihre Regelung gestaltet ist, ist das einfach nicht gut. Es ist wieder einmal nicht gut gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Das Beschwerderecht ist ebenfalls nicht hinreichend geregelt. Auch hierfür haben wir in unserem Änderungsantrag eine Regelung vorgesehen, die den Betroffenen besser gerecht wird. Das ist wichtig; denn wir reden eben nicht von einer Strafhaft. Vielmehr geht es um Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig sind, die aber keine Straftaten begangen haben.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen sind ihre Rechte so wichtig, und deshalb haben wir uns die Mühe gemacht, diese Änderungsanträge vorzulegen. Diesen Anträgen sollten Sie folgen.

Ähnlich verhält es sich bei den Regelungen über die Benutzung von Telefonen. Wir wollen, dass diese Menschen, wenn sie schon zurückgeführt werden, Kontakte in ihre Heimat haben. So ist sichergestellt, dass sie gut wieder in ihrer Heimat ankommen können. Deswegen ist die Nutzung von Telefonen so wichtig.

Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen, den ich für sehr entscheidend halte. Herr Boddenberg, da appelliere ich auch an Sie. Es geht um die Seelsorge. Frau Wallmann hat gesagt: Es gibt doch einen Hinweis auf das Strafvollzugsgesetz. – Ja, das stimmt; dieser Hinweis ist aber nicht ausreichend. Deswegen hatten die Kirchen übereinstimmend darum gebeten, eine ausdrückliche Regelung ins Gesetz aufzunehmen.

Es geht darum, Regelungen für die Seelsorger selbst zu treffen. Die wollen mit ihren Rechten im Gesetz verankert werden. Der Bezug auf das Strafvollzugsgesetz allein reicht da nicht aus. Deshalb haben wir eine eigene Regelung für die Seelsorger aufgenommen, so wie es die Kirchen vorgeschlagen haben.

Wir bitten Sie deshalb darum, zumindest über Nr. 7 noch einmal nachzudenken und den § 16 in Ihren Gesetzentwurf aufzunehmen. Das wäre das Mindeste. Ansonsten müssen wir auch hier wieder feststellen: viel zu spät, viel zu hektisch, mit sehr vielen Fehlern. Wir bitten Sie im Sinne der Betroffenen, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke, Frau Faeser. – Für die LINKEN hat sich Frau Faulhaber zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für die LINKEN möchte ich eine grundsätzlich andere Sichtweise in diese Diskussion einbringen. Ich fange mal damit an, dass vor zwei Wochen der Bürgermeister der sizilianischen Stadt Palermo, Leoluca Orlando, zu Gast bei uns in der Fraktion war.

Er hat sehr eindrucksvoll vom Schicksal der Geflüchteten berichtet, die viel zahlreicher an den Küsten Siziliens stranden als hier bei uns. Wie geht das Stadtoberhaupt einer Metropole, die in besonderem Maße von den Fluchtund Migrationsbewegungen betroffen ist, mit dieser Situation um?

Leoluca Orlando fordert nicht etwa eine bessere Abschottung an den Grenzen Europas oder Gefängnisse. Er tritt vielmehr offiziell für ein Menschenrecht auf Freizügigkeit ein.

(Beifall bei der LINKEN)