Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Vermeiden Sie in Zukunft solche Bemerkungen, gerade in einer Situation, in der die Stimmung aufgeheizt ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Günter Ru- dolph (SPD): Wir diskutieren das hier aber nicht!)

Das diskutieren wir hier nicht. – Herr Schwarz, ich habe meine Anmerkung als Versammlungsleitung gemacht. Es gibt keine Möglichkeit, sich in diesem Rahmen dazu zu äußern. Das müssen Sie im Ältestenrat tun.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest, dass die Aktuelle Stunde zu den Tagesordnungspunkten 56 und 57 beendet ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 58 auf:

Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle Stunde (Hessen schafft Wissen: Krebsforschung auf

Spitzenniveau – Forschung für unser aller Nutzen) – Drucks. 19/5980 –

Die erste Wortmeldung war eingegangen, ist beim Präsidium aber im Moment nicht auffindbar. – Es spricht Kollege Bartelt für die CDU-Fraktion.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Jetzt gehen schon die Wortmeldungen verloren!)

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hessens Krebsforschung genießt weltweit höchstes Ansehen. Ein herausragendes Beispiel ist das Zentrum für Zell- und Gentherapie, CGT. Es gehört zum Zentrum für Tumorerkrankungen der Universitätskliniken Frankfurt. Dies ist ein onkologisches Spitzenzentrum Deutschlands.

Die Wissenschaftler und Staatsminister Rhein informierten im Vorfeld des Weltkrebstages über aktuelle Forschungen der Krebstherapie aus diesem Zentrum. Das CGT wurde mit 40 Millionen € aus dem Wissenschaftsprogramm LOEWE gefördert. Krebsforschung hat Priorität und wurde bislang in 13 Projekten mit fast 100 Millionen € durch LOEWE finanziert.

(Beifall bei der CDU)

Worum geht es bei diesem Forschungsgegenstand? – Die Ersttherapie des bösartigen Tumors ist meist die chirurgische Entfernung. Oft folgen weitere Maßnahmen. Im Mittelpunkt stehen Medikamente, die die Zellteilung hemmen. Sie treffen auch gesunde Zellen; das führt zu Nebenwirkungen. Weiterhin entziehen sich die Tumorzellen durch Entdifferenzierung der Ansprechbarkeit der Behandlung. Das limitiert den Erfolg.

Ideal wäre eine Therapie, die nur die gewünschte Zelle trifft, und dies auch noch nach vielen Teilungszyklen. Ein solcher Ansatz wird im CGT zur praktischen Anwendung geführt. Die Vorläuferzelle der Abwehrstammzelle wird dem Patienten entnommen und genetisch so verändert, dass sie diese Eigenschaften erhält, also die Tumorzelle aufspürt und zerstört.

(Manfred Pentz (CDU): Sehr gut!)

Bei bestimmten Blutkrebsen und Lymphdrüsenkrebsen kommt dies schon jetzt den Kranken zugute. Das kann sogar lebensrettend sein, wenn kein geeigneter Knochenmarkspender für diese Erkrankten gefunden wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ziel ist es, diesen Therapieansatz auch bei Organkrebsen und ihren Metastasen zu nutzen. Durch das von Staatsminister Grüttner entwickelte hessische Onkologie-Konzept kommen solche Erkenntnisse auch schnell den Kranken zugute, die nicht in der Uniklinik behandelt werden. Die Vernetzungen zwischen koordinierenden Kliniken – meist, aber nicht ausschließlich Universitätskliniken – und kooperierenden Häusern – oft Kreiskliniken – ermöglichen den schnellen Wissenstransfer.

Fortschritte in der Krebstherapie erfordern interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Medizin, gemeinsame Forschung mit anderen Naturwissenschaften, Zusammenarbeit mit außeruniversitären Einrichtungen und ganz besonders eine internationale Aufstellung. Das geförderte Zentrum CGT erfüllt all diese Kriterien in hervorragender Weise.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch deshalb ist die Finanzierung auch nach dem Auslaufen der LOEWE-Finanzierung durch Drittmittel nachhaltig und in mindestens der gleichen Höhe gesichert. Das CGT erforscht übrigens nicht nur Tumorerkrankungen. Auch Herzmuskelerkrankungen und Lungenfibrosen sind Gegenstand von Grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung.

Wir danken in erster Linie für Engagement und Kreativität der Wissenschaftler. Wir sagen aber auch in aller Bescheidenheit, die Wissenschaftspolitik in Hessen setzt in der Finanzierung und in der Schaffung effizienter Strukturen genau die richtigen Ansätze. Das ist besonders das Verdienst des Wissenschaftsministeriums und des Ministers.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden diese Politik weiterhin unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Wissler für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Fast eine halbe Million Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Krebs. Fast jeder kennt in der Familie oder im Bekanntenkreis jemanden, der an Krebs erkrankt ist. Deshalb ist es ein großer Fortschritt, wenn neue funktionierende Behandlungsmethoden gefunden werden. Dafür gelten allen Forscherinnen und Forschern unser Dank und unsere Anerkennung.

(Beifall bei der LINKEN)

Onkologische Forschung wie am Universitären Centrum für Tumorerkrankungen in Frankfurt können neue Erkenntnisse über die Entstehung von Tumorerkrankungen hervorbringen und zur verbesserten medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten führen. Ich denke, das ist völlig unstrittig. Ich möchte aber auf einige Punkte hinweisen, die mir in dieser Debatte wichtig erscheinen:

Ich finde, man muss schon die Frage aufwerfen, welche Folgen es für die Forschung hat, wenn eine finanzielle Abhängigkeit von der Pharmaindustrie besteht. Krebsmittel stellen für Arzneimittelhersteller ein Marktsegment mit sehr hohem Umsatz und hohen Wachstumschancen dar. Deshalb investiert die Pharmaindustrie große Summen in die Erforschung solcher Präparate.

Ich will ein Beispiel nennen, das zeigt, dass Forschung an Grenzen stößt, wenn sie eng mit wirtschaftlichen Interessen verknüpft ist. Aktuell berichten einige Forscherinnen und Forscher sowie behandelnde Ärzte über Erfolge bei der Tumorbehandlung mit dem Drogenersatzmittel Methadon. Allerdings gibt es keine breit angelegte Forschung mit verlässlichen Ergebnissen dazu, weshalb viele Experten davon abraten, es als Krebsmittel einzusetzen.

Die Ulmer Chemikerin Dr. Friesen vermutet, das mangelnde Forschungsinteresse seitens der Pharmaindustrie könnte daran liegen, dass das patentfreie Methadon 12 € für eine Behandlungszeit von vier Wochen kostet, während die Industrie mit anderen Krebsmedikamenten in der gleichen Zeit 20.000 € bis 25.000 € verdienen kann.

Ich kann natürlich überhaupt nicht beurteilen, ob Methadon aus medizinischer Sicht für die Krebstherapie geeignet ist. Aber wenn ernst zu nehmende Ärzte und Forscher auf Erfolge verweisen, wäre das ein Anlass, um die Wirkung genauer zu erforschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Chefarzt der Berliner Helios Klinik für Onkologie und der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Prof. Dr. Ludwig, kritisierte kürzlich, dass klinische Studien überwiegend von der Pharmaindustrie finanziert und Steuermittel für unabhängige Forschung nur völlig unzureichend zur Verfügung gestellt würden. Solche Mittel wären aber notwendig, um Ergebnisse zu bekommen, die möglicherweise nicht von pharmazeutischen Herstellern verzerrt sind. Die Pharmaindustrie hat nun einmal ein Interesse an klinischen Studien, und sie steckt ja nicht viel Geld in die Forschung, um am Ende nichts daran zu verdienen. Wir sind aber der Meinung, dass Forschung nach wissenschaftlichen Kriterien im Interesse der Patienten und nicht zugunsten der Pharmakonzerne erfolgen sollte. Deswegen fordert DIE LINKE im Bundestag schon seit Jahren die Bereitstellung von 500 Millionen € aus dem Bundeshaushalt zur Förderung der nicht kommerziellen Pharmaforschung.

(Beifall bei der LINKEN)

Es reicht aber nicht, nur die Therapien zu erforschen. Wir müssen die Erkrankung verstehen lernen, und wir müssen die Ursachen dafür finden. Das ist ein Grund, warum gerade ein Krebsregister erstellt wird. Derzeit liegen allerdings nur die Daten von 2011 vor. Bei den Haushaltsberatungen wurde uns mitgeteilt, dass der neue Bericht für 2017 vorgesehen ist. Das ist jetzt vorbei. Daher wäre auch meine Frage, wann damit zu rechnen ist.

Die Erforschung von Krankheitsursachen, die sich aus der Wohnumgebung, aus dem Arbeitsumfeld ergeben können, findet nur eingeschränkt statt. Ich finde, hier besteht ein Nachbesserungsbedarf. Es ist nämlich nicht nur das Rauchen, das krebserregend ist. Es wäre fatal, wenn man regionale Schwerpunkte von Krebserkrankungen, z. B. rund um einen Flughafen, um eine stark befahrene Straße oder um Salzablagerungen herum, ignorieren würde. Es gibt Hinweise darauf, dass Mitarbeiter in der Chemieindustrie vermehrt unter Blasenkrebs leiden. Wenn solche Ursachen für Krebserkrankungen verharmlost oder gar geleugnet werden, um nicht politisch handeln zu müssen, haben wir ein Problem; denn die beste Behandlung ist es, die Risiken für Krebserkrankungen zu minimieren und schon in dieser Form vorzubeugen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ein letzter Punk. Neue Behandlungsmethoden sind wichtig. Es muss aber auch genügend Personal geben, das sie anwenden kann. Deswegen brauchen wir mehr Personal in der Pflege, in der Versorgung und auch im ärztlichen Bereich. Diese Zugänge müssen für alle Patientinnen und Patienten möglich sein, auch für Kassenpatienten; denn Krebs unterscheidet nicht zwischen Privatversicherten und

Kassenpatienten, und die Behandlung darf es ebenso wenig tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade bei dieser Erkrankung sind Menschen darauf angewiesen, dass sie gut versorgt sind und dass sie gut informiert werden über Krankheits- und Behandlungsverlauf, über Alternativen und mögliche Folgen. Sie brauchen Zuwendung und Aufmerksamkeit. Das ist bei dem aktuellen Personalmangel in den Krankenhäusern immer weniger möglich. Meine Damen und Herren, hier muss sich dringend etwas ändern.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Das war eigentlich ein guter Schluss.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, wenn Sie mir bitte noch einen Abschlusssatz erlauben. – Es darf nicht sein, dass die Schwere und Komplexität einer Erkrankung zählt, weil das mehr Geld bringt. Die notwendigen Mittel müssen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Gesundheit und gerade im Kampf gegen eine Krankheit wie Krebs muss klar sein, dass der Mensch immer an allererster Stelle steht – und nicht der Profit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der Abg. Lisa Gnadl (SPD))

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Frau Kollegin Dr. Sommer, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Krebsforschung macht seit Jahren Fortschritte. Es gibt verbesserte Methoden zur Früherkennung sowie der Entwicklung von Therapien, die effektiver und weniger toxisch sind. Meine Damen und Herren, das ist auch gut so.