Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

Auch wenn es dort keine Strafbarkeitslücke im eigentlichen Sinne gab, weil die Taten auch mit früher geltendem Regelwerk verfolgt werden konnten, so liegt in diesen Angriffen doch ein ganz besonderer Tatunwert, der es ausnahmsweise rechtfertigt, einen gesonderten Tatbestand zu schaffen, auch wenn das aus strafrechtlichen Gründen gar nicht zwingend notwendig wäre. Deshalb gibt es eine Neuregelung des entsprechenden Tatbestandes mit einer spezialgesetzlichen Regelung für Angriffe auf Rettungskräfte und mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Freiheitsstrafe und einer Höchststrafe – das muss man auch immer einmal im Blick behalten – von fünf Jahren – unabhängig von der Tatsache, dass damit im Regelfall ja andere Delikte verbunden sind, die teilweise mit noch höherem Strafmaß bedroht sind.

Meine Damen und Herren, diese Strafmaßbandbreite von drei Monaten bis zu fünf Jahren reicht aus, das passt auch, das ist auch strafrechtlich und verfassungsrechtlich notwendig. Und weil ein Stoß oder ein Eierwurf, ein Anrempeln keine Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtfertigt – das hatten wir hier schon einmal in der Diskussion –, gibt es dort die Möglichkeit von Geldstrafe. Das ist das, was unser System hergibt. Es gibt also eine breite Palette von abgestuften Möglichkeiten, wie gesagt, bis zur Höchststrafe von fünf Jahren.

Jetzt herzugehen und als Antwort auf die Entwicklung nur zu sagen, wir müssen wieder einmal das Strafmaß erhöhen, wir verdoppeln es, wir gehen auf sechs Monate Mindeststrafe, das ist populistisch, das führt in der Sache nicht weiter. Hier gilt wieder einmal – das tun Sie nämlich nicht, obwohl es eigentlich notwendig ist –: ganz konsequente Verfolgung dieser Straftaten,

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

statt zu schwadronieren und entsprechende populistische Forderungen zu erheben, von denen Sie selbst wissen – Sie sind ja erfahren genug –, dass das in der Umsetzung überhaupt nichts bewirkt, sondern nur eine wohlfeile Forderung ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zu dem letzten inhaltlichen Punkt, den ich an dieser Stelle doch erwähnen muss. Es ist ein ganz besonders dunkles Kapitel der Tätigkeit dieser Koalition, dieser Landesregierung und dieses Innenministers. Das ist das jetzt in die Beratung gebrachte Verfassungsschutzgesetz.

(Beifall bei der FDP – Nancy Faeser (SPD): Ja, allerdings!)

Meine Damen und Herren, seit mehreren Jahren doktert diese Koalition – ich unterstelle: unter der Federführung des Innenministers – an einem tragfähigen Entwurf zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes herum. Eine praktikable Lösung ist, wie wir gerade feststellen durften, nach wie vor in weiter Ferne. Um ehrlich und deutlich zu sein: Das, was Sie vorgelegt haben, ist schlichtweg Murks.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der Höhepunkt, an dem dieser Murks auch abgebildet wurde, war die Anhörung, die wir vor wenigen Tagen, am 8. Februar, im Innenausschuss hatten. Die ausführliche Anhörung hat genau das abgebildet, was ich hier gesagt habe. Praktisch alle Experten – außer den Polizeigewerkschaften, die sich insbesondere zum HSOG geäußert haben – haben den Gesetzentwurf vernichtend beurteilt. Da blieb nichts übrig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Der Entwurf ist in jeder Hinsicht völlig unausgereift. In Art. 1 des Entwurfs wird uns eine Neufassung des Verfassungsschutzgesetzes vorgelegt – mit guten Ansätzen, was die Struktur angeht. Das ist durchaus gelungen. Inhaltlich haben Sie aber völlig danebengegriffen. Da ist der Vorschlag völlig unausgereift. Wir haben versucht, Ihren Entwurf irgendwie zu retten. Wir haben viel Zeit investiert, aber dieses Ding ist nicht mehr zu retten. Das ist ein solcher Murks, dass der Entwurf völlig neu erarbeitet werden muss. Sie wären gut beraten, die konstruktive Kritik der Opposition aufzunehmen, uns in die Erarbeitung einer vom gesamten Parlament getragenen Lösung einzubeziehen. Wir sind dazu bereit.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Das Gesagte betrifft Art. 1, der eine Änderung des Verfassungsschutzgesetzes zum Inhalt hat.

Bezüglich der vorgeschlagenen Regelung der parlamentarischen Kontrolle sind unsere Bedenken noch mehr bestätigt worden. Die parlamentarische Kontrolle ist bei einem Geheimdienst mindestens so wichtig wie in allen anderen Bereichen. Die Kontrolle muss im Geheimen stattfinden; ansonsten würden geheimdienstliche Notwendigkeiten konterkariert. Das würde nicht funktionieren. Entsprechend sauber und entsprechend wirksam muss die parlamentarische Kontrolle ausgestaltet sein. Sie haben eine Expertenkommission unter der Führung des früheren Verfassungsrichters Prof. Jentsch berufen. Die Kommission hat hervorragende Arbeit geleistet. Sie hat Ihnen genau aufgeschrieben, was im Bereich der parlamentarischen Kontrolle geschehen muss. Die Sachverständigen haben es aufgegriffen: Stärkung der Oppositionsrechte, Unterstützung durch Mitarbeiter, Befragungsrechte der Kontrollkommission und – das brauchen wir ganz besonders – eine Whistleblower-Regelung, wie sie im Bundesgesetz, ja selbst im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz verankert ist. Sie werden der CSU sicherlich kein staatsgefährdendes Verhalten vorwerfen wollen. All die genannten Dinge fehlen in Ihrem Entwurf.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ich wiederhole deshalb: Während der Entwurf zur Änderung des parlamentarischen Kontrollgesetzes durch die von uns vorgeschlagenen Änderungen – der entsprechende Antrag liegt vor – von einem schwarz-grünen Kontrollverhinderungsgesetz zu einem echten und wirksamen parlamentarischen Kontrollgesetz werden kann, ist das für den Rest nicht möglich. Diesen Murks kann man nicht retten. Es muss ein neuer, wirklich durchdachter, verfassungsgemäßer Entwurf vorgelegt werden. Ich schlage nochmals vor: Lassen Sie uns eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe bilden, damit wir an dieser zentralen Stelle parlamentari

scher Verantwortung zu einem einheitlichen Vorschlag kommen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, als Schlussbemerkung nur noch eines: Ich habe mich ausdrücklich für die rechtzeitige Beantwortung der Anfrage zu Islamismus und Salafismus bedankt. Es ist schon eine Sternstunde, wenn der Innenminister eine Anfrage innerhalb von sechs Wochen beantwortet.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rudolph, auch Sie haben es schon oft zu Recht bemängelt: Es fehlt dem Innenminister beim Umgang mit dem Parlament schlicht an Respekt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Die Beantwortungspraxis des Innenministeriums ist im Vergleich aller Häuser der Landesregierung unvergleichlich schlecht. Die fristgerechte Beantwortung Kleiner Anfragen durch das Ministerium des Innern erreicht eine Quote von nur 43 %.

Meine Damen und Herren, ich kann nur feststellen: Immer wieder drücken Sie sich vor der Beantwortung wichtiger Fragen, schieben die Beantwortung immer weiter hinaus, so lange es nur geht. Ich nenne nur das Stichwort Linksextremismus. Dieses Verhalten ist ein Stück Vereitelung parlamentarischer Kontrolle. Das dürfen wir uns als Abgeordnete in allen Fraktionen nicht bieten lassen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Ich stelle abschließend fest: Die Polizeiliche Kriminalstatistik und insbesondere die Regierungserklärung des Innenministers geben überhaupt keinen Anlass zu Selbstbeweihräucherung. Es gibt noch viel zu tun im Lande Hessen. Herr Minister, packen Sie es endlich an.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Greilich. – Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Bauer zu Wort gemeldet.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle Vorredner haben es mehr oder wenig deutlich zum Ausdruck gebracht: Angesichts der hervorragenden Zahlen sind wir sehr dankbar für die hervorragende Arbeit unserer hessischen Polizei. Wir Christdemokraten sind stolz wie Bolle auf das, was in diesem Land von den Polizistinnen und Polizisten geleistet wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt verschiedene Gründe dafür, warum die Polizei so hervorragend arbeitet. Nie gab es mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, nie waren sie besser ausgestattet, und nie gab es eine bessere Rechtsgrundlage, um die Polizei überhaupt in die Lage zu versetzen, gute Arbeit zu leisten. Meine Damen und Herren, das fällt natürlich nicht vom Himmel. Wir setzen dafür seit Jahren die richtigen Rahmenbedingungen. Der Erfolg hat bekanntlich viele Väter, aber der Misserfolg ist ein Waisenkind. Der Erfolg der Po

lizeiarbeit in Hessen hat aber einen Namen. Er trägt den Namen dieser CDU-geführten Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Es ist doch ein altes Ritual, zu sagen, dass der Innenminister immer schuld ist, wenn es schlecht läuft. Aber wenn er hier erfolgreiche Zahlen vorlegen kann, dann muss man dem Innenminister auch einmal ein Dankeschön dafür sagen, dass die Polizei, ein Organisationskörper mit fast 15.000 Polizistinnen und Polizisten, eine stolze Bilanz vorlegen kann. Die Bilanz zeigt doch, dass von Volker Bouffier über Boris Rhein bis zu Peter Beuth eine wunderbare, gute und erfolgreiche politische Führung erfolgt ist, die die Polizei überhaupt in die Lage versetzt hat, diese Arbeit zu leisten. Von unserer Seite dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und der FDP – Nancy Faeser (SPD): Der Ministerpräsident hat damals als Innenminister zu wenige Polizisten eingestellt!)

Es ist doch erfreulich – Sie haben es mehr oder weniger selbst dargestellt –, dass die Entwicklung in unserem Land in zweierlei Richtung hervorragend gelaufen ist. Wir haben zum einen einen Rückgang der Zahl der Straftaten und zum anderen eine deutliche Erhöhung der Aufklärungsquote. Das bedeutet, dass die Menschen in Hessen einen überdurchschnittlich hohen Sicherheitsstandard genießen. Die CDU setzt seit der Regierungsübernahme 1999 die richtigen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Polizeiarbeit. Die Gesamtaufklärungsquote hat einen neuen Rekordwert von 62,8 % erreicht, die beste Quote seit 1971. Das ist doch ein herausragendes Ergebnis.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Gesamtzahl der Straftaten ist um über 36.000 auf rund 375.000 zurückgegangen. Das ist der geringste Wert seit 1980. Das ist eine herausragende Bilanz, die hier in Hessen zu verantworten ist und die man nicht schlechtreden darf.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte aber nicht über Zahlen streiten. Ich möchte deutlich machen, dass Zahlen nur abstrakte Größen sind. Entscheidend ist, was die Zahlen eigentlich ausdrücken; denn hinter diesen Zahlen stehen Menschen. Um sie geht es. Es geht um individuelle Schicksale. Hinter jeder verhinderten Straftat steht ein Mensch, der nicht geschädigt wurde, und hinter jeder aufgeklärten Straftat steht ein Mensch, der nicht mehr nur Opfer ist, sondern auf die Bestrafung des Täters hoffen darf. Das ist es, was der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern schuldig ist, um ihnen ein Leben in Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns die PKS anschauen, dann sehen wir: Es gibt erfreuliche Dinge, z. B. die Tatsache, dass sich die Zahl der Fälle von Straßenkriminalität – ein als besonders bedrohlich empfundenes Delikt – in den letzten zehn Jahren halbiert hat. Die Aufklärungsquote hat sich in diesem Bereich fast verdoppelt. Das verdanken wir sicherlich einer verstärkten Polizeipräsenz auf den Straßen und dem Einsatz von Videoüberwachung. Meine Damen und Herren, nicht ohne Grund investiert das Land jedes Jahr 1,3 Millionen €, damit wir die Kommunen im Bereich der Videosi

cherheitstechnik besser ausstatten können, um für noch mehr Sicherheit auf Hessens Straßen zu sorgen. Der Erfolg zeigt uns, dass das der richtige Weg ist.

(Beifall bei der CDU)

Auch in einem zweiten Deliktbereich haben wir Erfolge bei der Bekämpfung vorzuweisen: Es geht um die Wohnungseinbruchdiebstähle – ein besonderer Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit. Ein Einbruch in die eigenen vier Wände traumatisiert nahezu jeden, der davon betroffen ist. Einbruchsopfer sind psychisch noch immer gezeichnet, wenn Fenster und Türen schon längst repariert sind. Deshalb ist das ein Schwerpunkt polizeilicher Arbeit, und deshalb unternehmen wir schon seit Jahren größte Anstrengungen, um den Einbrechern und den organisierten Einbrecherbanden das Handwerk zu legen.

Meine Damen und Herren, wir haben dabei Erfolg: Die Zahl der Einbrüche ist um ein Fünftel gesunken. Jeder zweite Einbruchsversuch wird mittlerweile abgebrochen. Eine hohe Versuchsquote bedeutet nichts anderes – der Herr Innenminister hat es gesagt –, als dass die Präventionsarbeit der hessischen Polizei wirksam und erfolgreich ist. Die Bürger leisten sich mittlerweile verstärkt einbruchsichere Türen und Fenster, und die Polizei setzt zur Aufklärung moderne Prognosesoftware ein, um den Verbrechern zuvorzukommen.

Die CDU ist und bleibt die Partei der inneren Sicherheit. Wir haben Hessen nachhaltig sicherer gemacht, wir reagieren auf neue Entwicklungen, wir haben die Polizei massiv gestärkt, wir sorgen für technische Innovationen und eine moderne Ausstattung unserer Polizei, und noch nie gab es mehr Geld für die innere Sicherheit in Hessen als in diesem Jahr.

(Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Seit 1999 hat sich der Polizeihaushalt mehr als verdoppelt. Diese Schwerpunktsetzung wollen wir auch über 2019 hinaus – hoffentlich, wir arbeiten jedenfalls hart daran – fortsetzen.

Natürlich stellen wir bei genauem Hinsehen auch fest, dass es Bereiche gibt, in denen wir besser werden müssen, und Problemfelder, die wir nicht verschweigen dürfen. Drei nenne ich exemplarisch: