Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Auch die neue Koalition bekennt sich zu Akzeptanz und Vielfalt und ergreift dafür konkrete Maßnahmen wie die Erarbeitung eines Aktionsplans für Akzeptanz und Vielfalt und die Unterstützung der SchLAu-Projekte an den Schulen.

Ich kann heute nicht zu diesem Thema sprechen, ohne zu sagen, dass es an diesem Tag eine besondere Ehre ist. Denn heute, am 22. Mai 2014, wäre Harvey Milk 84 Jahre alt geworden. Harvey war der erste offene schwule Politiker der USA.

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss Ihrer Rede kommen.

Frau Präsidentin, vielen Dank. – Er war einer der Vorkämpfer für die Rechte der Lesben und Schwulen. Er wurde 1978 im Rathaus von San Francisco erschossen. Sein Vermächtnis ist, der Abwertung, Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen entschieden entgegenzutreten und Gesicht zu zeigen. Ich würde mich freuen, wenn wir das heute hier gemeinsam tun würden, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Vielen Dank. – Es spricht jetzt Herr Kollege Lenders für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sir Peter Ustinov hat einmal Folgendes geschrieben:

Vorurteile, jeder Mensch hat sie,...

Vorurteile, das sind die Schubladen, aus denen Diskriminierung und Homophobie entstehen. Ich finde es gut und begrüße, dass wir diese Aktuelle Stunde hier abhalten können. Fünf Minuten Redezeit sind vielleicht ein wenig zu knapp, um dem gesamten Komplex gerecht zu werden. Herr Kollege Kai Klose hat die Aktualität des heutigen Tages unterstrichen. Deswegen ist es gut, dass wir Stellung beziehen können.

Warum spielt die sexuelle Orientierung bei diesem Thema immer eine so große Rolle? Das ist so, weil sich homosexuelle Menschen natürlich ein Stück weit über ihre Sexualität identifizieren. Sie begleitet sie im Alter des Heranwachsenden. Man merkt den Unterschied zu anderen Heranwachsenden. Das begleitet einen Menschen sein Leben lang. Es ist am Ende auch der Unterschied, den es ausmacht, warum man Angriffen und Diskriminierung ausgesetzt ist und warum Homophobie oft Platz greift.

Kinder haben keine Vorurteile. Die Eltern erziehen ihre Kinder in ihrem guten Glauben und mit ihren Vorbildern. Da sollte man den Eltern auch keine Vorwürfe machen, wenn sie zunächst falsch reagieren. Aber Eltern müssen in dem Moment, in dem sie merken, dass ihre Kinder anders aufwachsen, als sie sich das vielleicht vorgestellt haben, ihre Kinder ermutigen, unterstützen und Rückhalt bieten. Das ist gerade für Heranwachsende ein ganz wichtiger Baustein.

Oftmals sind es gerade die Medien, in denen Homosexuelle gerne in Klischees dargestellt werden. Denn sie sind schillernde Persönlichkeiten. In Filmen sollen sie dann doch eher den Komödianten geben. Das sind die Bilder, die auch die Eltern prägen. Man muss sich in breiter Front gegen solche Vorurteile wenden. Das ist eine Aufgabe der Politik.

(Beifall bei der FDP, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Holger Bellino (CDU))

Natürlich betrifft das den Fußball. Es betrifft die Bundeswehr. Das kommt jedem sofort in den Kopf. Gerade für Fußballer ist es natürlich schwierig, sich in einem großen Stadion als bekennender homosexueller Mann zu outen. Die Angriffe kann sich jeder vorstellen, der einmal die Stadionatmosphäre erlebt hat. Aber es geht eben auch um homosexuelle Lehrerinnen und Lehrer und um homosexuelle Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten.

Man muss die Landesregierung natürlich am Ende auch daran messen, wie sie mit Homophobie und transsexuellen Menschen umgeht und ob am Ende ein homosexueller Lehrer offen vor eine Schulklasse treten kann. Sicherlich wird man die Landesregierung daran messen müssen, ob es da einen tatsächlichen Fortschritt gegeben hat oder nicht.

Wir Liberale sehen in jedem Menschen in seiner Unterschiedlichkeit und in seiner Vielfalt eine Chance und keine Bedrohung.

Daniel Bahr hat es als erster Bundesminister geschafft, eine Aids-Kampagne zu fahren, die gegen die Ausgrenzung der HIV-infizierten Menschen steht. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, welches Bild jetzt bei Ihnen im Kopf entsteht, wenn ich von einem HIV-positiven Menschen spreche. Aber ich schätze, dass es in der Regel ein homosexueller Mann sein wird. Da ist es irgendwo drin, das Vorurteil.

Sir Peter Ustinov hat gesagt:

Vorurteile, jeder Mensch hat sie, aber er hat einen Kopf, er muss ihn benutzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie bei Ab- geordneten der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächster erhält Herr Kollege Di Benedetto für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste! Offen gestanden muss ich sagen, habe ich den vorliegenden Antrag der GRÜNEN auf eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Hessen fördert Akzeptanz und Vielfalt – Homo- und Transphobie entgegentreten“ mit etwas Befremden – das gebe ich offen zu – zur Kenntnis genommen. Ich habe das mit Befremden getan, weil ich mich gefragt habe, ob es erst eines internationalen Tages bedarf, um anzuerkennen, dass in unserem Land Menschen tagtäglich z. B. aufgrund ihrer sexuellen Orientierung auf das Übelste diskriminiert werden, sei es in unseren Schulen, in Betrieben, sei es in öffentlichen Einrichtungen, auf der Straße oder anderswo.

Ja, wir haben in unserer, der zweitgrößten Einwanderungsgesellschaft – das haben wir gestern durch die Medien erfahren – ein immenses Problem mit Diskriminierung. Aber wie soll uns der Antrag diesbezüglich weiterhelfen?

Im Koalitionsvertrag steht – ich zitiere –:

Diskriminierung und Rassismus werden wir entschieden entgegentreten und die Anstrengungen … in einer Antidiskriminierungsstrategie bündeln.

Meine Damen und Herren der Koalition, das klingt auf Anhieb sehr gut. Das klingt es auch deswegen, weil durch diese Formulierung ein Zusammenhang zwischen Diskriminierung und Rassismus hergestellt wird.

Aber wo bleibt das schlüssige Gesamtkonzept einer Antidiskriminierungsstrategie, die nachhaltig wirken soll, und zwar für alle Diskriminierungsopfer und nicht nur für diejenigen, deren Leben aufgrund ihrer sexuellen Neigung ihnen zum Alptraum gemacht wird? Bisher ist diesbezüglich nicht viel zu sehen, außer einem medial pompös gestalteten Beitritt des Landes Hessen zur Koalition gegen Diskriminierung und die heutige Aussprache in der Aktuellen Stunde.

Ich will keinen Hehl daraus machen, dass es mir nicht einfach fällt, den vorliegenden Antrag als seriös anzusehen. Ich sehe in ihm eher einen weiteren, verzweifelten Versuch, von den Problemen dieser Koalition und den Differenzen in dieser Koalition, die sie hinsichtlich Antidiskriminierung und Rassismus ganz offensichtlich hat, abzulenken und es herunterzuspielen. Anders kann ich diesen Antrag nicht verstehen.

Ich will es wohlwollend formulieren: Mit ihm soll z. B. die mit Bedacht dosierte Zurückhaltung der GRÜNEN in Sachen der immer wiederkehrenden Ausfällen des Kollegen Irmer, die in meinen Augen alles andere als nicht diskriminierend sind – –

(Beifall bei der SPD)

Aber diese Ausfälle gibt es leider in regelmäßigen Abständen. Man könnte einen Wecker danach stellen. Oder liege ich etwa mit der Vermutung richtig, dass die bundesweit bekannten irmerschen Ausfälle integrale Bestandteile des politischen Gesamtkonzeptes der schwarz-grünen Koalition in Hessen sind?

(Manfred Pentz (CDU): Das ist schon ein bisschen frech!)

Meine Damen und Herren, ein weiterer Grund, warum es mir schwerfällt, den vorliegenden Antrag als seriös zu bezeichnen, hat auch mit der Art und Weise zu tun, wie die GRÜNEN und ebenso die Koalition mit dem Thema der NSU-Aufarbeitung in Hessen umgehen. Wie kann eine Koalition, die sich mit Händen und Füßen wehrt, die hessischen NSU-Vorkommnisse offen und transparent aufzuklären, ernsthaft daran interessiert sein, institutionell Diskriminierung zu bekämpfen?

(Manfred Pentz (CDU): Das ist teilweise unterirdisch! – Zuruf des Abg. Clemens Reif (CDU) – Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.)

Die Frage ist berechtigt. Solange diese Fragen nicht geklärt sind, wird es dieser Koalition ganz gewiss nicht gut gelingen, gerade in Sachen Antidiskriminierung überhaupt Glaubwürdigkeit zu erlangen.

Die Menschen da draußen lassen sich nicht beirren. Da hilft auch diese heutige Aussprache im Rahmen der Aktuellen Stunde nicht. Natürlich begrüßen wir Sozialdemokraten alle Anstrengungen und Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Diskriminierung zu verhindern und zu bekämpfen – auch wenn sie aus nur einem Diskriminierungsmerkmal resultieren, wie es heute bei dem vorliegenden Antrag der Fall ist.

Wir sollten allerdings nicht glauben, dass allein mit solchen Aussprachen oder mit dem Beitritt Hessens zur Koalition gegen Diskriminierung unser Bundesland in der Bekämpfung von Diskriminierung ernsthaft weiterkommen wird.

Wer es wirklich ernst meint mit einer wirkungsvollen Antidiskriminierung, kommt um ein Antidiskriminierungsgesetz des Landes nicht herum. Alles andere ist zwar wichtig und gut, aber es wird nicht reichen.

(Manfred Pentz (CDU): Thema völlig verfehlt!)

Wir haben in Deutschland zwar ein allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, das zum Beispiel Wege eröffnet, Diskriminierung rechtlich zu sanktionieren.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Ja, ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident.

Es greift allerdings nur in ganz wenigen Bereichen. Darum fordern wir Sozialdemokraten, dass die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen ein Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg bringen. Denn alles andere ist nur ein

Stopfen von Löchern. Damit kommen wir auch in Hessen nicht weiter. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Bevor ich Herrn Kollegen Wilken für die Fraktion DIE LINKE das Wort gebe, darf ich Frau Kollegin Neipp begrüßen, ehemalige Abgeordnete des Hessischen Landtags, jetzt auf der Tribüne. Schön, dass Sie wieder einmal hier sind.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Kollege Wilken.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind bei dem Thema Toleranz und Akzeptanz gegenüber Schwulen und Lesben oder gegenüber Menschen anderer sexueller Identität ein ganzes Stück weit gekommen, wenn man die letzten zehn, 20, 30 Jahre zurückdenkt – ich will gar nicht einmal von den letzten 70 Jahren reden. Aber – und darauf haben einige Vorredner bereits hingewiesen – wir haben auch noch ein ganzes Stück an Weg zu gehen.