Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

Deshalb sind die Verlagerung der Arbeitsplätze und die Schaffung neuer in der Fläche eines der Kernstücke der Offensive für den ländlichen Raum. Wir reden nicht nur darüber. Wir handeln. Wir machen das an einer ganzen Reihe an Orten.

Ich war letzte Woche mit dem Finanzminister in Nidda. Wissen Sie, was mich da am meisten beeindruckt hat? – Zum ersten Mal bringen wir dort richtig neue Ausbildungsplätze hin. Wir machen eine ganze Menge. Einzelheiten kann ich Ihnen wegen der Redezeit jetzt nicht vortragen.

Mich haben drei Dinge beeindruckt, die ich Ihnen nicht vorenthalten will. Der Bürgermeister und eine Mitarbeiterin haben auf die Frage: „Wie finden Sie das denn?“ gesagt: Wissen Sie, eines gefällt uns am meisten. Wir hatten den Eindruck, hier würden irgendwann einmal die Lichter ausgehen. – Jetzt zitiere ich: „Das ist ein Zeichen des Aufbruchs.“ Genau das müssen wir erreichen. Sie können sich einmal mit jemandem unterhalten, der heute in Nidda tätig ist. Er ist 23 Jahre lang nach Frankfurt zur Arbeit gefahren. Er hat mir erzählt: Ich habe früher dreieinhalb Stunden für den Weg von zu Hause zur Arbeit gebraucht. Heute brauche ich eine knappe halbe Stunde.

Das ist das, was wir wollen. Wir wollen den Menschen konkrete Perspektiven in ihrer Heimat geben. Das setzten wir Stück für Stück um.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So werden wir das fortsetzen. Wir werden mit den HessenBüros – neudeutsch heißt das Coworking Spaces – mehr Arbeitsplätze in der Fläche einrichten. Dort können die Leute arbeiten, und zwar unabhängig davon, in welchem Ministerium oder wo auch immer sie beschäftigt sind. Das ist ein Angebot an alle. Heute in Zeiten vieler Kommunikationsmöglichkeiten fahren sie dann vielleicht noch einmal nach Wiesbaden. Sie tun das aber nicht die ganze Woche. Das werden Sie in Kürze in Limburg besichtigen können. Es gibt also eine Vielzahl Dinge.

Wir haben eine Menge gemacht. Ganz nebenbei, das muss ich einfach einmal sagen: Der Straßenbau kommt allen zugute. – Die Wahrheit ist aber auch: Noch nie wurde in der Fläche so viel wie zurzeit für den Straßenbau ausgegeben. Auch das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man kann das alles einmal zusammenfassen. Ich finde, man könnte durchaus sagen: Das sind gute Ideen, lasst uns in einen Ideenwettbewerb eintreten.

Ich weiß nicht, wer für die SPD-Fraktion sprechen wird. Frau Kollegin Faeser, Sie haben da dann einen guten Ansatz.

(Günter Rudolph (SPD): Wir haben gute Redner!)

Ich habe hier einen Artikel der „Gelnhäuser Neuen Zeitung“ vom 27. Februar 2018. Die Überschrift lautet: „Offensive für ländlichen Raum ist Blendwerk“. So äußern sich die Bundestagsabgeordnete Müller und der von mir eigentlich sehr geschätzte Kollege Lotz.

(Günter Rudolph (SPD): Das stimmt alles! – Gegenruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU): Er musste das sagen!)

Hören Sie damit auf. Das ist zu billig. Wissen Sie, warum das so ist? Herr Kollege Lotz, ich lade Sie ein. Wen immer Sie wollen, ich nehme jeden mit. Dann nehmen wir diese beiden Überschriften. Da steht von der SPD, alles, was wir tun würden, sei Blendwerk. In der gleichen Zeitung aus

Gelnhausen steht: Es gibt 35 neue Stellen für Gelnhausen, die gut bezahlt und wohnortnah sind.

Meine Damen und Herren, ich biete Ihnen jede Wette an. Wir können eine Diskussion darüber führen, ob es richtig ist, dass wir die Arbeitsplätze zu den Menschen in die Fläche bringen, oder ob wir nur mäkeln wollen und dann schreiben, alles sei Blendwerk. Auf diese Diskussion freue ich mich. Wir werden sie gewinnen. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, die zwischen den Fraktionen vereinbarte Redezeit wurde um 9:30 Minuten überschritten. Damit wachsen der SPD-Fraktion, die ihre Redezeit noch nicht ausgeschöpft hat, drei Minuten hinzu. Sie hat also 13 Minuten Redezeit. Die anderen haben Anspruch auf fünf Minuten, da deren Redezeit ausgeschöpft war.

Als Nächster erhält Herr Kollege Schäfer-Gümbel für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich erst jetzt zu Wort gemeldet, weil ich zunächst hören wollte, was uns der Ministerpräsident angesichts der sogenannten Zukunftswochen noch zu sagen hat.

Der Kern dieser Debatte ist, dass die Union in diesen Tagen versucht, Probleme zu lösen, die es ohne die 19 Jahre Regierungszeit unter der Führung der Union in dieser Form gar nicht gäbe.

(Beifall bei der SPD)

Ich will ganz bewusst mit dem Punkt anfangen, den Sie eben angesprochen haben, nämlich dass Sie vor wenigen Tagen mit dem Kollegen Schäfer in Nidda waren – die Landespressekonferenz im Schlepptau –, um zu erklären, was Sie jetzt alles Großartiges für 1,8 Milliarden € in den nächsten Jahren für den ländlichen Raum machen wollen. Dabei ist völlig unstrittig, dass für den ländlichen Raum viel getan werden muss. – Dazu werde ich später etwas sagen.

Herr Ministerpräsident, das Spannende dabei ist, dass Nidda vor sieben Jahren schon einmal eine Rolle gespielt hat, und zwar bei genau dem Punkt, den ich anspreche. Damals haben Sie nämlich Entscheidungen getroffen, die ein Teil des Problems sind. Sie haben Amtsgerichte geschlossen.

(Nancy Faeser (SPD): Ja!)

Sie haben Stellen in der Fläche abgeschafft und zentralisiert.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommen Sie sieben Jahre später an denselben Ort zurück und lassen sich dafür feiern, dass Sie ungefähr im gleichen Umfang neue Stellen zurückbringen.

(Norbert Schmitt (SPD): Ja, das ist unglaublich!)

Deshalb sage ich: Sie versuchen jetzt – wenige Monate vor der Landtagswahl –, die Probleme zu lösen, die es ohne Sie gar nicht gegeben hätte.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Es geht nicht nur um die Stellen in Nidda und anderswo – wir können das jetzt auch im Rahmen der „Operation düstere Zukunft“ für viele Positionen im Land nicht nur in der Amtsgerichtsbarkeit, sondern auch an vielen anderen Stellen durchdeklinieren –, wo Sie seit 19 Jahren getreu den politischen Linien und Vorgaben von Roland Koch und Ihnen zentralisiert haben und den ländlichen Raum geschwächt haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Da kommen Sie jetzt – acht Monate vor der Landtagswahl – und erklären: Jetzt muss es aber anders werden. Jetzt müssten vergleichbare Lebensverhältnisse in Stadt und Land wiederhergestellt werden. – Ich sage Ihnen: Ich halte das für ziemlich mutig

(Nancy Faeser (SPD): Ja!)

angesichts Ihrer eigenen Bilanz im ländlichen Raum in den letzten Jahren.

Dann kommt Ihre ultimative Oberantwort. Damit das jetzt richtig gut funktioniert, wird es dazu eine Stabsstelle in der Staatskanzlei geben. Ich bin ziemlich sicher, dass Sie in den nächsten Wochen noch den einen oder anderen Wahlverlierer aus Ihren Reihen finden, den Sie anschließend auch noch auf diese Stabsstelle schieben können.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Ei, ei, ei!)

Aber wenn Sie sich nach 19 Jahren Regierungszeit hierhin stellen und davon sprechen, dass man jetzt einmal ausgetretene Pfade verlassen müsse, dass man neue Ideen brauche, dann, finde ich, haben Sie damit sogar ausdrücklich recht. Aber es ist auch eine bezeichnende Bilanz für das, was Sie in 19 Jahren hier angestellt haben.

(Beifall bei der SPD)

Nach den Bemerkungen von Frau Knell, die ich an vielen Stellen außerordentlich zielführend und richtig fand, und denen von Frau Schott kann ich mir hier an vielen Stellen einiges sparen. Ich will uns heute auch gar nicht mehr in jedes Detail entführen.

Aber ein paar Bemerkungen will ich in der Sache schon machen. Ich habe eben schon auf die „Operation düstere Zukunft“ hingewiesen, mit ihren Kürzungen in der ländlichen Regionalentwicklung und im Dorferneuerungsprogramm, später mit den Erschwernissen für private Investitionen im ländlichen Raum, dem Abzug von Dienststellen aus dem ländlichen Raum und damit verbunden der strukturellen Schwächung des ländlichen Raums einschließlich der ganzen Verschiebungen, die Sie bei allen möglichen Behörden in Hessen gemacht haben, einschließlich der Veränderungen – da sind wir möglicherweise ideologisch unterschiedlicher Auffassung im politisch Grundsätzlichen – und der Einschränkung in der Hessischen Gemeindeordnung für die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, was gerade in ländlichen Regionen für die Daseinsvorsorge ein zentrales Momentum ist.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Gabriele Faul- haber (DIE LINKE))

Das geht bis hin zu Ihren ständigen Änderungen der Förderquoten zur Dorferneuerung, wozu Sie bis heute kein

wirkliches Konzept haben. Dieses Programm ist vielmehr nach wie vor ein Verschiebebahnhof. Sie ändern dort alle zwei Jahre etwas kolossal und glauben dann, damit eine Struktur zu schaffen, mit der Sie irgendetwas erreichen. Ich sage Ihnen: Nach 19 Jahren haben Sie aus meiner Sicht jeden Anspruch verloren, noch irgendeine zukunftsfähige Antwort für den ländlichen Raum in Hessen zu beschreiben.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Das ist unglaublich!)

Dazu kommt – auch das kann ich Ihnen heute nicht ersparen –, dass Sie bei Ihrer Haushalts- und Finanzpolitik mit den Einschränkungen von Investitionsmöglichkeiten der Kommunen mit dafür gesorgt haben, dass sich die Investitionsschwäche auf der kommunalen Seite weiter ausweitet. Da können Sie jetzt gerne weiterhin von der Hessenkasse und anderen Instrumenten reden. Das werden Sie auch in den nächsten Wochen tun.

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Aber ich will auch dazu sagen: Auch das ist ein Instrument, das Sie geschaffen haben, um die Probleme zu lösen, die Sie vorher selbst angerichtet haben.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE))

Kommunale Selbstverwaltung, so wie Sie sie in den letzten 19 Jahren an ganz vielen Stellen verantwortet haben – wir wissen, dass das in der jeweiligen Koalition auch immer umstritten war, was Sie hier veranstalten –, heißt am Ende, dass die Kommunen letztlich darüber zu entscheiden haben und entscheiden können, ob sie ihr Schwimmbad schließen oder Vereinsförderung streichen. Das bleibt nach wie vor das Kernproblem.