Protokoll der Sitzung vom 28.02.2018

Es ist auch klar, Frau Müller – lassen Sie mich lügen –, seit 2007, glaube ich, ist das Verhältnis zwischen ÖPNV und kommunalem Straßenbau ungefähr 50 : 50. Das, was Sie machen, ist nichts Neues, es ist kein Paradigmenwechsel.

(Beifall bei der FDP)

Das Einzige, was Sie machen, meine Damen und Herren, ist, dem Ganzen ein neues Etikett aufzukleben.

Herr Kollege Frankenberger hat Ihnen schon klar gesagt, worum es hier geht. Es waren die Entflechtungsmittel – klar, aus der Föderalismuskommission –, und es ist auch gut, dass der Bund klargemacht hat, wer eigentlich wofür zuständig ist, und diese Finanzierungssysteme entflochten hat. Das jetzt sozusagen so zu etikettieren nach dem Motto, das wären jetzt Landesmittel –

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, das ist dreist!)

Herr Al-Wazir, da muss man schon ein bisschen Chuzpe haben, um das hier so darzustellen.

Es ist schon klar: Sie hätten solch ein Gesetz nicht machen müssen, Sie hätten diese Gelder, diese 100 Millionen €, auch für etwas anderes verwenden können.

(Michael Boddenberg (CDU): Ach ja!)

Herr Boddenberg, das wäre ja fast so, als hätten Sie dem Fass den Boden ausgeschlagen, wenn Sie das gemacht hätten. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen,

(Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- denten)

dass Sie überhaupt darüber nachdenken, den Kommunen diese 100 Millionen € zu entziehen. Meine Damen und Herren, das wäre ja nahezu eine Unverschämtheit gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Also jetzt die Festschreibung im Gesetz. Und es wird Sie nicht überraschen: Wir werden Ihren Gesetzentwurf sogar mittragen,

(Beifall bei der FDP)

weil er in der Sache richtig ist und den Kommunen Planungssicherheit bietet.

Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt einmal in die Städte und Gemeinden fahren und sich mit dem Bürger auf der Straße unterhalten, dann hören Sie von ihm: In der einen Straße sind die Löcher – da weiß er nicht, wie er damit klarkommt; das kann er sich überhaupt nicht erklären –, auf der anderen Seite wird eine nahezu intakte Straße komplett first class saniert. Warum? – Das eine ist eine Bundesstraße, das andere ist eine Kommunalstraße. Der Bürger auf der Straße kennt sich damit nicht aus, was Baulastenträgerschaft anbelangt. Der macht da keine Unterschiede.

Klar ist: Wir haben einen erheblichen Sanierungsbedarf im kommunalen Straßenbau. Jetzt gehen Sie hin und schreiben – das ist das, was Sie eben kurz erwähnt haben – neue Akzente hinein.

Das kann man ja alles machen, dass man da jetzt auch Fahrradkonzepte, Stellplätze, Carsharing – alle Modelle – noch mit hineinnimmt, aber die 333 Millionen € sind jetzt schon überzeichnet. Jetzt schon ist zu wenig Geld da.

Frau Müller, das finde ich ja herzallerliebst, dass Sie jetzt auch noch sagen, damit würde man jetzt auch noch die Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken mitfinanzieren können. Na, da bin ich einmal gespannt, wie Sie das mit den paar Kröten hinbekommen wollen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Da fehlt mir also völlig die Fantasie; es sei denn, Sie wollen den Kommunen eben nicht die Gelder für die Sanierung der Kommunalstraßen zur Verfügung stellen. Dann würde wieder ein Schuh daraus.

Dann dreht sich die Diskussion wieder einmal darum, dass Sie einen anderen Schwerpunkt setzen als die FDP oder auch die Sozialdemokraten hier im Haus. Sie geben dem Straßenbau eine klare Abfuhr und fördern lieber grüne Prestigeprojekte, wozu dann auch so etwas wie Reaktivierung von Schienenstrecken gehört. Meine Damen und Herren, damit verschärfen Sie die Situation beim kommunalen Straßenbau in einer, wie ich meine, nicht zulässigen Art und Weise. So richtig wir diese Gesetzesinitiative finden, so genau werden wir hinschauen, was Sie mit dem Geld machen werden. Ich kann es nicht nachvollziehen.

Herr Al-Wazir, in einer Kleinen Anfrage habe ich Sie gefragt: Welchen Sanierungsbedarf haben wir denn eigent

lich beim kommunalen Straßenbau? – Ihre Antwort war: Wissen wir nicht. – Dann habe ich Sie gefragt: Welchen Bedarf haben wir denn eigentlich beim ÖPNV? Was kostet denn das tatsächlich vor Ort? Sagen Sie doch einmal, wie viel Geld müssten wir eigentlich zur Verfügung stellen. – Die Antwort aus Ihrem Haus: Wissen wir nicht.

Aber das, was Sie wissen, ist, dass Sie auf den Bedarf oben immer noch mehr draufpacken, um Ihre Lieblingsprojekte politisch umzusetzen und das am Ende auch noch verkaufen zu können. Meine Damen und Herren, dass da irgendwo die Landtagswahl im Oktober eine Rolle spielt – ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

Meine Damen und Herren, wir werden den Gesetzentwurf mittragen, aber wir werden auch genau hinschauen, wofür Sie das Geld am Ende ausgeben wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Kollege Lenders. – Das Wort hat der Abg. Uli Caspar, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind froh, dass die Landesregierung diesen Gesetzentwurf eingebracht hat. Er hat nicht nur den richtigen Inhalt, sondern er kommt auch zur richtigen Zeit. Denn es ist nun einmal so, dass derzeit die Mittel für diesen Bereich der Mobilität den Kommunen vom Bund bereitgestellt werden und dass der Bund aufgrund der Entflechtungsregelungen das in Zukunft eben nicht mehr machen wird, sondern hier – wie für viele andere Dinge auch – einen Teil seiner Mittel unmittelbar den Ländern gibt. Die Länder entscheiden dann, was sie damit machen.

Insoweit, Herr Frankenberger, ist das, was Sie hier ausgeführt haben mit den 27.000 €, absurd. Ich meine, Sie können hier doch wohl nicht ernsthaft die Meinung vertreten, dass ein Gesetz gemacht würde, weil es jährlich um 27.000 € ginge. Wie absurd diese Argumentation ist, müssen Sie doch selbst erkennen. Ich glaube nicht, dass jemand, der sich ernsthaft damit beschäftigt, Ihr Argument überhaupt aufnehmen kann.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Worum geht es? – Im Rahmen der Finanzvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern ist festgehalten worden, dass für viele Einzelprogramme nicht mehr der Bund zuständig ist, der Bund den Ländern größere Anteile des Steueraufkommens gibt und die Länder selbst entscheiden können, wofür das Geld ausgegeben wird. Das betrifft nicht nur den Verkehr, sondern auch die Bildung und weitere Bereiche. Ich bin sehr froh darüber, dass das Land Hessen durch die Vorlage dieses Gesetzentwurfs entschieden hat, dass ein fester Anteil dieser Gelder, die in Zukunft aus dem Steueraufkommen beim Land Hessen landen, den Kommunen zur Verfügung gestellt wird, um die Mobilität weiter zu verbessern.

Herr Lenders, Sie haben bestimmte Sorgen geäußert, wofür das Geld verwendet wird. Auch da hilft ein Blick in den vorgeschlagenen Gesetzestext. Wir haben einige Formulierungen aufgenommen, die, so glaube ich, überhaupt nicht

dem entsprechen, was Sie hier angeführt haben. Sie können das selbst nachlesen. In § 3 Nr. 2 des Gesetzentwurfs werden die förderfähigen Vorhaben im kommunalen Straßenbau aufgeführt, z. B.

(Jürgen Lenders (FDP): Ich habe es gelesen, Herr Caspar!)

der Bau oder Ausbau verkehrswichtiger innerörtlicher und zwischenörtlicher Straßen, Kreisstraßen, Verkehrsbeeinflussungssysteme, Lichtsignalanlagen, Parkleitsysteme, Systeme der digitalen Parkraumbewirtschaftung und der Bau von Quartiersgaragen. Das erwähne ich, weil es in den bisherigen Reden noch nicht genannt worden ist.

Herr Kollege Caspar, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenders?

(Ulrich Caspar (CDU): Gerne!)

Bitte, Herr Kollege Lenders.

Herr Kollege Caspar, sind Sie sich darüber im Klaren, dass es sich hier um eine Rahmengesetzgebung handelt und im Ministerium darüber entschieden wird, wer wofür wie viel Geld bekommt?

Herr Kollege Caspar.

Ich bin mir dieser Tatsache bewusst – Sie hoffentlich auch. Dann verstehen wir beide den Gesetzentwurf richtig. Ein Gesetz gibt immer einen gewissen Rahmen vor – dieses eben auch. Es ist dann Sache der Kommunen, für die jeweiligen Projekte Anträge einzureichen. Herr Lenders, auch Sie sind im kommunalen Bereich unterwegs. Insoweit kann ich nur anregen, dass Sie Anträge stellen, wenn Sie entsprechende Projekte haben, damit eine entsprechende Förderung stattfinden kann.

„Förderung“ heißt natürlich nicht immer, dass alles, was beantragt wird, zu 100 % bezahlt wird. Förderung kann eben auch in Form einer Bezuschussung erfolgen. Aber auch das wird im Einzelfall helfen. Bei dem Gesetzentwurf geht es nicht darum, dass wir eine bestimmte Summe festschreiben, sondern wir schreiben eine Mindestsumme fest, nämlich 100 Millionen € pro Jahr. Die Mindestsumme macht insoweit Sinn, weil wir alle nicht wissen, wie die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land weitergeht, wie hoch die Steuereinnahmen sein werden, welche Möglichkeiten uns zur Verfügung stehen. Wir werden aber eine Summe von 100 Millionen € festschreiben, damit die Kommunen eine gewisse Planungssicherheit und auch die Möglichkeit haben, schon heute Förderanträge für Projekte zu stellen, die erst im Jahre 2020 oder später beginnen werden. Ich glaube, das ist eine gute gesetzliche Grundlage dafür. Die 100 Millionen €, die den Kommunen in Zukunft auf einer sicheren Grundlage zur Verfügung stehen werden – was auf der kommunalen Seite sehr begrüßt wird –, sind wichtig und gut für die Mobilität in Hessen.

Deswegen wird der Gesetzentwurf unsere Unterstützung finden. Ich freue mich auf die weitere Beratung im zuständigen Ausschuss.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Caspar. – Das Wort hat Frau Abg. Janine Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist überfällig; denn, wie Sie gesagt haben, Herr Minister, zum Ende des kommenden Jahres laufen aufgrund der Föderalismusreform die Entflechtungsmittel des Bundes für Verkehrsinvestitionen aus. Die Städte und Gemeinden brauchen dringend Planungssicherheit, weil Verkehrsvorhaben natürlich langfristig geplant werden. Daher haben viele andere Bundesländer schon in den letzten zwei Jahren ähnliche Gesetze beschlossen. Wir Hessen sind eher spät dran. Die Kommunen brauchen aber dringend Planungssicherheit, und zwar über 2019 hinaus. Deshalb ist es richtig, dass dieser Gesetzentwurf endlich eingebracht wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Finanziell ist das Ganze eher unspektakulär und ein Nullsummenspiel aus der Kategorie „linke Tasche – rechte Tasche“. Die Bundesmittel aus dem Entflechtungsgesetz fallen weg. Das Land wird zuständig und erhält ab dem Jahr 2020 die Mittel in gleicher Höhe über die Umsatzsteuer zusätzlich vom Bund.

Eigentlich ist das alles relativ unstrittig, aber über die Art der Einbringung des Gesetzentwurfs war ich in der Tat etwas überrascht, weil es nämlich nicht so ist, dass zusätzliche Landesmittel in den ÖPNV fließen, wie es Frau Müller behauptet hat. Es ist doch selbstverständlich, dass Sie das Geld weiterleiten. So war es doch vereinbart. In der Summe gibt es auch gar nicht mehr Geld als bisher. Die zusätzlichen Mittel aus der Umsatzsteuer sind zwar formal nicht zweckgebunden, aber es ist doch so vereinbart, dass sie weitergeleitet werden. Man braucht sich doch nicht dafür zu rühmen, dass man Vereinbarungen einhält und den Kommunen das Geld weiterleitet.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)