Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

Kolleginnen und Kollegen, bevor ich Herrn Bocklet das Wort erteile, möchte ich den ehemaligen Kollegen Peter Stephan auf der Tribüne begrüßen. Guten Morgen.

(Allgemeiner Beifall)

Herr Bocklet, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich bei meiner Kollegin und Vorrednerin bedanken. Frau Heitland, Sie haben sehr viele Fakten aufgezählt und gezeigt, dass es für Alarmismus keinen Grund gibt.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Die Ausbildung für Jugendliche ist für uns eine Daueraufgabe. Da werden Sie mir zustimmen. Jedes Jahr gibt es Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz suchen. Jedes Jahr gibt es Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu finden. Es gibt keinen Automatismus dafür, dass dieses Land so gut aufgestellt ist. Man muss jeden Tag dafür kämpfen, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz findet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich will noch etwas zu unserer Position sagen. Darüber sind wir in diesem Haus eigentlich nicht im Streit. Eine gute Ausbildung ist für alle Jugendlichen eine zwingend notwendige Grundlage für ein Berufsleben und ein Einkommen und damit für ein selbstständiges Leben in unserer Gesellschaft. Deshalb wollen wir – das haben die Sozialdemokraten nicht für sich beschlossen, sondern wir haben das vor fünf Jahren im Koalitionsvertrag festgehalten –, dass alle Jugendlichen einen Abschluss erhalten. Jedem Jugendlichen soll eine Ausbildungsstelle angeboten werden.

Das ist nicht nur ein bildungspolitisches, ein sozialpolitisches Muss. Nein, ich gehe sogar ein Stück weiter und sage: Das ist ein gesellschaftliches Muss. Es ist ein Muss, weil es zu einer gerechten Teilhabe an der Gesellschaft beiträgt und, gerade in Stadtteilen mit erhöhten sozialen Problemen und bildungsferneren Jugendlichen, dazu führt, dass wir überhaupt erst einen dauerhaften sozialen Zusammenhalt bekommen. Über dieses Ziel darf es in diesem Haus keine Zweifel geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Was ist die Situation? Ich würde sie gerne aus einer anderen Perspektive beleuchten wollen, als es Frau Kollegin Gnadl von der SPD getan hat.

Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit über die Situation von Auszubildenden vom Februar 2018 sind wie folgt: 42.000 Bewerber sind gemeldet, und 40.000 von ihnen sind versorgt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Aber wo?)

Moment, Frau Kollegin, dazu komme ich gleich. – 40.000 von 42.000 sind versorgt: Können wir in diesem Haus nicht erst einmal die Größe haben, festzustellen, dass damit, 40.000 Jugendlichen eine gute Ausbildung zu geben, ein Kraftakt gelungen ist? Ist das nicht eine gute Nachricht? Kann man darüber Einigkeit erzielen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Nein! Die Zahlen stimmen nicht!)

Es gibt 1.800 unversorgte Jugendliche – richtig. Das kann man auch nicht schönreden. Keiner will das. Man muss es sich nur sehr genau anschauen; denn – jetzt kommt die Überraschung – wir haben gleichzeitig 2.600 offene Ausbildungsstellen. Dann weiß doch der Geneigte, der sich

nicht täglich damit beschäftigt – Frau Kollegin Wissler, Sie vielleicht auch –: 1.800 unversorgte Jugendliche, 2.600 offene Ausbildungsstellen. Wie passt das zusammen?

(Janine Wissler (DIE LINKE): Die Zahlen stimmen doch gar nicht!)

Nein, Frau Wissler, wenn eine bestimmte Situation komplex wird, eignet sie sich eben nicht für Oppositionsrhetorik, sondern man muss genau hinschauen, was man tut, und darf nicht einfach nur schreien: Skandal, Skandal. – Das ist das Schwierige daran.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir haben deshalb im Bündnis Ausbildung Hessen festgehalten:

Erstens. Wir wollen die schulische Laufbahn so erleichtern, dass sie alle Jugendlichen zu Abschlüssen führt. Wir wollen, dass der Abschluss so gut ist, dass die Auszubildenden eine passende Ausbildung finden. Das ist doch keine Selbstverständlichkeit. Wir wissen, wie viele Jugendliche in Schulen diese Probleme haben, einen guten Abschluss zu bekommen. Das negiert doch keiner, aber man muss es bearbeiten und darf nicht nur „Skandal“ schreien.

Zweitens. Wir wollen die Übergänge nach der Schule optimieren. Das sogenannte Matching muss verbessert werden, damit die Jugendlichen so beraten werden, dass sie den richtigen Ausbildungsplatz finden. Bei gering vorqualifizierten Jugendlichen wollen wir die Ausbildung begleiten, damit die Abbrecherzahl – auch das ist ein Problem – weiter reduziert wird.

Ich habe es schon gesagt: Mit dem Bündnis Ausbildung Hessen haben wir faktisch eine Ausbildungsgarantie gegeben; denn jedem Jugendlichen, der das möchte, soll eine duale Ausbildungsstelle angeboten werden. Nur, was passiert, wenn dieser Jugendliche sie nicht annehmen kann oder die Unternehmen sagen: „Diesen Jugendlichen können wir nicht nehmen“? Da bedarf es eines Bündels von Maßnahmen. Dazu möchte ich Ihnen gerne etwas sagen: Was sind die Fakten? Was tut das Land dafür? Sie haben versucht, das Bild zu malen, dass das Land zu wenig tut. Das wird Ihnen nicht gelingen.

Allein über 27 Millionen € Landesmittel gibt das Land im Zusammenhang mit dem Bündnis Ausbildung Hessen aus. Ich nenne zwei Posten: Ausbildungskostenzuschuss und das Ausbildungsbudget. Wenn ich die schulische Vorbereitung – BGJ, BVJ oder die Berufsfachschulen – dazunehme, kommen noch einmal rund 117 Millionen € dazu. Frau Gnadl, was wir nicht vergessen dürfen, sind die Angebote der Bundesagentur für Arbeit für U 25.

(Lisa Gnadl (SPD): Ich habe doch gar nicht gesagt, dass es zu wenig Geld ist!)

Hier werden auch noch einmal 30 Millionen € für Ausbildungsgänge, z. B. BvB, Einstiegsqualifizierung und vieles mehr, ausgegeben. Es werden Hunderte von Millionen in eine Fülle von Maßnahmen, die alle sinnvoll sind, investiert. Die Sache wird nicht einfacher, weil wir die Jugendlichen – so, wie sie sind – zunächst nur mühsam, langsam verändern können. Wir müssen das individuell bearbeiten, damit jeder Jugendliche ein passendes Angebot bekommt.

Wie wird das so? Ich habe betont, dass es nicht einfach ist und dass die Integration nicht jedem Jugendlichen gelingt. Deswegen muss man eine Kooperation mit mehreren ande

ren Partnern eingehen. Das ist im Land Hessen passiert. Ich möchte dazu sechs Beispiele aufführen: die „Qualifizierte Ausbildungsbegleitung in Betrieb und Berufsschule“ – Frau Kollegin hat es gesagt: QuABB –; das Ausbildungsplatzprogramm oder das Hauptschülerprogramm.

Die „Initiative Bildungsketten“ verbessert die Berufsorientierung, den Übergang und die Begleitung während der Ausbildung; denn die Jugendlichen brauchen in dem Übergang von Schule und Beruf Unterstützung. Nicht zu vergessen, wir haben die OloV-Strategie im Rahmen der Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit. Das ist ein extrem wichtiges Projekt; ich selbst habe einigen Fachtagungen beigewohnt. Die OloV-Strategie, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, den Kommunalen Spitzenverbänden und der Regionaldirektion Hessen, ist ganz wichtig. Das Problem ist erkannt und wird bearbeitet.

Ich möchte das nächste Beispiel nennen: die Berufsfachschule zum Übergang in Ausbildung – die berühmte BÜA –, die jetzt als Modell läuft und bei der es hoffentlich bald gelingt, sie zur flächendeckenden Perspektive zu machen.

Wir haben uns außerdem darum gekümmert, dass 3 Millionen € zur inklusiven Förderung von Jugendlichen ausgegeben werden.

Lassen Sie mich als nächstes Beispiel „Joblinge“ erwähnen. In Hessen haben bereits mehr als 1.000 Jugendliche dank „Joblinge“ ihren Weg in Ausbildung oder Arbeit gefunden. Das ist eine gemeinnützige Initiative, die bürgerschaftliches Engagement zahlreicher Partner aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bündelt, damit benachteiligte Jugendliche einen guten Weg in die Arbeitswelt gehen.

Sie sehen also, es passiert unheimlich viel. Es wird dort unheimlich viel Geld investiert. Deswegen finde ich, es gibt keinen Grund für Alarmismus, es gibt keinen Grund für Skandalisierung. Es gibt aber auch keinen Grund, sich darauf auszuruhen, weil wir wissen, dass das junge Menschen mit unterschiedlichen Problemlagen sind.

Wir wollen ihnen von Beginn an einen guten Unterricht zukommen lassen, damit sie überhaupt einen Schulabschluss schaffen. Wenn ihnen das nicht gelingt, wollen wir ihnen dabei helfen, dass sie eine Einstiegsqualifizierung, eine Berufsvorbereitung im Übergangssystem bekommen; denn wir wollen sie zielführend zu Abschlüssen führen. Dort, wo es tatsächlich notwendig ist, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden, wollen wir entweder eine überbetriebliche Ausbildung finden, oder sie kommen in eine begleitete Ausbildung. All das ist ein rundes Bild, das die Politik in Hessen – CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – abgibt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Essenziell war für Sie die Verankerung der Berufsorientierung. Dazu möchte ich Ihnen sagen, dass das im Schulgesetz schon vorgesehen ist. Sie fordern auch Produktionsschulen. Auch das wurde im neuen Schulgesetz verankert. Ich glaube, auch das bleibt eine Daueraufgabe; auch das lässt sich sicherlich von Beginn an verbessern.

Wenn ich noch etwas zu dem, was die SPD fordert, sagen darf: Laut ihrem Antrag will die SPD die berufliche Qualifikation für jeden jungen Menschen besser verankern. Die duale Ausbildung soll bei Bedarf weiter ergänzt werden,

z. B. durch Produktionsschulen. Statt einer unübersichtlichen Förderlandschaft will sie deshalb jungen Menschen ohne Ausbildungsperspektive Hilfe aus einer Hand bieten. Schließlich will sie diese Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüfen.

All das passiert schon, mehr noch, es ist in Gesetzen verankert. Das, was ich eben zitiert habe, steht im Landtagswahlprogramm der SPD für die Jahre 2019 bis 2025. Ich sage Ihnen zum Abschluss meiner Rede: Guten Morgen, liebe SPD, wir machen schon viele Jahre das, was Sie für die Zukunft wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Wissler, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist nach wie vor angespannt. Deshalb ist es gut, dass wir heute im Landtag über dieses wichtige Thema diskutieren.

Während immer mehr Unternehmen über Fachkräftemangel klagen, sinkt die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit Jahren. Auch hier stelle ich wieder einmal fest, dass das Weltbild der schwarz-grünen Koalition in einem krassen Widerspruch zur Wirklichkeit steht.

(Michael Boddenberg (CDU): Zu Ihrer Wirklichkeit!)

Sie haben Ihren Antrag mit den Worten überschrieben „gute Bedingungen für Auszubildende in Hessen“, dabei sieht es in Hessen besonders düster aus für junge Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen.

(Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit, das ist so ein Unsinn!)

Sie schreiben in Ihrem Antrag allen Ernstes:

Weil jede und jeder bei uns eine Chance auf Ausbildung erhält, haben wir im Land Hessen de facto eine Ausbildungsgarantie.

(Michael Boddenberg (CDU): Wollen Sie das bestreiten? – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE): Hören Sie doch einmal zu! – Michael Boddenberg (CDU): Das tut einem körperlich weh! – Glockenzeichen der Präsidentin)

Ich sage Ihnen: Das ist ein Hohn gegenüber den Tausenden Bewerberinnen und Bewerbern, die unversorgt bleiben, gegenüber den Tausenden in den Übergangssystemen und gegenüber den Tausenden sogenannten Altbewerbern.