Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend zehn Jahre „Duales Studium Hessen“ ist eine Erfolgsgeschichte – Drucks. 19/6165 –

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend duales Studium stärken – Fachkräftemangel entgegenwirken – Land Hessen als Arbeitgeber gefordert – Drucks. 19/6191 –

Erster Redner ist Kollege Hofmeister für die Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen veröffentlichte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag eine Studie, die auf zunehmende Belastungen für unsere Wirtschaft durch den Fachkräftemangel hinweist. In der Studie wird auf sinkende Wachstumspotenziale und auf Hemmnisse für Investitionen und Innovationen hingewiesen. Als einen Hauptgrund für diese Entwicklung führt die Studie den demografischen Wandel an. So sagte der stellvertretende DIHKHauptgeschäftsführer Achim Dercks kurz und knapp: „Wir haben einfach zu wenige Leute.“

(Vizepräsident Frank Lortz übernimmt den Vorsitz.)

Daher müssten sich die Unternehmen mittels verschiedener Maßnahmen dem Wettbewerb um Arbeitnehmer stellen, sei es durch Steigerung der Attraktivität der Unternehmen oder durch eine frühzeitige Gewinnung potenzieller Fachkräfte. Diese kurze Problembeschreibung richtet sich aber nicht nur an die Wirtschaft, sondern selbstverständlich auch an die Politik auf allen Ebenen. Sie muss die Rahmenbedingungen so weiterentwickeln, dass junge Menschen einen möglichst guten und passgenauen Einstieg in die Berufswelt finden.

In den vergangenen Debatten, auch in der Debatte heute Morgen, haben wir uns unter anderem über die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Ausbildung, über die notwendige und weiter zunehmende Durchlässigkeit zwischen diesen beiden Wegen und auch über die Frage ausgetauscht, wie man jungen Menschen eine Orientierung geben kann, wenn die Erwartungen an ein Studium nicht erfüllt werden und möglicherweise ein Studienabbruch und ein Umstieg aus dem akademischen in das berufliche Bildungssystem angezeigt sind. Das ist eine Aufgabe, der sich unsere Hochschulen gemeinsam mit den Kammern zunehmend stellen und für die sie neue Konzepte entwickeln.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Arbeitswelt ist durch die demografische Entwicklung und nicht zuletzt durch die Digitalisierung einem Wandel unterworfen, der bei der Gewinnung und Sicherung von Fachkräften sowie deren Weiterbildung – diesen Aspekt darf man nicht vergessen – neben den klassischen Ausbildungswegen im akademischen und dualen beruflichen Bereich neue, innovative Ansätze erfordert. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist die Dachmarke „Duales Studium Hessen“, die wir heute – das ist unser Setzpunkt – als Erfolgsmodell in den Mittelpunkt der Debatte stellen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dual Studierende profitieren von der engen Verbindung von theoretischem Fachwissen und der Praxis im Betrieb. Dieser besondere Ausbildungsweg kombiniert auf einmalige Weise die akademische Ausbildung im Rahmen eines

Studiums mit den hohen Praxisanteilen der betrieblichen Praxis. Als Abgeordneter aus Mittelhessen, aus dem Landkreis Limburg-Weilburg, konnte ich in den letzten Jahren viele Teilnehmer am dualen Studienmodell StudiumPlus der Technischen Hochschule Mittelhessen kennenlernen. Bei Firmenbesuchen in der Region trifft man zunehmend auf dual Studierende der THM und auch auf erfolgreiche Absolventen von StudiumPlus. In Gesprächen mit Unternehmensleitungen hört man fast immer von einer großen Zufriedenheit mit diesem Angebot.

In den Gesprächen kommen immer wieder die Auswirkungen der sich stark verändernden Arbeitswelt und die schon in den vergangenen Jahren gestiegenen Anforderungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten zur Sprache. Wir alle wissen es und erleben es bei unseren Terminen in den Wahlkreisen, dass auf allen Qualifizierungsebenen neben dem Fachwissen zunehmend auch eine größere Selbstständigkeit und eigenverantwortliches Handeln gefragt sind. Der Bedarf der Unternehmen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit aktuellem Wissen auf akademischem Niveau nimmt weiterhin zu, ob es uns passt oder nicht passt.

Diese Entwicklungen machen, wie bereits angeführt, eine bessere Durchlässigkeit zwischen der beruflichen und der akademischen Bildung sowie eine stärkere Praxisorientierung der Studieninhalte erforderlich. Das duale Studium ist für die Unternehmen wie für die Studierenden eine Antwort hierauf. Es verzahnt wissenschaftliche Fundierung und betriebliche Praxis miteinander und schlägt auf diese Weise eine tragfähige Brücke zwischen beruflicher und akademischer Bildung. Das ist ein sehr gutes Modell, ein Erfolgsmodell, auch hier in Hessen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Qualifizierte Nachwuchskräfte sammeln möglichst früh Praxiserfahrungen in einem Unternehmen. Die Unternehmen sichern sich aktuelles theoretisches Fachwissen, können die dual Studierenden frühzeitig an sich binden und damit den eigenen Fachkräftebedarf decken. Die Erfahrungen zeigen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den Weg eines dualen Studiums gegangen sind, oftmals eine hohe Identifikation mit ihrem Betrieb entwickeln. Auch das ist in einer Zeit des Kampfes um Fachkräfte ein wichtiger Faktor für die Unternehmen.

Zudem entsteht durch das Modell naturgemäß eine enge Verbindung zwischen den Unternehmen und Hochschulen. Das sollte man angesichts unseres erfolgreichen LOEWEProgramms nicht vergessen. Das ist in Zeiten des Wissensund Technologietransfers eine besonders positive Nebenwirkung dieses Modells.

Ich darf daher feststellen, dass das duale Studium einen Austausch sichert, von dem alle Beteiligten profitieren. Das zeigte sich in den letzten zehn Jahren. Die Kampagne „Duales Studium Hessen“ feiert in diesem Jahr ihren zehnten Geburtstag. Sie stellt eine Dachmarke für aktuell rund 130 duale Studienmöglichkeiten in Hessen dar.

Hessen hat frühzeitig einheitliche Qualitätsanforderungen entwickelt, in denen Aussagen zur Regelung des Praxisumfangs, zur Anrechnung von ECTS-Punkten für Leistungsnachweise in der Praxisphase und zur Bildung von Gremien zwischen Bildungsanbietern und Praxispartnern getroffen werden. Diese Qualitätsanforderungen sind Beispiele für die Rahmenbedingungen, von denen ich vorhin sprach, die die Politik mit ihren Partnern in Wissenschaft und

Wirtschaft setzen kann, um ein bereits sehr gut entwickeltes Ausbildungssystem erfolgreich weiterzuentwickeln. Die Einbindung regionaler Unternehmen als tragende Säulen in die Gesamtkonzeption des dualen Studiums bringt zudem den Ertrag, Fachkräfte zu sichern bzw. passgenau heranzuziehen sowie gerade für junge Menschen im ländlichen Raum weitere attraktive Zukunfts- und Berufsperspektiven zu eröffnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die Unternehmen wiederum ist eine Einbindung in duale Studienangebote ein Kriterium für die Standortsicherung, da die Nachwuchs- und Fachkräfteentwicklung über diese Modelle erleichtert wird.

Lassen Sie mich die enge Verbindung zwischen den Hochschulen und den Unternehmen an einem Beispiel deutlich machen. Inzwischen weist das bereits erwähnte duale Studienangebot StudiumPlus der Technischen Hochschule Mittelhessen am Campus Wetzlar und den sechs Außenstellen in Bad Hersfeld, Bad Vilbel, Bad Wildungen, Biedenkopf, Frankenberg und Limburg nach letzten Angaben der Hochschule über 1.325 Studierende auf.

(Beifall bei der CDU)

Gemeinsam mit der THM sind 750 Partnerunternehmen aktiv, um diese Erfolgsgeschichte fortzuschreiben. Diese hohe Zahl von Unternehmen ist ein guter Beleg für die bereits angeführte enge Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft.

Eine kleine Bemerkung zu dem Konzept der Außenstellen der THM bzw. von StudiumPlus möchte ich mir noch erlauben. Die Standortkommunen werden durch die Außenstellen nicht zu Hochschulstädten oder gar Universitätsstädten, wie es in der ersten Euphorie manchmal in den Medien zu lesen oder in der einen oder anderen Debatte vor Ort zu hören war. Die Außenstellen sind aber lohnende Elemente, um eine attraktive Bildungslandschaft in der Fläche und eine wohnortnahe akademische Ausbildung für junge Menschen anzubieten. Auch das ist ein Beitrag, um in der Fläche, im ländlichen Raum eine breite Bildungslandschaft zu sichern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir können allen Akteuren aus den Hochschulen, den Berufsakademien, den Unternehmen, den Wirtschaftsverbänden in den Regionen sowie den beteiligten Ministerien auf der Landesebene, dem Wissenschaftsministerium, dem Wirtschaftsministerium sowie dem Kultusministerium, dafür danken, dass aus einem dualen Studienmodell eine Erfolgsgeschichte entwickelt wurde. Mittlerweile haben 10.000 Absolventen auf diese Weise ihren beruflichen Weg begonnen. Das „Duale Studium Hessen“ ist damit ein Qualitätssiegel geworden, auf das wir im Bundesland Hessen und auf das alle Beteiligten wirklich stolz sein können.

Es ist klar, das Erfolgsmodell „Duales Studium Hessen“ gilt es weiter zu fördern, um in unserem Land dauerhaft einen Beitrag zur Fachkräftesicherung und damit zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu leisten. Dafür werden wir als Koalition aus CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch zukünftig einstehen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Kollegin Dr. Sommer, SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal möchte ich allen Akteuren des dualen Studiums herzlichen Glückwunsch zu zehn Jahren erfolgreicher Umsetzung sagen; denn das duale Studium ermöglicht eine wissenschaftlich fundierte und zugleich praxisnahe Ausbildung, indem sich Theoriephasen in den Hochschulen und Berufsakademien mit Praxiseinheiten im Unternehmen abwechseln.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Damit ist das duale Studium ein Erfolg und stellt eine Winwin-Situation dar. Als oftmals dezentrales Angebot ist das duale Studium ein Plus für die Unternehmen, weil der Nachwuchs rasch einsteigen kann und ein Wissenstransfer stattfindet. Es ist aber auch ein Plus für die Studierenden, weil sie ihre Hochschulausbildung praxisnah und regional absolvieren können. Das ist ein toller Karrierestart mit gleichzeitiger Anbindung im Unternehmen.

Hessische Hochschulen und Berufsakademien weisen zudem vor allem Fachbereiche auf, die an den Universitäten kaum bis gar nicht vorhanden sind. In der letzten Zeit wurden 132 zusätzliche zukunftsfähige Studiengänge entwickelt. Das ist ein tolles Pfund. Wir haben beispielsweise in den Gesundheits- und Pflegewissenschaften sowie in der sozialen Arbeit ganz viele neue Angebote. Gerade Fachbereiche mit einem praxisnahen Studienformat sind wichtig; denn so können geeignete Fachkräfte frühzeitig an die Einrichtungen gebunden werden, und vor allen Dingen kann die Zukunftsfähigkeit unserer ländlichen Räume gestärkt werden.

(Beifall bei der SPD)

Das duale Studium bietet eine hervorragende Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren und sie zu qualifizieren. Das fördert letztendlich die regionale Wertschöpfung und den Wissenstransfer. Das kommt den Regionen zugute, in denen die Angebote vorhanden sind. Wenn nämlich junge Erwachsene, die beispielsweise aus Frankenberg, Bad Wildungen oder – das hat Herr Hofmeister angesprochen – Limburg kommen, bei der THM eine qualifizierte Ausbildung und Karrierechancen erhalten, bleiben sie in ihrer Heimat, also im ländlichen Raum, sind weiterhin in Vereinen engagiert, beleben das Gemeinwesen, bauen ein Haus, kaufen ein, sind Teil der Gesellschaft. Sie wandern nicht ab, sondern bleiben ein wertvoller Bestandteil unserer Region.

(Beifall bei der SPD)

Das ist in Zeiten des demografischen Wandels essenziell, das ist ein Erfolg, und deswegen danken wir allen beteiligten Akteuren, vor allem aber den Sozialpartnern bzw. den Unternehmen, für ihr Engagement; denn sie haben das duale Studium zum Erfolg gemacht.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU)

Ich möchte aber noch auf Vorteile, Nachteile und Verbesserungsoptionen eingehen. Allgemein ist die Studierendenzahl angestiegen, so auch im dualen Studium. Erst gestern haben wir von den hessischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften erfahren können, dass in den letzten zehn Jahren ein Anstieg der Studierendenzahl um 83,76 % zu verzeichnen war. Im gleichen Zeitraum ist aber die Anzahl der Professuren nur um 15,18 % gestiegen.

Unter Punkt 2 Ihres Antrags greifen Sie die intensive Betreuung der Studierenden auf. Wenn die Studierendenzahl so gestiegen ist, müsste eigentlich auch die Anzahl der Professoren gestiegen sein. Das ist aber nicht so. Laut Aussagen der Präsidentinnen und Präsidenten unserer Hochschulen befinden wir uns im bundesweiten Vergleich momentan an drittletzter Stelle. Ich glaube, hier gibt es Handlungsbedarf und ganz viel Luft nach oben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dennoch ist das duale Studium ein großer Erfolg und hat viele Vorteile. Man kann schon während des Studiums ganz viel Praxis- und Berufserfahrung sammeln. Das ist für die Unternehmen gut, weil sie in der Einarbeitungsphase in die Tätigkeit weniger Personal einsetzen müssen bzw. zeitliche, personale und finanzielle Ressourcen sparen können. Für die Studierenden ist es prima, weil sich für sie die Chance ergibt, relativ schnell in den gewünschten Beruf einzusteigen. Das ist ein Vorsprung auf dem Arbeitsmarkt, bzw. es kann einen Vorteil bedeuten.

Doch legen sich bei einem dualen Studium die Studierenden von Beginn an fest. Sie haben Tätigkeitsschwerpunkte. Das heißt, man kann weniger flexibel wechseln als beim Studium an einer Universität. Bei einem dualen Studium kann es zum Abbruch führen, wenn man den Tätigkeitsschwerpunkt wechseln will. Ein Abbruch ist nur schwer oder unter hohen finanziellen Kosten möglich; denn dann müssen die Studierenden gegebenenfalls die Studiengebühren zurückzahlen, für die die Arbeitgeber aufkommen. Das kann dazu führen, dass der duale Student in eine finanzielle Notlage gerät und sich gezwungen sieht, ein begonnenes, aber vielleicht als unbefriedigend empfundenes duales Studium zu beenden.

Gerade hier sieht die SPD-Landtagsfraktion Möglichkeiten für eine Verbesserung. Studierende des dualen Studiums sollen unterstützt werden, wenn sie den Tätigkeitsschwerpunkt wechseln. Wir brauchen auch hier ein durchlässiges Bildungssystem, und wir wünschen uns ein Regelwerk, das es den Studierenden erlaubt, zu wechseln.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wichtig wäre es uns aber auch, dass das duale Studium in der Schule besser beworben wird. Derzeit spricht das Kultusministerium lediglich eine Empfehlung aus, solche Veranstaltungen in Schulverbünden durchzuführen. Die Motivation und die Unterstützung sind da sicherlich ausbaufähig.

Neben der Berufsorientierung ist, auch bezüglich des dualen Studiums, die Studienorientierung wichtig und könnte in den Schulen fest verankert werden, damit Schülerinnen und Schüler ihre berufliche Laufbahn aus dem gesamten Portfolio und nach ihren individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten wählen können.

Abschließend möchte ich ausdrücklich erwähnen: Das duale Studium ist eine gute Möglichkeit zur Qualifizierung. Wir wünschen uns aber auch weiterhin eine Qualitätsoffen

sive bei den Rahmenbedingungen; denn in Hessen sind nicht alle dualen Möglichkeiten gleich gut ausgestattet. Wir wollen eine noch bessere Verzahnung von Theorie und Praxis, und wir wollen, dass Studien- und Arbeitsplatzanforderungen berücksichtigt und optimiert angepasst werden. Wir möchten auch, dass es eine höhere Durchlässigkeit gibt, dass man bei einem Abbruch des Studiums Hilfestellung bekommt und dass das Land die Bewerbung des dualen Studiums intensiviert.