Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Eine nachhaltige Dorfentwicklung bietet ländlichen Gemeinden einen Anreiz, die Revitalisierung der Ortskerne anzugehen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt weiterhin zu gewährleisten. Für uns bedeutet „Wohnen“ mehr, als ein Dach über dem Kopf zu haben. Bezahlbar, aber auch gut zu wohnen, in einem lebendigen Quartier, ist ausgesprochen wichtig und Kern unserer Politik.

Der Masterplan enthält weitere gute Ideen. Landesliegenschaften für alternatives Wohnen spielen dabei beispielsweise eine genauso große Rolle wie die finanzielle Förderung gemeinschaftlicher Wohnprojekte oder die landesweite Beratung für gemeinschaftliches Wohnen. Ich nenne als Beispiel die Erstellung von Gründungsgutachten und die finanzielle Unterstützung gemeinschaftlicher Wohnprojekte. Das ist schon lange nicht mehr nur ein Thema der Metropolen. Hierin liegt eine große Chance, gerade auch der ländlichen Gebiete, wo es darum gehen muss, das Zusam

menleben für die Zukunft neu zu denken und neu zu organisieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Für die vielen ineinandergreifenden Maßnahmen muss Geld zur Verfügung gestellt werden. Genau das tun wir jetzt mit dem Wohnrauminvestitionsprogrammgesetz. Eine besondere Rolle spielen dabei die öffentlichen Wohnungsunternehmen, die durch die Bank Bestandshalter sind. Erwiesenermaßen ist es ja so, dass gerade die großen Bestandshalter mietdämpfend wirken. Dabei spielt eine Mietdeckelung, wie sie die ABG vorgenommen hat, nur eine nachrangige Rolle, da das Mietniveau bei der ABG – ich möchte den Ausführungen von Herrn Siebel vorgreifen – relativ hoch ist und sich alle anderen Wohnungsbaugesellschaften wünschen würden, solche Mieten nehmen zu können.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Wenn jetzt verstärkt private Investoren für den sozialen Wohnungsbau gewonnen werden können, ist das nicht nur ein Erfolg der Zurverfügungstellung von Geld, sondern auch der Erkenntnis, dass im Bereich Wohnen und Wohnumfeldentwicklung alle Akteure gefragt sind und gemeinsam an diesem Projekt arbeiten müssen.

Lassen Sie uns also gemeinsam daran weiterarbeiten, vorhandene bezahlbare Wohnungen zu erhalten und den Neubau von bezahlbaren Wohnungen zu unterstützen. Die Vielfalt der Maßnahmen ist wichtig. Es geht eben nicht nur darum, Geld auf den Markt zu schütten, sondern das Geld muss auch gestaltend wirken können. Das tut es, und daran arbeiten wir. Es wird gebaut, es werden Mittel abgerufen.

(Norbert Schmitt (SPD): 217 Sozialwohnungen wurden 2017 gebaut! Schämen Sie sich!)

Ich betone nochmals: Die Wohnungsbaupolitik der Landesregierung ist nicht darauf angelegt, möglichst viel Geld in die Metropolen zu bringen, sondern die Förderungen für die Ballungszentren, für die ländlichen Gebiete und die mittelgroßen Kommunen müssen ineinandergreifen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Wir haben gute Programme. Wir haben für die Förderung des Wohnungsbaus so viel Geld wie nie. Mit dem Wohnrauminvestitionsprogrammgesetz gehen wir diesen Weg jetzt weiter. Wir packen die Probleme an und arbeiten Stück für Stück dafür, dass alle Menschen in Hessen gute und bezahlbare Wohnungen bekommen.

(Anhaltender Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Norbert Schmitt (SPD): Eine einzige Sprechblase!)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Mir ist die Beanstandung vorgetragen worden, dass ich Frau Kollegin Förster-Heldmann an dieser Stelle das Wort gegeben habe. Ich darf darauf verweisen, dass es in diesem Hause so geregelt ist, dass bei einem von einer Fraktion angemeldeten Setzpunkt als Erstes eine Vertreterin oder ein Vertreter dieser Fraktion spricht. Genau so bin ich verfahren. Wem diese Begründung nicht reicht, den darf ich

auf § 69 der GOHLT hinweisen. Danach wird die Reihenfolge der Rednerinnen und Redner durch den Präsidenten bestimmt. Daran halte ich mich, und daran werde ich mich auch in Zukunft halten. Wenn es dazu einen Aussprachebedarf gibt, steht der Ältestenrat zur Verfügung.

Als Nächster hat Herr Kollege Siebel für die Fraktion der Sozialdemokraten das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind momentan in einer hybriden Situation zwischen der Einbringung eines Gesetzentwurfs und dem Versuch einer weiteren wohnungsbaupolitischen Diskussion. Deshalb werde ich meine Rede genauso hybridmäßig anlegen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein relativ marginaler Teil dessen, was Sie in Ihrem behaupteten Masterplan Wohnen darlegen. Deshalb will ich mich mit dem Masterplan Wohnen auseinandersetzen.

Ich will vorwegschicken – ich nehme Bezug auf den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU –, dass Ihr Antrag zeigt, dass Sie die Realitäten offensichtlich immer noch nicht wahrgenommen haben. Die Realität ist, dass die Zahl der Sozialwohnungen seit 1999 von über 178.000 auf 93.000 gefallen ist. Mit Verlaub, allein in der Zeit der Verantwortung von Schwarz-Grün ist die Zahl der Sozialwohnungen um 20.000 gesunken. Das heißt, Ihre Maßnahmen scheinen offensichtlich nicht zu greifen. Der Trend hat sich nicht umgekehrt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir werden uns hier Zahlen um die Ohren hauen, noch und nöcher. Aber gehen Sie einmal zu den Menschen in diesem Land, und fragen Sie sie, wie viel Prozent ihres Nettoeinkommens sie für Miete ausgeben müssen. Dann werden Sie die Antwort erhalten, dass dieser Prozentsatz bei den meisten Befragten in Offenbach 45 %, in Frankfurt 42 % und in Darmstadt 38 % beträgt. Das ist die Realität draußen im Land, und die schlägt sich in Ihrem Masterplan Wohnen überhaupt nicht nieder.

(Beifall bei der SPD)

Frau Staatsministerin, das Dilemma – ich kann ja verstehen, dass es manchmal schwierig ist –, das Sie hier zu vertreten haben, ist, dass wir seit vielen Jahren fordern, die Förderrichtlinien zu ändern, dass das aber nicht geschehen ist.

Wir haben bei jeder Novelle des Wohnraumfördergesetzes gesagt, dass sich die Einkommensgrenzen verändern würden. Die Sozialdemokraten haben bei jeder Novelle des Wohnraumfördergesetzes gefordert, dass die Bindungsdauern verlängert werden. Sie haben daran festgehalten – wahrscheinlich von den Forderungen der CDU getragen –, dass wir bei den fünf Jahren bleiben.

Sie haben in den letzten zwei Jahren einen Teil von den originären Landesmitteln, nämlich 4,57 Millionen €, eingesetzt – sozusagen als Notnagel –, um Bindungen zurückzukaufen. Das ist ein Widerspruch zu dem, was Sie jetzt angekündigt haben, und zu dem, was Sie momentan machen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das ist von keinem Redner und keiner Rednerin – keiner Rednerin, da ein Redner noch nicht die Chance hatte, zu sprechen – angesprochen worden: Wir haben einen eklatanten Mangel an Studentenwohnungen. Es fehlen nach wie vor 10.000 Studentenwohnungen. Sie verweigern sich unserer permanent vorgetragenen Forderung, ein neues 15-Millionen-€-Programm aufzulegen, um wenigstens einen Teil dieser notwendigen Studentenwohnungen bauen zu können. Das sind die Fehler. Das sind die Defizite, die wir vor Augen haben.

(Beifall bei der SPD – Norbert Schmitt (SPD): Hört, hört!)

Jetzt will ich mich mit dem Masterplan Wohnen in Hessen auseinandersetzen. Das machen Sie – sagen wir einmal PR-mäßig – professionell. Keine Rednerin und kein Redner der GRÜNEN und kein Redner der CDU vergisst, zu erwähnen, dass dem Wohnungsbau 1,7 Milliarden € zur Verfügung stehen.

Jetzt schauen wir uns einmal die Einzelheiten dieses Masterplans Wohnen in Hessen an:

Erster Punkt. In den Jahren 2015 bis 2020 stehen Kompensationsmittel des Bundes, 372 Millionen €, zur Verfügung. Das sind Mittel des Bundes, die durchgereicht werden. Das sind keine originären Landesmittel. Das sind schon einmal 372 Millionen €, die nicht auf Ihr Konto gehen, sondern die auf das Konto einer Vereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund gehen. Damit können Sie sich nicht schmücken.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt. Als eine besondere Unverschämtheit empfinde ich die Tatsache, dass Sie das Sondervermögen bei der WIBank, das momentan pro Jahr 127 Millionen € beträgt, in Ihrem Masterplan Wohnen in Hessen mit 6 multiplizieren. Zur Erklärung: Das ist ein Topf mit Geld, aus dem Darlehen für den Wohnungsbau vergeben werden. Dann müssen diese Darlehen wieder zurückgezahlt werden. Das Land macht eine Zinsvergünstigung.

Durch die Multiplikation kommen Sie auf 762 Millionen €. Davon bleiben nur die Zinsvergünstigungen, die round about 18 Millionen € ausmachen, übrig. Das heißt, ein so groß aufgeblasener Luftballon schrumpft auf eine kleine Erbse zusammen, die Sie hier sozusagen zu verkaufen versuchen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Der dritte Punkt betrifft das KIP. Über einen Teil des KIP beraten wir momentan, nämlich die Summe für 2019 und 2020 – die Sie übrigens schon in Ihren wunderbaren Masterplan eingerechnet haben –, die wir jetzt in einem Gesetz verankert haben. Auch beim KIP ist es die Realität, dass es lediglich um den Erlass der Zinsen gegenüber den Kommunen geht, nicht um die Tilgung der Darlehen, die an die Kommunen gehen. Wenn Sie bei dieser Summe sagen: „Das steht dem Wohnungsbau zur Verfügung“, sage ich um der Wahrheit willen: Sie bewegen so viel Geld – Ihres, das der Bank und das des Bundes –,

(Norbert Schmitt (SPD): Und der Mieter!)

aber für den realen Wohnungsbau dieser Landesregierung standen und stehen für die Jahre 2015 bis 2019 65 Millionen € zur Verfügung. Das sind 10 Millionen € pro Jahr.

Das ist nach meinem Verständnis ein Armutszeugnis für die Wohnungsbaupolitik in Hessen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Ich habe noch etwas vergessen. Ich muss jetzt auch noch etwas Lobendes sagen. Es gibt neben den Zinsermäßigungen, die ich benannt habe, originäre Haushaltsmittel. Das sind die originären Haushaltsmittel in Höhe von 4,3 Millionen € für das Jahr 2017. Diese sind für das Jahr 2019 auf 4,75 Millionen € angestiegen. Das sind originäre Landesmittel.

(Zurufe von der SPD: Wow! – Super!)

Meine Damen und Herren, davon sind 4 Millionen € für den Rückkauf der Bindungen vorgesehen. Ich habe darauf hingewiesen, wo hier der Widerspruch ist: 500.000 € sind für die Bauland-Offensive,

(Norbert Schmitt (SPD): Sensationell! – Zurufe von der SPD: Oh!)

die ich sehr begrüße, und der Rest ist für Gutachten, die ich auch nicht infrage stellen will. Wir müssen solide Daten haben. Originäre Landesmittel neben den Zinsmitteln sind aber 18,5 Millionen €. Das als einen großen Erfolg zu bezeichnen halte ich für falsch. Das ist für mich so, als ob man den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen streute. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass Sie mit Ihren Programmen wirklich nicht viel bewirken, sondern dass deutlich mehr draufgelegt werden muss. Ich komme gleich zu unseren Alternativen.

(Beifall bei der SPD)

Aber ich will vorher noch auf die Nummer mit dem Polizeipräsidium eingehen. Mit dem Verkauf erzielen Sie eine Einnahme, die Sie jetzt schon verfrühstückt haben: 60 Millionen € für den Fonds zum Rückkauf von Grundstücken. Herr Finanzminister, wie viel von den 210 Millionen €, die Sie in Maßnahmen zu stecken versprechen, haben Sie jetzt schon in Ihrer Kasse? Ich habe gedacht, die Landesregierung hätte beim Verkauf der landeseigenen Grundstücke ihre Strategie verändert und würde auf die Bedürfnisse vor Ort eingehen.

Ich bin letztens mit einem Taxifahrer zum Flughafen gefahren; er hat mir gesagt: Herr Siebel, ich habe mich um ein Haus in Darmstadt in der Marienburgstraße beworben – das hörte sich für mich interessant an –, ich kriege es aber nicht. – Dabei geht es um 36 Häuser, die für die Justizbediensteten der Vollzugsanstalt ehemals gebaut wurden; 23 davon werden noch bewohnt. Diese Liegenschaften werden nicht für die Bürgerinnen und Bürger – in dem Fall der Wissenschaftsstadt Darmstadt – zur Verfügung gestellt, sondern ausschließlich en bloc an einen Investor verkauft.

(Norbert Schmitt (SPD): Wie bitte? Das ist ja unglaublich! Der Taxifahrer würde alle kaufen! – Heiterkeit bei der SPD)