Protokoll der Sitzung vom 22.03.2018

(Norbert Schmitt (SPD): Wie bitte? Das ist ja unglaublich! Der Taxifahrer würde alle kaufen! – Heiterkeit bei der SPD)

Sie ändern Ihre Strategie nicht. Sie bleiben dabei, dass Sie möglichst viel Geld aus den Landesliegenschaften ziehen wollen. Das muss man benennen. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Ich würde von einer Landesregierung erwarten, dass sie vor dem Hintergrund, dass momentan das Darlehens- und

Zinserlassmodell nicht mehr funktioniert, darüber nachdenkt – das ist auch die Forderung der Kommunen –, inwieweit man direkte Zuschüsse für den Bau von Sozialwohnungen und für Wohnungen für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren Einkommen zur Verfügung stellen kann und muss.

Nur mit dieser Umstellung und nur mit diesen Mitteln – und im Zweifelsfall auch mit dem Zugriff auf das, was uns an Geld bei unseren Banken zur Verfügung steht – werden wir einen wirklichen Schwenk hinkriegen, werden wir mehr Sozialwohnungen bauen und werden wir mehr Wohnungen für Bürgerinnen und Bürger mit mittleren Einkommen bauen. Das muss unser Ziel sein und nicht eine Augenwischerei à la Masterplan Wohnen in Hessen, der wenig bewirkt hat und nur etwas aufbauscht, was in der Realität auf schlappe 10,8 Millionen € pro Jahr zusammenschrumpft. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vielen Dank, Herr Siebel. – Als Nächster hat Herr Abg. Schaus, Fraktion DIE LINKE, das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute vorliegende Gesetzentwurf für ein Wohnrauminvestitionsprogrammgesetz ist bei allem guten Willen, der dahinterstehen mag, leider nicht mehr als die Fortsetzung des bestehenden Darlehensprogramms über das Jahr 2019 hinaus. Das ergibt sich auch eindeutig aus dem heute vorgelegten Dringlichen Entschließungsantrag der Koalition.

Weitere Darlehen in Höhe von insgesamt 257 Millionen € sollen zwischen 2019 und 2025 für den Bau von Sozialwohnungen und zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt werden. Das sind pro Jahr also nur rund 37 Millionen €. Sicher ist es gut, dass die Landesregierung über 2019 hinausblickt und bereits jetzt ein KIP-Fortsetzungsprogramm vorstellt. Dass die grüne Ministerin Hinz dies werbewirksam vor der Landtagswahl tut, ist verständlich und durchsichtig zugleich. Das will ich auch gar nicht weiter in den Vordergrund meiner Kritik stellen. Dass Sie sich aber für dieses Schmalspurprogramm dermaßen selbst feiern und ein Gesetz, das im Übrigen von der Landesregierung vorgelegt wurde, zum Setzpunkt der grünen Landtagsfraktion gemacht haben, erstaunt mich sehr.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn es gut ist!)

Herr Wagner, offensichtlich hat die grüne Landtagsfraktion ihre eigenständige politische Arbeit bereits aufgegeben und versteht sich nur noch als Vollzugsorgan der Landesregierung. Nichts anderes kann ich darin sehen.

(Beifall bei der LINKEN – Mathias Wagner (Tau- nus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wollen wir jetzt Wohnungsbau oder Klamauk machen?)

Das entspricht auch Ihrem Vorgehen – das habe ich in den letzten zehn Jahren hier im Landtag nicht erlebt –, dass eine Ministerin zum Setzpunkt einer Fraktion die erste Rede hält.

(Günter Rudolph (SPD): Das ist neu! – Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben Sie in der Sache etwas vorzutragen?)

Ja, das ist neu, und es passt natürlich in die Strategie.

Eigentlich weiß ich gar nicht, was ich zu diesem dünnen Gesetz zehn Minuten lang sagen soll.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Da ist nichts grundlegend Neues drin.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Außer 254 Millionen €, aber das ist für DIE LINKE ja nichts!)

Weiterhin sollen – das ist vom Kollegen Siebel bereits erwähnt worden – über bis zu 30 Jahre rückzahlbare Darlehen gewährt werden.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Außer 254 Millionen €, aber das ist für DIE LINKE ja nichts!)

Reden Sie nur weiter, Herr Frömmrich. Offensichtlich habe ich Sie mit meiner Kritik getroffen, sonst würden Sie nicht reagieren.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, aber ich möchte sichergehen, dass es im Protokoll steht!)

Schon klar.

Weiterhin sollen über bis zu 30 Jahre rückzahlbare Darlehen gewährt werden, für die das Land aber nur in den ersten 15 Jahren die Zinsen übernehmen wird. Zuschüsse für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften, um dauerhaft Sozialwohnungen erstellen zu können, sind jedenfalls nicht vorgesehen. Zwar taucht der Begriff „dauerhaft“ bereits in § 1 Abs. 1 des Gesetzentwurfs auf – ich zitiere –:

… Investitionen zur Schaffung und Modernisierung von dauerhaftem bezahlbarem Wohnraum …

Aber ich glaube nicht, dass mit diesen Darlehen in Deutschland erstmals Sozialwohnungen gefördert werden, die nach Rückzahlung der Darlehen und einer Übergangsfrist als Sozialwohnungen weiterhin „dauerhaft“ erhalten bleiben.

In Österreich kennen wir so etwas, in Wien, Graz oder Salzburg gibt es dies; dort bleiben einmal errichtete Sozialwohnungen für immer als Sozialwohnungen erhalten. Das finden wir gut so.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre auch bei uns angesagt; dann hätten wir in den letzten Jahrzehnten nämlich keinen massiven Rückgang an Sozialwohnungen, sondern einen kontinuierlichen Zuwachs gehabt. Das ist die Folge davon.

Sie schaffen ein weiteres Förderprogramm, das die Kommunen ab dem 1. Januar 2019 in Anspruch nehmen können. Diese Landesregierung wie schon ihre Vorgängerregierungen haben die Verantwortung, dass der Rückgang, von einst über 200.000 Sozialwohnungen in Hessen auf heute gerade einmal 90.000, stattfinden konnte. Das können Sie nicht wegdiskutieren.

Aber seit der letzten Rede zur Wohnungspolitik von Herrn Caspar wissen wir ja, dass der Rückgang an Sozialwohnungen ein positives Zeichen sein soll. Ist Herr Caspar da?

(Abg. Ulrich Caspar (CDU) winkt.)

Nee, schade.

(Zuruf von der Regierungsbank: Er winkt doch!)

Herr Caspar, ich finde das nicht so positiv wie Sie. Ich finde, es ist geradezu eine Schande, wenn weite Teile der Bevölkerung 30, 40 oder 50 % ihres monatlichen Einkommens für die Miete aufwenden müssen. Daran ist nichts Positives. Sie haben über viele Jahre zugesehen, wie sich die Zahl der Sozialwohnungen Jahr für Jahr verringerte.

In den letzten Jahren haben wir durch auslaufende Bindungen Rekordeinbrüche mit Rückgängen von zeitweise über Zehntausenden Wohneinheiten innerhalb eines Jahres zu verzeichnen. Dagegen haben Sie so gut wie nichts getan, als lapidar festzustellen, dass sich dieser rasante Rückgang in den nächsten Jahren wohl weiter fortsetzen wird. Sie sind also sehenden Auges in diese Situation gekommen. Zusätzlich haben Sie zugesehen, wie klamme Kommunen ihre Haushalte jahrelang durch Grundstücksverkäufe an finanziell potente Bauträger meistbietend für den Eigenheimbau finanziert und die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften ihre eigenen Bautätigkeiten zurückgefahren haben. Nun legen Sie ein Programm auf, das es den Kommunen ermöglicht – wohlgemerkt: auf eigene Kosten; schließlich zahlen sie das Darlehen komplett und nach 15 Jahren sogar zusätzlich mit Zinsen zurück –, Wohnungsbau zu tätigen.

Ein zweiter großer Kritikpunkt: Im Gesetz steht auch, dass damit der Erwerb und die Herrichtung von Nichtwohngebäuden ermöglicht werden. Was heißt das denn nun? – In der Begründung steht hierzu nichts. Möglicherweise steht dort wissentlich nichts drin. Das haben wir aufzuklären.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz reiht sich in eine hilflose Wohnungspolitik ein, die von einem Förderprojekt zum nächsten springt. Frau Ministerin Hinz, Sie haben vor wenigen Monaten – das ist schon angesprochen worden – einen Masterplan Wohnen angekündigt. Einem solchen Masterplan müsste aber eine Strategie zugrunde liegen, die eine einheitliche Wohnungspolitik abbildet.

(Michael Boddenberg (CDU): Also eine sozialistische!)

Nein, es muss keine sozialistische sein, aber vielleicht eine soziale, Herr Boddenberg. Das wäre doch schon einmal ein Anfang.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Worüber reden wir hier eigentlich die ganze Zeit?)

Eine solche Strategie ist bei Ihnen allerdings in keinster Weise zu erkennen, Herr Boddenberg.

(Michael Boddenberg (CDU): Die DDR lässt grüßen! Nettes Wohnen war das damals!)

Die ständige Einsetzung neuer Förderprojekte, um im wahrsten Sinne des Wortes panisch einzelne Baustellen zu heben, ist keine Strategie, Herr Boddenberg. Das ist keinerlei Strategie.

(Michael Boddenberg (CDU): Wann immer Sie die Verantwortung hatten, haben Sie es an die Wand gefahren! Hier auch!)

Herr Boddenberg, hören Sie einmal zu. – Es ist ebenso keine Strategie, Flächen meistbietend zu verkaufen, um von den eingenommenen Einnahmen wiederum andere Flächen zu kaufen oder an anderer Stelle Sozialwohnungen zu fördern. Das ist keine Strategie.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (CDU): Was ist daran schlimm, das in den Wohnungsbau zu investieren?)

Am Beispiel des Polizeipräsidiums Frankfurt sage ich Ihnen ganz klar, Herr Boddenberg:

(Michael Boddenberg (CDU): Gutes Beispiel!)