Protokoll der Sitzung vom 24.04.2018

Wir wissen – ich glaube, da besteht auch Einigkeit in diesem Hause, wir haben schon ein paar Debatten darüber geführt –, dass es, damit sie frühzeitig die richtige Ausbildungs- und Berufswahl treffen können, mehr denn je wichtig ist, unsere Schülerinnen und Schüler für ihren nächsten Lebensabschnitt zu qualifizieren, sei es für ein Studium oder für eine berufliche Ausbildung.

Es ist schön, Folgendes festzustellen – ich glaube, dass darüber mittlerweile gleichfalls Einigkeit in diesem Hause besteht –: Unser duales Ausbildungssystem sorgt für eine der weltweit geringsten Quoten von Jugendarbeitslosigkeit und gilt daher weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus zu Recht als vorbildlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb: Wenn der Bericht etwa auf Seite 33 empfiehlt – Sie sehen, ich habe ihn intensiv gelesen –, dass in allen Schulformen die Berufsorientierung verpflichtend einen größeren Stellenwert erhalten soll, kann ich dazu nur sagen: Ja, das ist richtig. Deswegen haben wir z. B. im Jahr 2015 den „Erlass zur Ausgestaltung der Berufs- und Studienorientierung in Schulen“ in Kraft gesetzt, der die bisherigen Regelungen für alle Schulformen – einschließlich des gymnasialen Bildungsgangs – bewusst zusammenfasst und damit das Thema Berufsorientierung als eine wesentliche Querschnittsaufgabe der allgemeinbildenden Schulen verankert.

Sie wissen auch: Wir sind gerade in dem Prozess der Ausarbeitung der Verordnung. Wir haben die entsprechenden Koordinatorinnen und Koordinatoren bei den Staatlichen Schulämtern installiert. Auch das ist ein Prozess, der wahrscheinlich nie abgeschlossen werden kann, der immer optimiert werden kann, allein schon deswegen, weil sich die Berufsbilder ständig ändern. Deswegen muss sich auch da, wo die Weichen gestellt und wir auf dem Weg sind, die Orientierung ständig verändern.

Ich nenne z. B. das Programm „Praxis und Schule“, das Nachfolgeprogramm von SchuB, das in dem Bericht der Enquetekommission gleich mehrfach Erwähnung findet. Beide Programme sollen es Schülerinnen und Schülern mit erheblichem Lern- und Leistungsrückständen ermöglichen, an den allgemeinbildenden wie an den beruflichen Schulen ihren Hauptschulabschluss zu erreichen und zur Ausbildungs- und Berufswahlreife zu gelangen. Auch das entspricht einer Empfehlung des Berichts.

Es ist auch im Sinne dessen, was Herr Merz angesprochen hat, nämlich der Öffnung von Schulen untereinander, der Verzahnung zwischen dem allgemeinbildenden und dem beruflichen Bildungssystem, aber ebenso der Öffnung gegenüber den Betrieben, gegenüber der Wirtschaft, gegenüber all den Institutionen, die in Bildung und Ausbildung involviert sind. Es ist völlig richtig, dass das nur ein Ausschnitt des gesamten gesellschaftlichen Umfelds ist, dem sich Schule öffnen muss. Aber es ist ein Beispiel, an dem man sehen kann, dass Schule auch hier auf dem Weg ist.

Nebenbei bemerkt, sind Programme wie PuSch oder SchuB ein wesentlicher Beitrag zur Chancen- und Bildungsgerechtigkeit. Ich glaube, auch darüber besteht Einigkeit in diesem Hause, dass wir versuchen wollen, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg so weit wie irgend möglich aufzuheben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen gibt es beispielsweise unsere sozial indizierte Lehrkräftezuweisung; die ist genau für den Zweck da, dass die Schulen ihre Schülerinnen und Schüler passgenau, individuell und nachhaltig fördern können. Deswegen haben wir sie um den Integrationsindex erweitert: um die Schulen beim Übergang von Seiteneinsteigern aus einer Intensivklasse in die Regelklasse zu unterstützen. Auch hier gilt: Das ist ein fortlaufender Prozess. Auch hier kann man immer verfeinern und verbessern. Es bleibt eine kontinuierliche Herausforderung. Aber dass das Grundprinzip anerkannt ist und dass wir uns auf diesem Wege befinden, darf man, glaube ich, angesichts dieser Daten schon feststellen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte auf die große Neuerung dieses Jahres hinweisen: auf die Schaffung von 700 neuen Stellen für sozialpädagogische Fachkräfte, von denen allein die Grundschulen 400 bekommen. Mit den Lehrern werden rund 1.000 Schulen entlastet. Damit richten wir unseren Blick auf die Bildung von multiprofessionellen Teams, insbesondere mit sozialpädagogischer Kompetenz. Das ist auch im Sinne einer vielfach wiederholten Empfehlung dieses Berichts und ein Punkt, den Herr Abg. Merz hervorgehoben hat.

Da es uns ein besonderes Anliegen ist, möchte ich außerdem etwas erwähnen, was, wenn ich richtig mitgehört habe, in den bisherigen Redebeiträgen keine prominente Beachtung gefunden hat. Wir setzen uns getreu unserem Motto „kurze Beine, kurze Wege“ schon seit Jahren für den Erhalt von Schulen im ländlichen Raum ein, insbesondere von kleinen Grundschulen. Dafür haben wir Erfolgsmodelle wie den flexiblen Schulanfang oder die Kombiklassen implementiert. Wir leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der bestehenden Schulstruktur. Auch da gehen wir mit dem Bericht der Enquetekommission konform, der dies etwa auf Seite 25 fordert.

Angesichts dieser zahlreichen Maßnahmen dürfen wir feststellen – was für mich eines der schönsten Themen ist; deswegen muss ich es auch immer wieder herausstellen –, dass Hessen nicht umsonst die niedrigste Schulabbrecherquote bundesweit hat. Auch das zeigt, glaube ich, dass wir gut unterwegs sind. Trotzdem gilt auch hier: Solange es noch Schulabbrecher gibt, ist die Aufgabe nicht vollendet. Wahrscheinlich kann sie nie vollendet werden, aber wir können uns immer bemühen, das, was wir tun, noch besser zu machen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Inklusion will ich nur eine kurze Bemerkung machen, weil das in der Debatte schon etwas prominenter adressiert wurde. Ich fand es bemerkenswert, dass selbst dieser Abschlussbericht empfiehlt – auf Seite 95 –, Grenzen der Inklusion anzuerkennen, und dass er vor allem statuiert, Vorrang müsse in jedem Einzelfall das im Einvernehmen mit den Eltern möglichst konkret zu ermittelnde Kindeswohl haben.

Meine Damen und Herren, das entspricht genau meinem Standpunkt, den Sie alle zur Genüge kennen. Darum sage ich: Wir treten für eine Inklusion mit Augenmaß ein, die sich am Wohl des einzelnen Kindes orientiert. Es gibt natürlich den grundsätzlichen Unterschied, den Herr Abg. Schwarz eben schon unter beifälligem Nicken von Herrn Merz hervorgehoben hat. Es gibt den grundsätzlichen Unterschied, ob man die inklusive Schule als Schule für alle vor sich sieht – ohne Ausnahme – oder ob man sagt, das bewährte und erfolgreiche Förderschulsystem dürfen wir nicht leichtfertig aufgeben, weil wir beide Förderorte als Möglichkeiten brauchen, um dem Kindeswohl optimal gerecht zu werden. Gut, da besteht eine fortdauernde Diskrepanz, die wir bestimmt auch in zukünftigen Debatten in diesem Hause oder außerhalb dieses Hauses thematisieren werden. Aber ich finde, die grundsätzliche Orientierung, dass wir in diesem Prinzip übereinstimmen, ist eine ermutigende Botschaft.

Deswegen gilt unsere Devise „das Bewährte bewahren und behutsam weiterentwickeln“ auch für den Weg, den wir mit der Einführung der inklusiven Schulbündnisse gehen: als Netzwerke, in denen alle Entscheidungsträger vor Ort zusammenkommen, um gemeinsam den bestmöglichen Förderweg für jedes Kind zu finden.

Das wird immer ein Ringen um die Entscheidung sein – in jedem Einzelfall aufs Neue –, die in dem Moment richtig ist. Es wird auch weiter ein Ringen darum sein, wie wir das System so umgestalten, dass wir möglichst vielen Kindern die optimale individuelle Förderung an dem für sie bestgeeigneten Ort zur Verfügung stellen können. Aber zumindest über die Leitlinie – es ist schön, das festzustellen – besteht im Grundsatz Einigkeit.

Meine Damen und Herren, mehr denn je kommt es heute darauf an, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht verloren geht. Unser Umgang mit der Flüchtlingskrise hat gezeigt, dass wir diese große Herausforderung erfolgreich angenommen haben.

Erfolgreiche Bildung ist eine wesentliche Grundlage für erfolgreiche Integration. Ich glaube, auch dieser Satz löst durchaus Einigkeit in diesem Hause aus. Dem Beherrschen der deutschen Sprache als Bildungssprache, als Schlüssel zum Schulerfolg kommt eine, vielleicht sogar die herausragende Bedeutung zu. Deshalb ist es wichtig, jedes Kind und jeden Jugendlichen von Anfang an bei diesem Spracherwerb zu unterstützen. Ich habe eben mit Freuden festgestellt, dass sogar die Linkspartei diesen Satz zu unterschreiben scheint.

In diesem Punkt folgen wir schon lange der Empfehlung des Berichts auf Seite 149, Lehrkräfte für spezifische Sprachförderung und Sprachvermittlung auszubilden. Wir haben ca. 500 Lehrkräfte für die Fakultas in Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache weitergebildet und über 4.000 Lehrkräften eine entsprechende Basisqualifikation gegeben. Unser schulisches Gesamtsprachförderkonzept ist genau darauf ausgerichtet, die im Bericht auf Seite 149 betonte Erleichterung der Übergänge zu gewährleisten, beginnend von den freiwilligen Vorlaufkursen für schulpflichtig werdende Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse bis hin zu Intensivklassen und -kursen an allgemeinbildenden Schulen, Alphabetisierungskursen, weiteren Sprachfördermaßnahmen. Wir wollen, dass möglichst alle Kinder von Anfang an mitreden können.

Meine Damen und Herren, es gäbe zu alldem noch viel mehr zu sagen. Ich möchte aber jetzt vor allem noch allen an diesem Bericht Beteiligten meinen herzlichen Dank für ihre wertvolle und in Zukunft hilfreiche Arbeit aussprechen. Wir fühlen uns in vielem bestätigt, das haben Sie meinen Ausführungen entnehmen können. Wir nehmen aber auch eine Reihe neuer Orientierungen und Anregungen mit, vor allem in den Bereichen, die nicht unbedingt immer im Zentrum der politischen Auseinandersetzung stehen.

Ganz im Sinne dieses Berichts denke ich, wir sind auf dem richtigen Kurs, jedenfalls dort, wo die Fraktionen in ihren Schlussfolgerungen übereinstimmen. Über alles andere werden wir uns in diesem Haus und außerhalb weiterhin kontrovers unterhalten. Wir bilden uns nicht ein, wir wären bereits am Ziel angekommen – falls das überhaupt jemals möglich sein sollte. Es ist das Kennzeichen jeder Bildungspolitik, dass es immer noch etwas besser zu machen gibt. Das ist auch der Ansporn für uns alle als Bildungspolitike

rinnen und Bildungspolitiker: dass wir die Chance haben, immer noch ein bisschen besser zu werden.

Worauf es ankommt, damit wir diesen Kurs erfolgreich fortsetzen können – und ich entnehme den Berichten, dass so auch die Arbeitsatmosphäre der Enquetekommission überwiegend gewesen zu sein scheint –, ist, dass wir keine ideologisch motivierten Experimente vornehmen, uns nicht in Endlosdebatten über Schulstrukturen verstricken, den Schulen kein ideologisches Konzept als Allheilmittel für alles überstülpen wollen, sondern dass wir uns das professionelle Augenmaß für eine systematische Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung bewahren.

Meine Damen und Herren, in diesem Sinne stellen wir das Kind mit seiner Individualität in den Mittelpunkt, sorgen für die Unterstützungsangebote, die eine möglichst optimale individuelle Förderung und Forderung des einzelnen Kindes ermöglichen, und orientieren uns im Bildungsbereich an den maßgeblichen Grundwerten, nämlich Freiheit, Solidarität und Chancengerechtigkeit.

Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, so werden wir auch zukünftige Herausforderungen meistern und die Bildungsqualität in Hessen zum Wohle unserer Schülerinnen und Schüler stärken, ganz so, wie es der Bericht im Titel fordert: „Kein Kind zurücklassen“. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, damit ist der Bericht der Enquetekommission besprochen. Lassen Sie mich an dieser Stelle nochmals, auch für das gesamte Haus – –

(Anhaltende Unruhe)

Ich wollte eigentlich Danke sagen, da könnte man einmal ruhig sein.

Ich danke den Mitgliedern der Enquetekommission, der Vorsitzenden, Frau Sabine Bächle-Scholz, den Berichterstattern, den Obleuten, den Fachleuten, den Sachverständigen ganz herzlich für dieses opulente Werk, auch inhaltlich. Ich hoffe, dass es ganz viele Leser findet und hier und da auch Nachahmung. Ganz herzlichen Dank für diese Arbeit.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf – –

(Anhaltende Unruhe)

Wir haben in der letzten Sitzung des Ältestenrats über die Frage der Lautstärke gesprochen. Ich habe die parlamentarischen Geschäftsführer gebeten, ihren Beitrag zu leisten und die Fraktionen aufzufordern, ruhig zu sein und nicht nur die Präsidenten zu kritisieren, dass sie keine Ruhe herstellen können. Ich sage das jetzt in allem Ernst, und ich bitte Sie, wenn Sie schon reden, so zu reden, dass wir nicht alles mitbekommen. Ich bitte Sie, das diszipliniert zu verfolgen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessi

sches Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit – Drucks. 19/6259 zu Drucks. 19/5728 –

Zu dem Gesetzentwurf rufe ich ebenso auf:

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucks. 19/6300 –

Änderungsantrag der Fraktion der FDP – Drucks. 19/6326 –

Berichterstatter ist Herr Kollege Frömmrich. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Beschlussempfehlung: Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von SPD und DIE LINKE bei Stimmenthaltung der FDP, den Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzunehmen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Herrn Abg. Heinz für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben den Berichterstatter gehört, wir beraten heute in zweiter Lesung. Wir haben eine umfangreiche Anhörung hinter uns; heute haben wir auch schon einen umfangreichen Plenartag hinter uns und anscheinend auch noch vor uns.

Bekanntermaßen besteht der Gesetzentwurf aus zwei Teilen, der große Teil betrifft den Datenschutz. Dabei nehmen wir die Anpassung an europäisches Recht vor. Dies ist aus unserer Sicht gelungen, das hat auch die Anhörung ergeben. Viele haben uns das attestiert. Das hat, das ist uns besonders wichtig, auch der Datenschutzbeauftragte getan.

Die Feststellung des Datenschutzbeauftragten ist uns besonders wichtig, in der er noch einmal herausgestrichen hat, dass die Einzelmeinung, die im Rahmen der Anhörung und in deren Umfeld vorgetragen wurde, falsch ist, der vorliegende Gesetzentwurf überschreite die Kompetenzen des Landesgesetzgebers. Das Gegenteil ist richtig. Das ist richtig herausgearbeitet worden.

(Beifall bei der CDU)