Protokoll der Sitzung vom 24.04.2018

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist der Vorschlag der SPD, alles auf einmal zu machen, als unrealistisch bewertet worden. Die Streichung der BEP-Qualitätspauschale und der Schwerpunkt-Kita-Pauschale – das berührt die qualitative Stellung – wurde in der Anhörung abgelehnt. Die Wissenschaftler haben dargelegt, dass die für den Bildungserfolg der Kinder so wesentliche Prozessqualität im SPD-Gesetzentwurf fehle und daher der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen, der dies berücksichtige, vorzuziehen sei.

Die Rückkehr zur gruppenbezogenen Berechnung des Personals und der Förderung wird zum Teil abgelehnt.

(Gerhard Merz (SPD): Zum Teil!)

Ja, zum Teil. Aber Sie haben so getan, als ob Ihr Gesetzentwurf einhellige Zustimmung erfahren hätte. Das hat er aber nicht.

(Gerhard Merz (SPD): Doch!)

Er ist vielmehr in großen Teilen abgelehnt worden. Wenn ich früher meinen Kindern, als sie einen Wunschkatalog für Weihnachten aufgestellt haben – damals, als sie noch nicht volljährig waren –, versprochen hätte, ihnen jeden Wunsch zu erfüllen, den sie aufschreiben, hätte ich totale Zustimmung erfahren. Aber ich hätte das nicht realisieren können. Das geht jedem Familienvater so, und so ist es auch hier.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist das einer der entscheidenden Punkte, warum der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion keine Zustimmung erfahren kann: Er führt letztendlich zu einer Verstaatlichung der Kinderbetreuung in unserem Land Hessen.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN: Oh!)

Ja, das mag die LINKEN freuen, und das mag die anderen etwas entsetzen. Aber es ist so. Man verkennt dabei die Freiheit der Träger in den Kommunen, man verkennt die

ursprüngliche Verantwortlichkeit für einen solchen Gesetzentwurf, und man verkennt letztendlich auch die soliden Finanzierungsmöglichkeiten.

Ihr Gesetzentwurf ist auch praktisch nicht umsetzbar. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die parallele Umsetzung von jeweils umfangreichen Maßnahmenpaketen in der Kinderbetreuung in einem Zeitraum von lediglich zwei Jahren würde die in der Praxis Tätigen nicht nur vor immense Herausforderungen stellen, sondern sie wäre, realistisch gesehen, auch nicht umsetzbar. Sie schlagen eine komplette Beitragsfreiheit vor. Sie ist letztendlich nicht finanzierbar.

(René Rock (FDP): Das machen Sie doch selbst!)

Die Umstellung der Personalberechnung von der kindbezogenen Berechnung auf eine Gruppenberechnung wird die Träger vor unglaubliche bürokratische Herausforderungen stellen. Neue Personalverordnungen wären notwendig.

Letztendlich scheint Ihnen aber all dies nicht interessant genug zu sein, um darüber nachzudenken, in welche Richtung Sie gehen. Ich werde beim nächsten Tagesordnungspunkt noch einmal Stellung dazu beziehen. Dann werde ich auch noch einmal darauf eingehen, wie man die Kinderbetreuung in unserem Land realistisch organisieren kann. Das, was die SPD vorschlägt, ist letztendlich unrealistisch, unfinanzierbar und ein „Wünsch Dir was“-Katalog.

(Gerhard Merz (SPD): Unseriös!)

Das kann man machen, wenn man in der Opposition ist, aber nicht, wenn man verantwortungsvolle Regierungspolitik betreibt.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Grüttner. – Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Merz noch einmal zu Wort gemeldet.

(Manfred Pentz (CDU): Wir wollen jetzt abstimmen!)

Herr Pentz, was Sie wollen, spielt hier keine Rolle. – Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass der Minister gesprochen und hier das Märchen von Rumpelstilzchen – „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß“ – aufgeführt hat.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eigentlich die Rolle, die der Kollege Bocklet normalerweise hat. Das ist das Spiel „good cop, bad cop“. Wie dem auch sei, ich habe mich schon gewundert, dass er eine andere Platte aufgelegt hat. Aber die Platte, die er sonst auflegt, hat er offensichtlich Ihnen geliehen. Herr Kollege Bocklet, ich will jetzt noch etwas zu dieser Platte anmerken, weil Sie es am Ende doch gesagt haben.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Doch, Sie haben es am Ende noch gesagt. Ich hätte Sie sonst auch nicht wiedererkannt; ich wollte schon Kreide kaufen als Ersatz für die vielen Kreidestücke, die Sie gegessen haben.

(Zuruf des Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie haben wieder diese Nummer mit „Wer allen alles verspricht“ gebracht. Dann haben Sie den Satz, den Sie sonst immer sagen, auf bemerkenswerte Weise abgewandelt: Wer allen alles verspricht, wird kein Versprechen halten. – Der Ursprungssatz lautete: Wer allen alles verspricht, wird niemandem etwas versprechen. – Ich habe mir erlaubt, an mehreren Stellen – zuletzt in der letzten Ausschusssitzung – darauf hinzuweisen, dass das logischer und philologischer Blödsinn ist, nicht mehr und nicht weniger. Über die Qualität unserer Versprechen sagt das gar nichts. – Das ist der erste Punkt.

(Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe das nicht verstanden! Können Sie es noch einmal erklären?)

Wenn Sie die Logik nicht verstehen, kann ich es auch nicht ändern. Aber ich kann Ihnen nachher ein Privatissimum erteilen.

Zweiter Punkt. Zu den Kosten: Es ist hier von 2,4 Milliarden € gesprochen worden. Wir wollen festhalten, dass die 2,4 Milliarden € inklusive der investiven Kosten zu verstehen sind. Von denen reden wir nicht; wir reden von den Betriebskosten.

Herr Kollege Boddenberg, gestatten Sie mir, aus Ihrem Brief zu zitieren:

(Michael Boddenberg (CDU): Ja!)

Wenn auch die ganztätige Betreuung und auch die Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren kostenfrei zur Verfügung gestellt würden, dann würde das die kommenden Generationen mit einer zusätzlichen Finanzlast von mindestens 1 Milliarde € belasten.

Das ist nur die Gebührenbefreiung. Jetzt sage ich Ihnen, was die reale Situation ist: Die reale Situation sieht so aus, dass in Hessen übers Jahr etwa 400 Millionen € aus Gebühren – und zwar für alles: U-3-, Ü-3- und Hortbetreuung – eingenommen werden. Wir reden darüber, dass 400 Millionen € Einnahmeausfall an Gebühren zu ersetzen wären. Das ist vergleichsweise weit entfernt von 1 Milliarde €.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Herr Minister, ausweislich Ihrer Auskunft haben Sie 440 Millionen € im Doppelhaushalt veranschlagt. Das heißt, in der Endphase, in der das ganze Jahr zu bezahlen ist, sind das, wenn ich es richtig sehe, 310 Millionen €. Ich lasse jetzt einmal die Frage weg, die wir nachher erörtern, wer die Chose bezahlt. Wenn wir jetzt die Differenz zwischen dem Ganztag und dem, was an U-3-Gebühren noch zu erbringen ist, berechnen – U 3 bei einer Inanspruchnahme von um die 35 %, während wir bei Ü 3 natürlich bei weit über 90 % liegen, natürlich bei allen drei Jahren, die derzeit beitragspflichtig sind –, dann sind Sie so weit entfernt, von den 400 Millionen €, von denen ich auf einer anderen Grundlage ausgehe, auch nicht. – Punkt zwei.

Punkt drei. Irgendjemand hat erwähnt, wir hätten 310 Millionen € im Haushalt beantragt. Ja, das haben wir, und zwar auf der Grundlage des Status quo ante Ihres Gesetzentwurfs und dafür, was wir in den Jahren 2018 und 2019 zusätzlich würden haben wollen. Das ist die Basis, die Geschäftsgrundlage, auf der wir unsere Haushaltsanträge gestellt haben. Die war auch realistisch.

Was die zukünftige Finanzierung angeht, so ist natürlich in Rechnung zu stellen: Bei allen Berechnungen, die von jetzt an, also von Donnerstag an, anzustellen sind, müssten wir von dem Stand nach dem schwarz-grünen Gesetz ausgehen. Herr Kollege Bartelt, ich habe immer, auch in der ersten Lesung, anerkannt, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

Natürlich habe ich das getan, weil mehr Gebührenbefreiung besser ist als weniger.

(Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!)

Ich bin doch nicht so blöd, zu sagen, dass das nichts ist. So blöd werden Sie mich hier noch nicht erlebt haben. Deswegen kann davon keine Rede sein, und deswegen wird natürlich ein Teil dessen, was wir wollen, im Grunde realisiert sein. Für uns wird es leichter, das zu finanzieren, was wir uns überdies vorgenommen haben. Ich bleibe dabei: Ihr Gesetz ist da gelobt worden

Herr Merz, kommen Sie bitte zum Schluss.

noch zwei Sätze –, wo es um Gebührenfreiheit als erster Schritt geht. Er ist durchgefallen, wo es um Qualitätsverbesserung geht.

Da nicht zu erwarten ist, dass unser Gesetzentwurf, obwohl er der bessere ist, eine Mehrheit findet, beantrage ich die dritte Lesung.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Merz. – Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal Herr Rock.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Minister Grüttner, wenn ich die Historie der Debatte zugrunde lege und mir überlege, was Sie gerade gesagt haben, wenn ich überlege, wie Sie sich vor wenigen Monaten zur Gebührenfreistellung in Kitas geäußert haben und wie Sie sich jetzt über die darüber hinausgehende Gebührenfreistellung der SPD geäußert haben, müsste ich erwarten, dass Sie vor der Wahl noch einen Gesetzentwurf einbringen und diese Gebührenfreistellung auch noch beantragen. Das wäre genau Ihre Standhaftigkeit.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn man bei diesem Thema von Glaubwürdigkeit spricht und andere angreift, sollte man erst einmal schauen, wie man selbst noch vor wenigen Wochen gesprochen und mit welchen Argumenten man genau die Politik abgelehnt hat, die man jetzt macht. Wenn Sie immer wieder davon sprechen, auch Qualität sei Ihnen wichtig, dann müssen Sie auch dafür eintreten, dass Qualitätsstandards in Gesetzen festgeschrieben werden; sonst wird sich die Qualität nur sehr langsam weiterentwickeln.