Protokoll der Sitzung vom 24.04.2018

Na ja, das sind schon Weltmarktführer, liebe Frau Wissler. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen. Die Firma Van Hees in Walluf, die ich zusammen mit der Rheingauer Abgeordneten besucht habe, bringt ein fleischähnliches Produkt auf den Markt, das aus Pilzproteinen entwickelt wurde. Ich möchte mit Ihnen nicht über Geschmack oder Nicht-Geschmack diskutieren – ich habe es gegessen, und es hat mir geschmeckt –, aber es ist wichtig für den Weltmarkt, und es ist einzigartig, was hier gemacht wird.

(Zuruf von der LINKEN)

Oder nehmen Sie das Ingenieurbüro für Medizintechnik in Wettenberg. Die haben ein portables Endgerät für die Überwachung einer der am meisten uns belastenden Volkskrankheiten entwickelt – 7 Millionen Betroffene in Deutschland –, nämlich die chronisch obstruktive Lungenkrankheit oder auch Raucherlunge. Auch das ist einzigartig. Insoweit sind es natürlich Weltmarktführer, und ich könnte diese Liste beliebig fortsetzen.

Sie sehen, die bei der Regierungsübernahme 1999 fast brachliegende hessische Forschungslandschaft hat mit LOEWE einen Schub erfahren, der bundesweit seinesgleichen sucht. Wir sind von „ferner liefen“ in die Spitzengruppe vorgestoßen. Ich kann mir schon vorstellen – es deutet sich ja schon an –, was Sie alles sagen werden: „Alles schön und gut, Herr Minister, LOEWE ist eine klasse Sache, wir sind sowieso alle dafür – aber Sie sagen uns ja gar nichts Neues.“

(Zuruf des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Das ist das immer gleiche Spiel und die immer gleiche Leier, Oppositionsfolklore eben. Das müssen Sie machen, aber ich will Ihnen einmal drei Punkte dazu sagen, lieber Herr Lenders – den ich ja sonst sehr schätze.

Erstens. Warum haben Sie es nicht einfach gemacht, als Sie regiert haben? Sie hatten doch die Gelegenheit dazu.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zweitens. Erfolg in der Forschungslandschaft dauert Jahre. Ich glaube, wir sind gut beraten – unsere Wissenschaftler sind sehr dankbar dafür –, wenn wir Kontinuität und Stabilität unserer Programme sichern. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass die bestehenden Förderlinien bleiben und eben nicht verändert werden; denn wir sehen doch jedes Jahr an den Anträgen, dass es genügend neue und innovative Projekte gibt.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. Ich will es zugestehen und habe es eben schon gesagt: Wir arbeiten natürlich auch immer an der Fort- und Weiterentwicklung von LOEWE – aber immer in Übereinstimmung mit dem Programmbeirat. Es ist ja nicht so, als würden wir als Staat sagen: „So muss es sein“, und ich als Minister: „Das will ich so“, sondern das erfolgt wissenschaftlich auf höchstem Niveau. Deswegen hat es auch entsprechende Standards, und deswegen arbeiten wir in Übereinstimmung an der Weiterentwicklung.

Ich finde, wir sollten in der neuen Legislaturperiode mit den LOEWE-Gremien neue Förderformate beraten, beispielsweise die Förderung von Start-ups oder auch eigene LOEWE-Professuren. Dann werden wir im Gesamtumfeld der deutschen Forschungslandschaft einmal sehen, wo wir spezifische hessische Bedürfnisse haben, und sie auch abdecken, damit die Marke LOEWE weiterhin das bundesweite Renommee behält, das sie bereits heute hat.

Ich komme zum Schluss und will mich bei all denen bedanken, die LOEWE möglich machen. Das sind vor allem der Programmbeirat und sein Vorsitzender. Unsere LOEWE-Gremien sind herausragend besetzt, und es bereitet mir riesiges Vergnügen, insbesondere mit Prof. Einhäupl zusammenzutreffen. Er ist als ehemaliger Vorsitzender des Wissenschaftsrates eine der Leitfiguren der Wissenschaftslandschaft, und er ist mit den zahlreichen anderen Mitgliedern, die uns beraten und unterstützen, eine wesentliche Quelle des Erfolgs von LOEWE.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber natürlich gehört auch die LOEWE-Geschäftsstelle in meinem Haus, angeführt von Frau Maske-Pagel, dazu, die LOEWE mit ganz großem Engagement und Herzblut erfüllen. Sie und ihre Kollegen leisten Enormes, das weiß ich sehr wohl, und ich weiß es auch zu schätzen. Ich glaube, das ist auch hier im Hessischen Landtag der Fall.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber natürlich gehören auch die Abgeordneten des Hessischen Landtags dazu; denn ohne die Unterstützung des Landtags, des Haushaltsgesetzgebers, und ohne das Engagement der Abgeordneten hätte es LOEWE so, wie LOEWE heute dasteht, nie gegeben. Deswegen sage ich an Sie alle ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich – sie kommen zuletzt, dabei hätte ich sie zuerst nennen müssen – danke ich den Forscherinnen und Forschern, vor deren Leistungen, vor deren Herzblut und vor deren Engagement ich einen Heidenrespekt habe und de

nen ich für ihren Einsatz für den Wissenschaftsstandort Hessen außerordentlich dankbar bin. Ich genieße die Zusammenarbeit mit ihnen jeden Tag und über die Maßen. Das macht große Freude, und sie bringen unser Land riesig voran. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Meine Damen und Herren, Wissenschaft und Forschung, Innovation und der Transfer von Ideen in die Unternehmen und in die Gesellschaft: Das sind die zentralen Voraussetzungen für Wachstum, für Wohlstand und für Arbeitsplätze in unserem Land. Deswegen setzt die Landesregierung klare Signale für Wissenschaft und Forschung. Sie positioniert den Wissenschaftsstandort Hessen in der Spitzengruppe in Deutschland. Wir haben seit 1999 eine einzigartige Aufholjagd hingelegt, weil wir wissen, dass das langfristige Wohl einer Gesellschaft entscheidend von Wissenschaft und Forschung abhängt. Noch nie in der Geschichte dieses Landes wurde in diesem Bereich so intensiv und stark investiert.

Aus diesem Grund werbe ich bei allen Mitgliedern dieses Hauses dafür, diesen Weg weiterhin gehen zu können und ihn weiterhin zu unterstützen; denn diese Landesregierung ist der zuverlässigste Garant dafür, dass auch weiterhin massiv in die Zukunftsthemen dieses Landes – Bildung, Forschung und Wissenschaft – investiert wird. – Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit und herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und dem BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Jetzt seid ihr aber mit dem Applaus unter der Zeitvorgabe geblieben! – Gegenruf von der CDU)

Vielen Dank. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abg. Grumbach. Bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zwei Vorbemerkungen:

Erste Vorbemerkung. Wir haben LOEWE immer akzeptiert, weil es bestimmte Dinge fokussiert. Es hat aber ein paar Nebenwirkungen, über die man nachdenken muss. Das Spannende ist, dass darüber nicht nachgedacht wird.

Zweite Vorbemerkung. Hier will ich wiederholen, was ich zu einer ähnlichen Regierungserklärung am 14. Oktober 2014 gesagt habe: Herr Minister, wir lesen Ihre Presserklärungen.

(Heiterkeit des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Der Inhalt Ihrer Regierungserklärung entspricht exakt den Presseerklärungen vom 26. Juni 2017, 5. Juli 2017, 5. Dezember 2017 plus der jährlichen Presseerklärung „LOEWE weiter auf Erfolgskurs“, plus der Presseerklärung zum Hochschulpakt, plus Presseerklärung zu HEUREKA, plus der Aktuellen Stunde vom 1. Februar 2018 und der Regierungserklärung vom 14. Oktober 2014.

(Michael Boddenberg (CDU): Noch nie etwas von Kontinuität gehört?)

Darüber hinaus haben Sie exakt das Hawking-Zitat und die Start-ups eingefügt. – Für eine Regierungserklärung aber ist das entschieden zu wenig.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Also, wieder der Werbeblock – und so, wie er vorgetragen ist, prophezeie ich Ihnen eine gute Karriere nach dem Ministeramt bei Segmüller oder anderen.

(Heiterkeit bei der SPD und der LINKEN)

Was wäre die Alternative gewesen? – Eine Alternative wäre es gewesen, entweder etwas Neues vorzutragen – dazu müsste man etwas haben – oder, was ich durchaus für akzeptabel gehalten hätte, etwas zum gemeinsamen Nachdenken. Ich finde, zum gemeinsamen Nachdenken gibt es genug.

Ich will einmal eine Zahl vortragen, die ich sehr interessant finde. Im Jahr 2000 betrug der Anteil der Forschungsmittel hessischer Hochschulen, gemessen an allen Forschungsmitteln an Hochschulen bundesweit, 7 %. Im Jahr 2016 – weiter reicht leider die Statistik des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nicht – waren es 6,8 %. Das heißt, im Vergleich mit den Bundesländern ist dieses Super-Bundesland ein Stück runtergerutscht, weil ein paar andere Bundesländer etwas mehr gemacht haben. Die spannende Frage ist, wie sozusagen die Begeisterung für LOEWE und diese Zahl zu erklären sind. Sie hängt nämlich ein Stück an der Strategie.

Dieses Bundesland hat auf eine Fokussierung auf Spitzenforschung gesetzt und dafür 2,5 % seiner Hochschulmittel gebunden. Die anderen Bundesländer haben das Geld einfach den Hochschulen gegeben und gesagt: Die Hochschulen sind in der Lage dazu, das alleine zu machen. – Das ist exakt der Unterschied.

Mit Verlaub, damit kommen wir auch zu dem, wer hier etwas geleistet hat. Etwas geleistet haben hier die Hochschulen. Geleistet haben das Forscherinnen und Forscher. Wenn Sie die 1.600 Stellen anschauen, die Sie sozusagen zusätzlich geschaffen haben: Exakt der gleiche Betrag im normalen Hochschulbetrieb hätte über 2.000 Stellen geschaffen, weil die Selbstausbeutung – das sage ich einmal kritisch – von Hochschulmitarbeiterinnen und -mitarbeitern eine völlig andere ist als die in gut bezahlten Forschungsprojekten. Ich finde, an der Stelle haben Sie einen Weg gewählt, der für sich gut wäre, wenn Sie endlich die Grundfinanzierung in Ordnung bringen würden. Aber an der Grundfinanzierung leiden wir.

(Beifall bei der SPD)

Das ist das Problem, und das ist kein Problem der hessischen CDU. Ich habe die Debatte über Leuchtturmstrategien schon einmal mit dem britischen Premierminister in Oxford diskutiert. Leuchttürme funktionieren so, dass sie Licht ins Dunkel bringen. Das heißt aber auch: Wo sie sind, ist es hell, aber rundherum bleibt es erst einmal dunkel.

Die Frage ist, ob das auf Dauer eine kluge Strategie ist. Für eine bestimmte Zeit – die Exzellenzinitiative im Bund ist nach einem ähnlichen Konzept gestrickt – ist die Fokussierung eine mögliche Strategie. Aber die Frage ist: Hält das bei den Universitäten dauerhaft die Forschung am Laufen,

oder bindet es Forschungsmittel, die die Universitäten für etwas anderes brauchen?

Ich finde, wenn man diese Frage beantworten will, muss man eine Idee dafür haben, wie Hochschule funktionieren soll. Wie sollen Forschung und Lehre funktionieren? Geld ausgeben allein ist jedenfalls keine Hochschulpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Unsere Position ist – der Kollege Müller hat, als er noch im Landtag war, das einmal als altmodisch beschrieben –, dass jeder Studierende Lehre und Forschung erleben soll. Das heißt, jeder Studierende muss einmal in seinem Studienleben ernsthafte Forschung betrieben haben können. Dazu müssen die Hochschulen in die Lage versetzt werden.

Wenn Sie sich die Mittelzuweisungen an die Hochschulen anschauen, werden Sie feststellen, dass sie gerade einmal die Lehre abdecken. Mit Verlaub, Ihre Kollegin Frau Karliczek auf Bundesebene hat darauf hingewiesen, dass sich die Bundesländer aus der Finanzierung der Hochschulen zurückziehen. Vor zehn Jahren waren noch 73 % der Finanzmittel der Hochschulen Landesmittel. Heute sind es nur noch knapp über 50 %. Ein Punkt ist, dass der Bund eingesprungen ist, und wir waren auch alle dafür. Aber dass sich die Länder so weit zurückziehen, war nicht Bestandteil dieser Debatte, sondern es ist ein Punkt – da bin ich nicht bei der Frage, dass das jetzt parteipolitisch ist – des gemeinsamen Nachdenkens. Denn bei der Hochschulfinanzierung müssen wir über einige Punkte nachdenken.

Der erste Punkt ist die Grundfinanzierung, die Forschung auch aus den normalen Hochschulmitteln möglich macht.

Der zweite Punkt ist, dass Hessen – das habe ich in der Haushaltsdebatte schon einmal angeführt – 5 % weniger Akademiker ausbildet, als der hessische Arbeitsmarkt vermutlich braucht. Das sind Zahlen eines Instituts, das vom hessischen Wirtschaftsministerium dafür gefördert wird und das seit Jahren macht.

Der dritte Punkt ist – das hat der Minister selbst angesprochen –: Das Betreuungsverhältnis z. B. an der Uni Frankfurt zwischen Professoren und Studierenden liegt inzwischen bei 1 : 92. Es gibt nur ein einziges Bundesland, in dem es schlechter ist. Das ist NRW. Alle anderen sind deutlich besser. Dass sich Hessen mit diesem riesigen Flächenstaat und seinen Finanz- und Strukturproblemen vergleicht, finde ich schon spannend. Selbst die ostdeutschen Länder schaffen es.

Den vierten Punkt finde ich einfach frech: die QSL-Mittel auf Ihre Fahnen zu schreiben.