Darauf wollten wir reagieren, weil wir analysiert haben, was wohl die Überlegung dahinter ist. Nach unserer Analyse haben wir festgestellt, dass es dort das Gefühl gibt: Wenn ich den Weg einer vollschulischen Ausbildung weitergehe, lasse ich mir alle Wege offen, während das bei der beruflichen Bildung möglicherweise nicht so ist. – Daher macht der Modellversuch des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte etwas ganz deutlich: Nein, die berufliche Bildung ist der vollschulischen, der akademischen Bildung gleichwertig. Wenn du dich entscheidest, nach der mittleren Reife eine Berufsausbildung über drei Jahre zu absolvieren, und mindestens mit der Note 2,5 oder besser abschließt, dann hast du genauso Anspruch und Möglichkeit, eine hessische Hochschule zu besuchen, wie wenn du beispielsweise die Fachoberschule besucht hast.
Daher ist das ein Beitrag für die Bildungsgerechtigkeit in unserem Land und eben auch für die Gleichwertigkeit beider Säulen des Bildungssystems. Das wird von den Menschen auch wahrgenommen und angenommen. Es ist eben nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern diese 235 Studierenden, die wir jetzt haben, sind leuchtende Beispiele für weitere Schülerinnen und Schüler, die sich jetzt auf den Weg machen und überlegen: Wie geht es für mich weiter?
All das wird sich auf Dauer auszahlen und wird zeigen, dass eine weitere Zugangsmöglichkeit die berufliche Bildung stärkt. Ich finde das eine sehr gute Nachricht für unser Land.
Von daher glaube ich – Frau Kollegin Habermann, Sie haben es implizit dargelegt –, dass es wichtig ist, dass wir als Politik immer wieder darüber reden. Ja, natürlich ist das ein Prozess, dass man das bekannt machen muss. Ja, das ist sicherlich noch nicht überall bekannt, und wir müssen dafür arbeiten, dass es noch mehr in die Köpfe kommt. Von daher ist es doch wichtig, dass wir als Politik innehalten und evaluieren: Wie wirken die Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen? Wird das angenommen? Was gibt es noch zu tun?
Wenn wir dann feststellen, es gibt ein großes Potenzial, wenn wir sehen, es gibt Übertritte von der beruflichen Bildung, aus der beruflichen Qualifizierung in die Hochschulen, dann ist es wichtig, dass wir das auch kommunizieren. Auch diesem Zweck dient der heutige Setzpunkt.
Damit machen wir für Schülerinnen und Schüler weiter deutlich: Es gibt gleichwertige Wege, die in die Hochschulen führen. Auch die berufliche Qualifizierung gehört dazu.
Damit werden wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass wir wegkommen von dem Entweder-oder von akademischer und beruflicher Bildung und dahin kommen, dass wir sagen: Es muss ein Sowohl-als-auch zwischen beidem geben. Ich glaube, es ist hinreichend deutlich geworden, dass der Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte gerade nicht heißt, dass jeder studieren muss oder soll. Das ist gar nicht der Punkt, sondern es geht darum, dass wir Gleichwertigkeit zeigen und dass wir sagen: Es gibt eine Durchlässigkeit der Bildungswege, und diese Durchlässigkeit ist uns wichtig. Wir wollen sie darstellen.
Was mir auch wichtig ist: Die Hochschulen werden von der Sichtweise der beruflich Qualifizierten profitieren, wenn sie sich auf sie einlassen. Von daher war uns der Punkt wichtig, dass wir neben dieser formalen Öffnung der Hochschulen auch die faktische Öffnung der Hochschulen vorantreiben, indem wir den Übergang von der beruflichen Bildung in die Hochschulen unterstützen, weil eben doch noch gewisse Unterschiede bestehen und auch bestehen bleiben werden. Mit solchen Brückenkursen und Ähnlichem wollen wir deutlich sagen: Es gibt keine versteckten Fallstricke. Das Gegenteil ist der Fall. Wir fördern dich, wenn du diesen Weg gehst. – Ich glaube, dass das eine wichtige Nachricht für die jungen Menschen ist.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Es gibt gelegentlich die Debatte über die erhöhte Bildungsaspiration junger Menschen, also den Wunsch, mehr Qualifikation auf sich zu nehmen und in Betracht zu ziehen, irgendwann eine Hochschulbildung zu genießen. Das wird gelegentlich negativ dargestellt. Es gibt Beiträge über den angeblichen Akademisierungswahn und Ähnliches.
Ich glaube, dass das nicht hilfreich ist. Es macht keinen Sinn, den jungen Menschen, die Überlegungen für ihre eigene Karriere anstellen, Vorschriften zu machen. Vielmehr müssen wir ihnen neue Angebote machen. Wir müssen die neuen Nachfragen gestalten und neue Möglichkeiten schaffen. Ich glaube, dass das, was dort stattfindet, eine Art Bildungsexpansion ist, die aus der Entwicklung von Globalisierung und Digitalisierung hervorgeht.
Von daher ist es richtig, dass wir sagen: Wir brauchen den gut ausgebildeten beruflich Qualifizierten genauso wie den Akademiker, und wir müssen zwischen beiden Wegen die Durchlässigkeit noch weiter erhöhen. Wir müssen einerseits denen neue Zugangsmöglichkeiten geben, die sagen: Ich möchte nach einer beruflichen Qualifizierung ein Studium aufnehmen.
Ich darf an dieser Stelle aber auch erwähnen, dass man zu dem anderen Weg klar sagt: Es ist nicht das Ende aller Tage, wenn du für dich feststellst, dass das mit dem Studium vielleicht doch nichts war. – Da müssen wir sagen: Du hast Vorleistungen gemacht, die wir anerkennen wollen. Wir wollen dir helfen, einen anderen Weg zu gehen, wenn du für dich feststellst, die akademische Bildung ist nicht das
Das sind Maßnahmen, die die Durchlässigkeit der Bildung in unserem Land verbessern. Wir wollen diesen Weg weitergehen, mehr Durchlässigkeit zwischen akademischer Bildung und beruflicher Bildung zu schaffen, weil das mehr Chancen und Bildungsgerechtigkeit für unser Land bedeutet. Ich glaube, dass der Zwischenstand, den wir jetzt mit 235 beruflich Qualifizierten an unseren Hochschulen erreicht haben, ein guter Zwischenstand auf diesem Weg ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der Koalition greift das positive Zwischenfazit auf, das im Februar von der Hochschule für angewandte Wissenschaft in Frankfurt am Main, der Justus-Liebig-Universität in Gießen, Opel und der VhU mit dem Wissenschaftsminister gezogen wurde.
Schaut man sich die ersten Zahlen an, dann ist es durchaus zu begrüßen, dass dieser Modellversuch, der von Beginn an positiv von den Unternehmerverbänden und Industrieund Handelskammern begleitet wurde, bereits 235 Teilnehmer erreicht hat. Auch wenn wir Freie Demokraten uns in der Debatte zur Novellierung des Hochschulgesetzes und der damit verbundenen Einführung skeptisch geäußert haben, so erkennen wir durchaus die Erfolge an, die die beteiligten Partner erzielt haben, und teilen auch die Zielsetzung, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu verbessern.
Wir sind aber nach wie vor der Überzeugung, dass die Angebote im Bereich der beruflichen Bildung bereits dazu beitragen, dass Anschlussfähigkeit und lebenslanges Lernen ermöglicht werden, und zwar nicht erst seit dem neuen hessischen Modellversuch.
Vor diesem Hintergrund sollten sich die verschiedenen Modelle gegenseitig stützen und die Weiterentwicklung der beruflichen Perspektiven des bzw. der Einzelnen ermöglichen. Mir geht es nicht um die Ersetzung oder die Bevorzugung eines Modells, sondern um die Sicherstellung des lebenslangen Lernens und die Anschlussfähigkeit in unserem Bildungssystem, welches nicht mit dem Schulabschluss, Berufsabschluss oder Hochschulabschluss endet, sondern Entwicklungsmöglichkeiten zulässt.
In diesem Sinne kann man Frau Dr. Brigitte Scheuerle, Federführerin berufliche Bildung der Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern, zustimmen, die im Zusammenhang mit der Einführung des Modellversuchs mit folgenden Worten zitiert wurde:
Aber die Einführung eines Modellversuchs ist nicht ausreichend, sondern es ist geradezu eine Verpflichtung der Landesregierung, sich mit Weiterentwicklung und den Konsequenzen zu befassen, die sich aus der Bilanz für die Hochschulen, aber auch für die Unternehmen und die wirtschaftliche Entwicklung in Hessen ergeben.
Sie müssen sich damit beschäftigen und darlegen, in welchem Rahmen Sie den Kurs fortführen oder gegebenenfalls verändern und anpassen möchten.
Wir Freie Demokraten wollen die Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Bildung. Wir wollen vor allem auch die Entscheidung, welchen beruflichen oder akademischen Weg jemand einschlagen möchte, dem Einzelnen überlassen. Diese Angebote müssen attraktiv gestaltet werden. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, sodass eine wirkliche Wahlmöglichkeit besteht.
Wir wenden uns gegen eine Präferenz zugunsten eines Abschlusses oder eines Bildungsgangs; denn das Bild ist doch in fast allen Branchen das gleiche: Wir brauchen überall qualifizierte Fachkräfte und müssen sie fördern.
Der Fachkräftemangel droht zu einer massiven Entwicklungsbremse der hessischen Wirtschaft zu werden. Ab 2030 wird die demografische Entwicklung zuschlagen, weil dann jedes Jahr geburtenstarke Jahrgänge aus dem Arbeitsmarkt gehen. Deshalb kann man uneingeschränkt den einleitenden Worten des Wissenschaftsrats zustimmen, die wie folgt lauten:
Für die zukünftige Versorgung der Gesellschaft mit Fachkräften erachtet der Wissenschaftsrat eine funktionale Balance zwischen beruflicher und akademischer Bildung als unverzichtbar. Die sich wandelnden Qualifikationsbedarfe und -anforderungen des Arbeitsmarktes erfordern zudem eine stärkere Verzahnung der beiden Bildungsbereiche.
In Punkt 1 Ihres Antrags heben Sie hervor, dass Sie in Ihren Grundzügen den Überlegungen des Wissenschaftsrats gefolgt sind. Aber der Modellversuch für beruflich Qualifizierte ist nur eine Möglichkeit, um die Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zu steigern.
Der Wissenschaftsrat hat beispielsweise auch hervorgehoben, dass er erstens die Hochschulen ermuntert, die Öffnung für beruflich qualifizierte Studierende als Profilbildungsmaßnahme zu nutzen. Bund und Ländern empfiehlt er, eine derartige Profilierung über geeignete Anreize zu fördern.
Zweitens plädiert er dafür, dass die Hochschulen, um für berufserfahrene Bewerberinnen und Bewerber mit und ohne schulische Studienberechtigung attraktiv zu werden, mit entsprechenden Schwerpunkten die Schaffung von gezielt an die Bedürfnisse beruflich Qualifizierter angepassten Studienbedingungen vorantreiben.
Einen wesentlichen Baustein zur weiteren Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte sieht der Wissenschaftsrat drittens in der Anrechnung beruflich erworbener Kompetenzen.
Der Wissenschaftsrat empfiehlt viertens den weiteren Ausbau hybrider Ausbildungsangebote und die Ausweitung des Spektrums hybrider Ausbildungsformate. In Ihrem Antrag gehen Sie darauf in Punkt 4 kurz und knapp ein. Aber auch hier bleiben Sie bei der Aufzählung der Angebote, die die Hochschulen selbst entwickelt haben. Gerade mit Blick auf die kürzlich geführten Gespräche mit den Hochschulpräsidenten ergeben sich aber noch weiterführende Aufgaben, die auch von der Landesregierung aufgegriffen werden könnten, z. B. die Forderung nach einem Weiterbildungsbachelor oder die Möglichkeit, über Zertifikate langfristig Abschlüsse zu erwerben.
Dies würde ebenso dazu beitragen, die Durchlässigkeit, aber eben auch die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zu stärken. Wir fragen uns: Welche Möglichkeit sieht das Wissenschaftsministerium diesbezüglich, und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie insbesondere mit Blick auf das Blended Learning?
Eine weitere Herausforderung, der sich sowohl die berufliche als auch die akademische Ausbildung stellen muss, ist die Anpassung von Berufsbildern an die Bedürfnisse des digitalen Zeitalters. Hierbei bedarf es der Unterstützung, die seitens der Hochschulen eingefordert wird.
Kein Wort findet sich in dem Antrag zur Möglichkeit, hybride Ausbildungsmodelle zu stärken bzw. auszuweiten, die dazu beitragen könnten, wie ich es eben gesagt habe, beide Sektoren, die berufliche und die akademische Ausbildung, in eine funktionale Balance zu bringen und zu halten. Diese werden im Berufsbildungsbericht 2018 explizit hervorgehoben und bedürfen abgestimmter Konzepte, die von den beteiligten Ressorts umgesetzt werden.
Vor dem Hintergrund der vielen offenen Fragen, die aufgezeigt wurden, werden wir uns bei diesem Antrag enthalten; denn er stellt wieder einmal einen Part des Werbeblocks der Landesregierung dar, der für uns keinen neuen Erkenntnisgewinn bringt. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Deutschland hat ein hoch selektives Bildungssystem. Der Zugang zu Bildung ist abhängig von Herkunft, Geldbeutel und Bildungsniveau der Eltern; das belegen alle Studien und Untersuchungen. Jeder Schritt, der die Durchlässigkeit des Bildungssystems erhöht und Bildungshürden abbaut, ist daher sinnvoll. Dazu gehört auch die stärkere Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte. Das halten wir ausdrücklich für richtig, weil es dazu dient, Bildungshürden in diesem Bildungssystem abzubauen.
Der hier viel gelobte hessische Modellversuch, der den erleichterten Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte ermöglicht, kann mit 235 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in ganz Hessen natürlich nur ein Anfang sein. Aber es ist ein Anfang, und das erkennen wir an. Die Analyse in Ih