(Michael Boddenberg (CDU): Nennen Sie einmal ein Bundesland, wo pro Kopf mehr Geld für Bildung ausgegeben wird als in Hessen!)
Um die in der Öffentlichkeit, den Medien und der Bildungspolitik geführte Diskussion zum Thema Unterrichtsausfall auf eine sachliche Grundlage zu stellen, wurde zum Schuljahr 2005/2006 das Konzept einer 1999/2000 im Auftrag des Landtags durchgeführten Erhebung zum Unterrichtsausfall aufgegriffen und kontinuierlich weitergeführt.
Mit Beginn des Kalenderjahres 2012 wurde die Erhebung auf sämtliche staatlichen Gymnasien und Realschulen ausgeweitet, …
In Brandenburg gibt es eine Zusatzerhebung zum Unterrichtsausfall. Dieser beläuft sich auf um die 2 %. In Nordrhein-Westfalen – um einmal klarzumachen, dass es nicht darum geht, jede einzelne Schule zur Abfrage zu zwingen – gibt es ein sogenanntes rollierendes Verfahren. Da werden an allen 4.600 öffentlichen Schulen in gewissen Erhebungsintervallen immer wieder Daten abgefragt und hochgerechnet. Meine Damen und Herren, das Ganze kostet schlappe 175.000 €. Ich glaube, das könnte uns das auch wert sein, um endlich einmal eine valide Grundlage für die Beurteilung des Unterrichtsausfalls in Hessen zu haben.
Es gibt übrigens Bundesländer, in denen auf parlamentarische Anfragen geantwortet wird. Als Beispiel möchte ich eine Kleine Anfrage aus dem Thüringer Landtag aus dem Jahr 2012 anführen. Damals hat übrigens noch die CDU in Thüringen regiert. Da stellte ein Abgeordneter die simple Frage, wie hoch der Unterrichtsausfall im Schuljahr war. Die Antwort lautete:
Der durchschnittliche Unterrichtsausfall betrug in allen drei Stichwochen an den staatlichen allgemeinbildenden Schulen zwischen 3 und 4 %.
Man muss den Unterrichtsausfall aber doch eindämmen. Insofern muss man doch Daten haben, damit man weiß, wie viele Vertretungslehrkräfte man braucht.
Wenn man einen Patienten hat, den man behandeln will, muss man doch eine Diagnose erstellen und dem Patienten sagen, was er hat, damit man eine Behandlung einleiten kann, anstatt ihn einfach wegzuschicken und ihm zu sagen: Du hast gar nichts. – So kann es nicht gehen.
Diese Realitätsverweigerung lassen wir Ihnen nicht weiter durchgehen, Herr Minister. Sie müssen sich auch einmal entscheiden. Einerseits lavieren Sie herum und erzählen uns, Sie hätten keine Daten. Andererseits sagen Sie, es gebe keinen Unterrichtsausfall, und die Daten der Landesschülervertretung seien falsch. Sie müssen sich schon einmal entscheiden. Was denn nun? Gibt es keinen Unterrichtsausfall, oder haben Sie keine Daten, Herr Minister?
Entweder der Minister ist so ahnungslos, wie er behauptet, oder das, was er sagt, stimmt nicht, und das wäre schlicht fahrlässig. In beiden Fällen frage ich mich, ob Sie Ihrer Aufgabe noch gewachsen sind, Herr Kultusminister.
Ich bin der Auffassung, er weiß es eigentlich besser. Nehmen wir einmal eine Kleine Anfrage aus dem vergangenen Jahr zum Sportunterricht. Da haben wir 82 % Unterrichtsabdeckung, 79 % Unterrichtsabdeckung an Mittelstufenschulen, 67,9 % Unterrichtsabdeckung allein im Schulsport.
Wenn Sie unseren Kleinen Anfragen schon nicht glauben, dann nehmen Sie doch das Auskunftsersuchen vom Juli vergangenen Jahres. Das hat uns der ehemalige Kollege Irmer netterweise als Abschiedsgeschenk dagelassen, meine Damen und Herren. Hätten wir dieses Auskunftsersuchen gestellt, wäre das wahrscheinlich so nicht beantwortet worden. Dabei ging es um die medizinischen Fachangestellten und deren Ausbildung an beruflichen Schulen. Ich will Ihnen das einmal vorlegen.
Da fragte der Kollege, wie hoch der Unterrichtsausfall in diesem Ausbildungsgang an den beruflichen Schulen sei. Die Antwort des Ministers war – er hat es sogar unterschrieben –, dass der Unterrichtsausfall in den Lernfeldern bei einem Schulamt 24,28 % betrage, bei einem anderen Schulamt 11,7 %, bei einem weiteren Schulamt 32 %.
Meine Damen und Herren, das ist eine Antwort des Kultusministers. Wenn Sie weiterhin behaupten, es gebe keinen Unterrichtsausfall in Hessen, dann ist das nicht redlich.
Beenden Sie endlich diese Scharade, und retten Sie noch einen Funken Glaubwürdigkeit am Ende Ihrer Amtszeit. Diese sogenannte Unterrichtsgarantie sollte einmal ein Vorzeigeprojekt der CDU gewesen sein, übrigens genauso wie „Staufreies Hessen“. Darüber lachen die Hessen doch nur noch.
Am Ende ist das alles nichts anderes als eine weitere Marketingkampagne der CDU, sich dumm zu stellen und zu versuchen, keine Daten zu haben, obwohl man es eigentlich besser weiß. Sie wissen, dass Sie diese Baustellen vor der Landtagswahl nicht mehr in den Griff bekommen. Unterrichtsausfall und Lehrermangel sind Probleme, die Sie in den vergangenen Jahren verschlafen haben und nicht angegangen sind. Das wird sich bitter rächen, meine Damen und Herren.
Das ist doch kein Quatsch. Das sind doch seine eigenen Worte. Schauen Sie doch einmal in seine Antworten.
Herr Bauer, ich habe vorhin gesagt, dass es um die Wirksamkeit geht, damit Lehrkräfte auch vor Ort ankommen und entsprechend eingesetzt werden können.
Verkaufen Sie die Menschen nicht weiter für dumm. Liefern Sie endlich echte Zahlen, und seien Sie ehrlich dabei. Nur so können wir Konzepte entwickeln, um künftig Unterrichtsausfall in Hessen zu minimieren. Dafür steht die SPD.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Kultusminister behauptet wieder einmal, in Hessen falle kein Unterricht aus, es gebe genügend Personal, und es gebe genügend Personal für Vertretungen. Jetzt frage ich Sie: Gibt es irgendwie Paralleluniversen in der hessischen Bildungspolitik: ein ahnungsloser Kultusminister, der auf einer lichtdurchfluteten Sonnenseite agiert, und eine dunkle Seite, auf der es diesen geheimnisvollen Unterrichtsausfall gibt und diesen Lehrermangel und diese Überlastungen?
Gibt es keine fachfremd eingesetzten Kräfte an unseren Schulen, oder sind das vielleicht Aliens? Offenbar sind beide Welten ohne Kontakt und ohne kompatible Kommunikationsstruktur.
Die Frage ist doch: Sind Sie wirklich ahnungslos, Herr Lorz, oder verbreiten Sie nur eitel Sonnenschein in der Öffentlichkeit und ignorieren alle Versuche, Ihnen die Probleme an den hessischen Schulen nahezubringen, weil z. B. nicht sein kann, was nicht sein darf? Wäre Letzteres der Fall, würde ich sagen: Ein solcher Kultusminister ist nicht tragbar.