Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

der jetzt durch den Big Brother Award ausgezeichnet wurde.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Bislang kennen wir keine Änderungen. Der Gesetzentwurf ist jetzt zwei-, dreimal im Innenausschuss geschoben worden. Es gibt immer noch keine Änderungen. Sie haben noch keine Konsequenzen aus der katastrophalen Anhörung gezogen.

Ich will noch einmal auf den Kern des Gesetzentwurfs vom November zurückkommen, der jetzt auch im Rahmen der Verleihung des Big Brother Awards kritisiert wird. Was uns am meisten überrascht, ist: Was hat Sie, CDU und GRÜNE, dazu bewogen, obwohl alle NSU-Untersuchungsausschüsse empfehlen, mehr rechtsstaatliche Kontrolle über den Verfassungsschutz auszuüben, hier in Hessen das Gegenteil zu machen und die Befugnisse des Verfassungsschutzes auszuweiten?

(Zuruf von der SPD: Grün wirkt!)

Auch auf der Grundlage der Erkenntnisse hier im Untersuchungsausschuss wissen wir, dass wir mehr parlamentarische Kontrollrechte brauchen, und zwar im Sinne einer Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle, sodass diese auch wirksam sein kann. Wir brauchen mehr rechtsstaatliche Kontrolle über den Verfassungsschutz und nicht das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Frau Kollegin Faeser, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das mache ich, Herr Präsident. – Sie haben die Wahl. Ziehen Sie endlich Ihren Gesetzentwurf zurück, oder nehmen Sie unseren Änderungsantrag an. Wir haben die Grundrechtseingriffe herausgestrichen und die parlamentarische Kontrolle gestärkt. Wir haben Ihnen etwas vorgelegt, womit wir den Verfassungsschutz besser kontrollieren und vor allem die parlamentarische Kontrolle stärken können. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Das Wort hat Abg. Alexander Bauer, CDU-Fraktion.

Hochverehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder in Deutschland hat das Recht, Preise und Auszeichnungen zu stiften,

(Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD))

um wen auch immer damit zu beglücken. Das machen renommierte Unternehmen, größere Kommunen, das machen Stiftungen und Organisationen aller Art.

(Norbert Schmitt (SPD): Und der Ministerpräsident!)

Manch eine Auszeichnung wird geschaffen, um eine politische Botschaft zu transportieren. Eine solche Auszeichnung wurde nun der CDU-Landtagsfraktion gemeinsam mit den GRÜNEN verliehen.

Der Titel „Big Brother Award“ zeigt zumindest im Kern, um was es geht. Aber man muss sich dann erst einmal kundig machen, wem man denn diese „Auszeichnung“ zu verdanken hat. Ein Verein namens Digitalcourage organisiert diesen Preis in Deutschland. Dahinter verbergen sich Ehrenamtliche und Festangestellte, deren engerer Kreis nach Aussagen auf der Homepage nicht genau festzulegen ist. Zur Jury gehören jedenfalls Personen wie der Chaos Computer Club, auch ein Hochschullehrer und weitere Personen, denen man eher eine politische Agenda zugestehen möchte. Wie auch immer: Diese Jury hat uns diesen Preis verliehen. Damit wir uns nicht missverstehen: Wir haben allen Respekt vor Menschen, die sich für Datenschutz einsetzen.

(Günter Rudolph (SPD): Oh!)

Meine Damen und Herren, das ist wichtig und richtig.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch wir setzen uns für Datenschutz ein. Aber wir machen das aus einer ganz anderen Position heraus. Wir sind keine Beobachter und Hüter der reinen Lehre. Wir sind verantwortliche Politiker und Gesetzgeber. Es fällt uns die schwere Aufgabe zu, das Recht auf Datenschutz mit dem Recht der Bürger auf Schutz vor Kriminalität jeder Art in Einklang zu bringen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diese Grundrechtsabwägung ist wahrlich nicht einfach. Aber wer Politik macht mit dem Anspruch, die Wirklichkeit ernst zu nehmen, der wird sicherlich feststellen: Wir leben in bewegten Zeiten. Es gibt Gefährdungen unterschiedlichster Art und neue Bedrohungen auch mit Blick auf die weltweiten Krisenherde. Das wird niemand bestreiten können.

Unsere Sicherheitsbehörden sind stark gefordert. Deshalb stärken wir unsere Sicherheitsarchitektur personell, in ihrer sachlichen und technischen Ausstattung und auch in ihren rechtlichen Befugnissen. Wir tun das, weil wir es mit Blick auf die Wirklichkeit als geboten erachten.

Politischen Extremismus und Terrorismus von rechts, links, von religiösen Eiferern, auch Kindesmissbrauch – oft in Verbindung mit dem Internet –: Das kann man nicht wegdiskutieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Bekämpfung dieser Kriminalität braucht man auch die richtigen Instrumente. Wir dürfen im digitalen Raum nicht blind werden, wir müssen doch Maßnahmen ergreifen, um schwerste Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen. Und nur darum geht es – es geht um schwerste Kriminalität und um Terrorismus.

Meine Damen und Herren, zur Bekämpfung dieser Agenda ist der Verfassungsschutz nach unserer Auffassung ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur, und er ist auch für eine wehrhafte Demokratie schlicht unverzichtbar.

Der von unserer Fraktion und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachte Entwurf für ein Verfassungsschutzgesetz trägt dem Rechnung. Er trägt auch datenschutzrechtlichen Bedenken Rechnung.

(Günter Rudolph (SPD): Nein!)

In dem Gesetzentwurf räumen wir neue Befugnisse ein, aber wir definieren auch klare Grenzen. Zu diesen Grenzen gehört unter anderem auch der doppelte Richtervorbehalt. So können Maßnahmen nur mit richterlicher Genehmigung eingeleitet werden, und die dadurch zum Zweck der Auswertung erhobenen Informationen erfordern einen zweiten richterlichen Beschluss. Wir haben eine doppelte Tür. Mehr richterliche Kontrolle geht wahrlich an diesem Punkt nicht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben uns die Abwägungen zwischen Sicherheit und Datenschutz nicht leicht gemacht. Die besagte Jury muss nichts abwägen. Sie spricht eher von einer gefährlichen Anhäufung von schwerwiegenden Überwachungsbefugnissen. Sie versteigt sich sogar dazu, von einem schweren Angriff auf Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechte zu sprechen.

Meine Damen und Herren, ein solcher Vorwurf, den der Verein Digitalcourage und seine Jury da erheben, macht ihn doch eigentlich selbst zum Anwärter für einen Negativpreis, und zwar den Negativpreis des goldenen Aluhuts – gemeint ist eine Kopfbedeckung, die aus einer oder mehreren Lagen Alufolie besteht. Dieser Preis wird verliehen für besonders krude Theorien und Verschwörungstheorien.

(Judith Lannert (CDU): Genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als verantwortliche Politiker sind wir in Hessen für die Sicherheit der Menschen verantwortlich. Diese Verantwortung nehmen wir ernst. Genauso ernst nehmen wir die Sorgen im Hinblick auf den Datenschutz und die Freiheit des Einzelnen. Unser Anspruch als Christdemokraten ist es, dass Menschen in Hessen und in Deutschland frei und zugleich sicher leben können. Das sind Aufgabe und Ziel unseres politischen Handelns. Diesem Ziel kommt auch der Entwurf des Verfassungsschutzgesetzes entgegen und wird dem gerecht. Wir werden einen abgestimmten, konsolidierten, modernen und guten Entwurf vorlegen. Wir sorgen mit Nachdruck für mehr Sicherheit in diesem Land. Das ist unsere Aufgabe. Meine Damen und Herren, davon können uns auch diese Preise nicht abhalten.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Das Wort hat Abg. Wagner, Fraktionsvorsitzender des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es mutig, dass die Kolleginnen und Kollegen der SPD den Big Brother Award zum Zeugen ihrer heutigen Anklage machen. Ich finde es mutig für eine Partei, die seit Gründung des Big Brother Awards quasi ein Dauerabo auf die Verleihung des Preises hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich nenne die Preisträger des Big Brother Awards aus den letzten Jahren: Werner Müller, von der SPD benannter Bundeswirtschaftsminister, Fritz Behrens, früherer Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ehrhart Körting, früherer SPD-Innensenator von Berlin, die SPD-geführte Landesregierung von Rheinland-Pfalz im Jahr 2003, die Große Koalition im Bund im Jahr 2008 mit der SPD, Ulla Schmidt, Bundesministerin der SPD, Peer Steinbrück, Bundesminister der SPD, Brigitte Zypries, Bundesministerin der SPD – sie hat ihn gleich zweimal bekommen –,

(Klaus Peter Möller (CDU): Oh!)

und Otto Schily, Bundesminister der SPD. Er hat ihn auch zweimal bekommen, einmal sogar für sein Lebenswerk, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – René Rock (FDP): Oh! – Weitere Zurufe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Mit Otto Schily haben wir GRÜNE auch unsere Erfahrungen.

(Heiterkeit – Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) – Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glockenzeichen des Präsidenten)

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ich finde es mutig, dass man vor dem Hintergrund der ehemaligen Preisträgerinnen und Preisträger den Big Brother Award zum Kronzeugen Ihrer Anklage macht.

Die Reihe der Preisträger der SPD sollte uns zum Kern der Debatte führen, dass das Feld, in dem wir uns bewegen, nicht so ganz einfach ist, wenn wir uns über die Sicherheitsbehörden und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden unterhalten.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)

Das ist immer eine ganz schwierige Abwägung

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Genau!)