(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie der Abg. Michael Boddenberg und Holger Belli- no (CDU))
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat am 17. Januar 2017 entschieden, dass die NPD ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept verfolgt. Sie arbeitet planvoll und mit Intensität dagegen. Ihr Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit den Prinzipien der Demokratie unvereinbar. Da es derzeit noch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht fehlt, hat das Bundesverfassungsgericht diese Partei nicht verboten.
Ich habe das deswegen eingangs gesagt, weil die NPD nach unserer Auffassung schon eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist. Ich denke, das sehen viele oder alle in diesem Haus so. Deswegen müssen wir Demokraten mit allen rechtsstaatlichen Mitteln dagegen vorgehen. Das wollte ich an der Stelle sagen.
(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN sowie der Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Mürvet Öztürk (fraktionslos))
Ich bedanke mich bei allen, die sich in Wetzlar engagiert haben. In dem breit angelegten Bündnis „Bunt statt braun“ haben sich viele engagiert.
Wetzlar steht beispielhaft für viele Städte in der Bundesrepublik, in denen rechte oder extremistische Parteien versuchen, öffentliche Gebäude zu nutzen. Deswegen müssen wir bei der Debatte gemeinsam aufpassen. Das ist uns bei den meisten Positionen bisher gelungen, aber nicht überall. Diese Partei, die diesen Rechtsstaat bekämpft und abschaffen will, nutzt alle rechtsstaatlichen Mittel bis zum Exzess aus. Das ist der Spagat. Das ist zum Teil schwer zu ertragen.
Aber wir müssen es ertragen, dass sie alle Möglichkeiten auf juristische Winkelzüge nutzen. Das ist ein schwieriger Spagat.
Was ist konkret passiert? – Die Stadt Wetzlar hat die Nutzung der Stadthalle zunächst versagt. Dann gab es das Urteil des Verwaltungsgerichts in Gießen. Dann gab es den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs. Am Schluss gab es die Entscheidung aus Karlsruhe. In Karlsruhe prüft man dann nicht mehr so in die Tiefe. Vielmehr war der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs maßgebend.
Das Ergebnis war eindeutig: Die Stadt Wetzlar hat der NPD die Stadthalle zur Verfügung zu stellen. Das ist geltendes Recht. Das muss akzeptiert werden, auch wenn es einem schwerfällt. Aber das ist das Primat des Rechtsstaats. Das hat bisher auch keiner in der Debatte und in der öffentlichen Wahrnehmung ernsthaft bestritten. Das ist auch klar und eindeutig die Position der Mitglieder der SPD-Fraktion.
Ich finde, man kann Entscheidungen von Gerichten natürlich kritisieren. Sie sind zu akzeptieren und zu respektieren. Aber man darf dazu eine Meinung haben. Auch das will ich an der Stelle sehr deutlich sagen.
Ich habe vorhin das NPD-Verbotsverfahren erwähnt. Man hätte auch eine andere klare Positionierung machen können. Jetzt wird es über den Bundestag ein Gesetz geben, mit dem über die Finanzierung versucht werden wird, die Möglichkeiten der politischen Darstellung zu unterbinden. Denn die Finanzierung ist gerade für solche Parteien extrem wichtig.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt versetzen wir uns für einen kurzen Moment in die Situation der Verantwortlichen der Stadt Wetzlar. Sie werden ziemlich alleine gelassen. Denn die zivilrechtliche Nutzung einer Stadthalle mit Mietvertrag, Versicherungsschutz und haftungsrechtlichen Dingen mag Richter vielleicht irgendwie nicht interessieren. Man kann das so sehen. Aber die Verantwortlichen der Stadt Wetzlar sind im Zweifel verantwortlich, wenn etwas passiert. Auf dieses Defizit, auf diese Problematik, auf diese schwierige Herausforderung will ich hinweisen, damit deutlich wird: Die Verantwortlichen in Städten wie Wetzlar dürfen in solchen Situationen nicht alleine gelassen werden, auch nicht durch Gerichtsentscheidungen.
Denn wer trägt eigentlich die Verantwortung, wenn da etwas passiert? Das sind die Verantwortlichen in der Stadt Wetzlar. Das ist der Magistrat, also die politisch Verantwortlichen. Ich finde, da hat es sich insbesondere der Verwaltungsgerichtshof etwas zu einfach gemacht. Die Stadt Wetzlar hat mitgeteilt – das ist bisher unwidersprochen –, dass sich die NPD auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geweigert hat, Versicherungsschutzunterlagen vorzulegen und Nachweise für den Sanitätsdienst zu erbringen. Diese gibt es nicht.
Jetzt sagt ein Gericht, das sei alles völlig egal. Das trifft dann die untersten Stellen. Man lässt sie mit einer großen Herausforderung alleine stehen. Ich finde, das ist nicht akzeptabel.
Ich will etwas zu dem Dringlichen Entschließungsantrag der Koalition, Drucks. 19/6332, sagen. Wir haben das bilateral besprochen. Zu Punkt 3 trage ich folgende Änderung mündlich vor:
Der Landtag unterstützt alle Anstrengungen, Rechtsextremismus im Schulterschluss aller Demokraten entschlossen entgegenzutreten …
Der Landtag unterstützt alle Anstrengungen, Rechtsextremismus im Schulterschluss aller Demokraten entschlossen entgegenzutreten …
Das ist in Punkt 3. Wenn das akzeptiert werden sollte, würden wir dem zustimmen. Denn auch das könnte ein Signal sein: Alle Demokraten sind geschlossen gegen Extremisten. In diesem konkreten Fall geht es gegen den Rechtsextremismus. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin für die Debatte und die Form der Debatte sehr dankbar. Ich finde, dass hier sehr abgewogen mit richtigen Fragen, die unseren Staat betreffen, umgegangen worden ist.
Ich will allerdings eine Vorbemerkung machen: Man möge sich in die Situation versetzen, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Tagen, aber insbesondere am 24. März 2018, gestanden haben. Sie waren einem unglaublichen Druck ausgesetzt. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir in der heutigen Debatte nicht darüber hinweggehen, sondern dass wir das sensibel aufnehmen. Meine Damen und Herren, das muss man schon mit berücksichtigen.
Nachdem sich die Stadt Wetzlar aufgrund eines fehlenden Versicherungsschutzes und eines fehlenden Sanitätsdienstes außerstande sah, die Stadthalle jenseits der üblichen Mietbedingungen, die für jedermann gelten, an die NPD herauszugeben, hat das Bundesverfassungsgericht mit Schreiben vom 26. März um Aufklärung dieses Vorfalls und um Ergreifung der notwendigen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen beim Regierungspräsidium in Gießen gebeten. Vorangegangen waren Entscheidungen des VG Gießen, des VGH Kassel und des Bundesverfassungsgerichts. Das Regierungspräsidium Gießen, die zuständige Behörde, hat dann auch dem Bundesverfassungsgericht mit Schreiben vom 10. April geantwortet. Das Regierungspräsidium hat den Sachverhalt aufgeklärt und gegenüber dem Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass nach den Gesprächen mit der Stadt Wetzlar die Auffassung herrsche, die Stadt werde richterliche und höchstrichterliche Entscheidungen selbstverständlich respektieren und umsetzen.
Mein Ministerium – auch daran möchte ich erinnern – hatte der Stadt Wetzlar Unterstützung zugesagt und auch bereitgestellt, um mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu verhindern, dass die verfassungsfeindliche NPD ihren Parteistatus dazu missbraucht, in Wetzlar Szenebands der gewaltorientierten Neonaziszene unter dem Deckmantel einer Wahlkampfveranstaltung ein Forum zu bieten. Die Hessische Landesregierung hat ihre entschiedene Haltung gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass stets deutlich zum Ausdruck gebracht. Gerade durch rechtsextreme Konzerte aber versucht die NPD oder versuchen Rechtsextremisten, junge Menschen für ihre Zwecke zu gewinnen. Wenn die NPD, wie es im Raum stand und sich letztlich auch gezeigt hat, ihre verfassungsrechtlich geschützte Stellung als Partei dazu missbraucht, um ansonsten verbotene, rechtsextreme Szenekonzerte stattfinden zu lassen, muss dies mit allen Mitteln des Rechtsstaates angegangen werden. Für rechtsextreme Bands ist in Hessen kein Platz, meine Damen und Herren.
Dies war immer unsere Maxime, weshalb wir im Jahr 2017 glücklicherweise auch verhindern konnten, dass rechtsextremistische Konzerte bei uns stattgefunden haben.
In Kenntnis der juristischen sowie materiellen Lage hat das Regierungspräsidium in seiner Antwort an das Bundesverfassungsgericht dargelegt, dass die Stadt Wetzlar einer Fehlvorstellung über den nach den richterlichen Entscheidungen noch verbleibenden Handlungsspielraum unterlag und in der irrigen Annahme handelte, die Überlassung der Stadthalle noch verweigern zu können.
Meine Damen und Herren, es lag hier schlicht und ergreifend eine Art Irrtum über die Reichweite der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vor. Das können Sie auch daran erkennen – Herr Kollege Rudolph hat es gesagt –: Der Oberbürgermeister hat ja die Halle nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch noch mehrfach angeboten;
aber unter den Bedingungen, von denen er glaubte, dass sie auch für eine NPD-Konzertveranstaltung Geltung haben müssten – wie sie ansonsten für jede Abifeier gelten.
Das war sozusagen der Irrtum über die Reichweite. Aus Sicht des Regierungspräsidiums hatten sich die Verant
wortlichen der Stadt Wetzlar damit eben nicht absichtlich geweigert, der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu folgen. Mithin war auch in diesem Fall nicht von einem offensichtlichen Verfassungsbruch auszugehen.
Wir haben es hier miteinander besprochen, auch in der Debatte davor und in der jetzigen: Ich finde, wir sollten hier die Einigkeit der Demokraten beschwören, die Einigkeit für die Rechtsstaatlichkeit, aber eben auch unsere Einigkeit gegen jede Form von Extremismus. – Vielen Dank.
Ich komme nun zu den beiden Anträgen. Soll der Dringliche Antrag der FDP, Drucks. 19/6331, in den Ausschuss?