Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ist es!)

Sie hielten heute Ihre 1.-Mai-Rede. Wir müssen aber auch darüber reden, wer eigentlich Eigentümer von PSA ist. Es sind nicht die finsteren Kapitalisten, die irgendwo ihre Aktiendepots haben und die in irgendeiner Weise versuchen, Geld zu machen.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU)

Es ist der französische Staat, es ist China, und es ist zu einem relativ kleinen Teil die Familie Peugeot.

(Zurufe der Abg. Janine Wissler, Marjana Schott (DIE LINKE) und Manfred Pentz (CDU))

Das muss man jetzt einfach sagen, damit die Debatte nicht an den alten Plattitüden entlang verläuft. – Wenn man dies weiß, ist es nicht mehr so einfach. Frau Kollegin Kinkel, Sie haben recht: Der Standort Eisenach geht auch uns etwas an, weil dort viele Arbeitnehmer aus Hessen arbeiten. Aber es ist auch ein Thema, bei dem es bei den Menschen gerade in den neuen Bundesländern eine sehr große Empfindsamkeit gibt und Enttäuschung darüber besteht, dass Veränderungen von industriellen Situationen immer gerade dort stattfinden. Denken Sie an Siemens, und denken Sie daran, was in Görlitz und Cottbus passiert.

Wir haben globale Konzerne, und wir haben große Herausforderungen. Nur damit wir die Dinge einmal zusammenbringen: Opel ist ein starkes Stück Hessen, aber fast 90 Jahre gehörte es General Motors. In Deutschland hat General Motors mit Opel in den letzten 17 Jahren 17 Milliarden € minus gemacht – jedes Jahr 1 Milliarde €. Auch im vergangenen Jahr hat Opel 1 Milliarde € minus gemacht.

Nun kann hier keiner erklären, das sei unbeachtlich. Mit tapferen Forderungen – man müsse die Dinge so lassen, wie sie sind – streuen wir den Leuten Sand in die Augen. Das wissen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das weiß der Betriebsrat. Das weiß auch die IG Metall. Deshalb sagen sie alle: Jawohl, wir sind bereit, unter Umständen auch einen schwierigen Weg mitzugehen.

So, wie das jetzt ist, ist es nicht zukunftsfähig. Alle Automobilunternehmen machen Gewinn, bis auf einen: Opel.

Nun muss man kein großer Geist oder Ökonom sein, um zu erkennen: So, wie es ist, kann es nicht bleiben. – Deshalb haben wir alle es begrüßt, dass Opel durch den Wechsel von General Motors zu PSA eine neue Chance bekommt: eine neue Chance in der Modellpalette, eine neue Chance an den Absatzmärkten, mehr Freiheit und natürlich auch die Vorteile, die ein großer Konzern in der Beschaffung und in dem Vertrieb bietet. Darüber gab es keinen Zweifel.

Meine Kritik setzt an dem an: Was man vereinbart hat, muss man auch tun, sonst verliert man das Vertrauen. Diese Werte, die auch in schwieriger Situation hochgehalten werden müssen – das wird in Frankreich vielleicht ein Stück weit anders gesehen als bei uns –, sind wichtig. Tarifverträge sind einzuhalten.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Ja!)

Wenn ich jetzt auf die Idee komme und sage: „Kameraden, das können wir so nicht mehr hinkriegen“, muss man sich zusammensetzen und sich fragen, was man gemeinsam tun kann, aber man darf keine Drohkulisse aufbauen in der Hoffnung, dass sie schon irgendwann zu Kreuze kriechen werden. Das kann nicht die richtige Form sein. Das ist auch nicht zukunftsfähig. Deshalb ist es erforderlich, dass wir erfahren, welche Zukunftsvorstellungen sie haben. Das ist auch das, was ich Herrn Olivier gesagt habe. Das passt sehr schön. Er hat gesagt: Ja, wir könnten die Grenzwerte 2020, so, wie die Modellpallette ist, nicht einhalten. – Kollege Lenders hat gesagt: Die Hessische Landesregierung hätte dagegen etwas unternehmen müssen.

(Jürgen Lenders (FDP): Bundesregierung!)

Schöne Grüße, das haben wir nicht beschlossen. Das hilft ihnen auch nichts. Herrn Olivier habe ich gesagt: Hören Sie mit solchen Sachen auf. – Wir saßen mit Herrn Tavares zusammen. Im Hinblick auf die Umstrukturierung war damals schon allen bekannt, dass bis 2020 bei dem Flottenmix z. B. der CO2-Wert deutlich niedriger sein muss.

Man kann die These vertreten, dass die Werte zu niedrig sind und damit zulasten der Automobilindustrie gehen. Die anderen verweisen jedoch auf das Klima. Das hilft alles nichts. Ich kann nur nicht akzeptieren, wenn mir von der Unternehmensführung Argumente vorgehalten werden, die schon vor zwei Jahren bekannt waren. Dann hätte man diese Aussagen so nicht treffen können.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb: Ich persönlich – auch der Wirtschaftsminister und überhaupt die ganze Landesregierung – bin natürlich sehr bestrebt, dass wir zukunftsfähige Arbeitsplätze haben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Rüsselsheim als Standort erhalten bleibt. Dieses – insbesondere das Entwicklungszentrum – ist unser stärkstes Pfund. Wir wollen aber auch nicht sozusagen scheibchenweise immer wieder in eine Situation geraten, in der die Menschen ununterbrochen ins Ungewisse gestürzt werden und in der aus einer Unternehmenskultur eine Unkultur zu werden droht.

Dann ist es Aufgabe der Politik, gelegentlich zu sagen, was geht und was nicht geht. Wir können keine Autos bauen, wir können keine Milliarden in einen defizitären Betrieb werfen; aber wir können deutlich sagen, wie wir uns vorstellen, wie in Deutschland Unternehmen, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Betriebsrat und Politik zusammenarbeiten. Das haben wir in vielen Fällen erfolgreich bewiesen, und das werden wir auch wieder tun. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Das waren gut elf Minuten, damit sind den Fraktionen jeweils sechs Minuten zusätzliche Redezeit zugewachsen.

Ich begrüße – und begrüßen Sie mit mir – auf der Besuchertribüne den ehemaligen Kollegen und Finanzminister Weimar. Schön, dass Sie bei uns sind.

(Allgemeiner Beifall)

Wortmeldungen liegen nicht mehr vor, damit ist auch diese Aktuelle Stunde beendet.

Meine Damen und Herren, noch eingegangen und an Sie verteilt worden ist zu Tagesordnungspunkt 93, dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Hessisches Gesetz zur Anpassung des Hessischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) Nr. 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) Nr. 2016/680 und zur Informationsfreiheit, Drucks. 19/6328 zu 19/6259 zu 19/5728, ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucks. 19/6334. Der Änderungsantrag wird mit der dritten Lesung des Gesetzentwurfs heute Nachmittag aufgerufen.

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 72 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Entscheidung des Landgerichts Frankfurt zur Unwirksamkeit der Mietpreisbremse in Hessen – Mietbegrenzungsverordnung schnell rechtsgültig neu erlassen – Drucks. 19/6294 –

zusammen mit Tagesordnungspunkt 98:

Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend hessische Mietpreisbremse ist weiterhin gültig – Drucks. 19/6333 –

Zu Wort gemeldet hat sich zunächst Herr Kollege Schaus. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 27. März dieses Jahres die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2015 für unwirksam erklärt. Die Unwirksamkeit begründete das Landgericht Frankfurt mit der fehlenden gleichzeitigen Veröffentlichung der Begründung.

Entgegen den Vorgaben in § 556d BGB wurde die Begründung nicht gleichzeitig mit der Verordnung im „Staatsanzeiger für das Land Hessen“ veröffentlicht, sondern erst mehr als ein Jahr später. In der Presseerklärung des Landgerichts Frankfurt vom 28.03.2018 mit der Überschrift „Mietpreisbremse ist unwirksam“ heißt es:

Die offizielle Begründung der Mietpreisbegrenzungsverordnung habe die Hessische Landesregierung frühestens im Jahr 2017 als PDF-Download auf der Homepage des zuständigen Ministeriums öffentlich zugänglich gemacht. Eine Veröffentlichung im

Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Hessen sei nicht erfolgt. Das Nachschieben einer Begründung heile den Mangel der Verordnung nicht.

Nur aus diesem formalen Grund hat ein klagender Mieter seinen Prozess wegen überhöhter Miete in zweiter Instanz verloren. Aus diesem von Frau Ministerin Hinz zu verantwortenden Fehler werden bis auf Weiteres alle Mieterinnen und Mieter in Hessen, die ebenfalls Klagen wegen überhöhter Mieten eingereicht haben, ihre berechtigten Forderungen nicht durchsetzen können.

In einer ersten Reaktion danach haben Sie, Frau Ministerin, erklärt, dass die hessischen Mieterinnen und Mieter ganz beruhigt sein können, da die Mietpreisbremse weiterhin gelte. – So verharmlosend steht es jetzt sogar auch im Antrag der Koalitionsfraktionen.

Formal juristisch ist dies korrekt. Allerdings geht von diesem Urteil ein fatales Signal aus. Denn alle Vermieterinnen und Vermieter wissen nun, sie können die Mietpreisbremse ignorieren, es passiert ihnen nichts. Darüber hinaus verunsichert es natürlich auch alle Mieterinnen und Mieter. Wer klagt denn jetzt bei dieser Rechtslage noch gegen eine überhöhte Miete? – Frau Ministerin, niemand wird bei diesem Rechtszustand klagen, und keiner wird gewinnen. Faktisch ist die Mietpreisbremse mit diesem Urteil außer Kraft gesetzt. Aber das soll weiter verschleiert werden, und das aufgrund eines Formfehlers von Umweltministerin Hinz. Also: kleine Ursache, aber große Wirkung.

Frau Umweltministerin Hinz, es ist nicht neu, und ich sage es immer wieder: Sie sind mit der Wohnungspolitik komplett überfordert. Die Wohnungspolitik führt im Umweltministerium ein Schattendasein, und das muss sich schleunigst ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Überforderung zieht sich wie ein roter Faden durch diese bald endende Legislaturperiode, beginnend mit den völlig unzureichenden Änderungen am Wohnraumfördergesetz 2014 über die verkorkste Wiedereinführung der Fehlbelegungsabgabe 2015 bis zur heute diskutierten unwirksamen Mietpreisbremse. Wie wir es auch drehen und wenden, die schwarz-grüne Wohnungspolitik ist für die hessischen Mieterinnen und Mieter schlicht und ergreifend eine Katastrophe.

Dies belegen im Übrigen auch die Zahlen am hessischen Wohnungsmarkt. Unter Schwarz-Grün erleben wir seit 2014 eine drastische Entwicklung beim sozialen Wohnungsbau. Seither hat sich die Zahl der Sozialwohnungen von rund 115.000 auf gerade noch rund 85.000 reduziert. Das ist ein Verlust von fast 30.000 Sozialwohnungen innerhalb Ihrer Amtszeit, Frau Ministerin.

Gleichzeitig hat sich die in den Jahren davor wenigstens stagnierende Zahl an registrierten sozialwohnungssuchenden Haushalten von 45.603 auf 50.252 erhöht. Klar erkennbar: Die Tendenz der Suchenden steigt spürbar, während die Anzahl der zur Verfügung stehenden Wohnungen jedes Jahr deutlich abnimmt. Trotz aller Programme, trotz aller Belegungsrechtsverkaufsaktionen nimmt die Zahl weiter stetig ab.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und die Zahl der jährlich neu gebauten Sozialwohnungen in den Geschäftsberichten der WIBank nachgelesen und dabei Erstaunliches festgestellt – jetzt hören Sie gut zu –:

In den Jahren, in denen der FDP-Wirtschaftsminister Posch zuständig war, also in der letzten Legislaturperiode, sah das wie folgt aus. 2009: plus 407 Sozialwohnungen neu bewilligt, 2010: 649, 2011: 565, 2012: erstaunliche 1.492, und 2013: 351. Das macht zusammen 3.464 zusätzliche Wohnungen. Das sind immer noch viel zu wenige gegenüber dem Wegfall der Bindungen in dieser Zeit, aber immerhin knapp 3.500 neue, zusätzliche Sozialwohnungen in Hessen.

Frau Hinz, in Ihrer Amtszeit sind es aber noch viel weniger. Im Jahr 2014 wurden nur 404 Sozialwohnungen neu bewilligt, im Jahr 2015 waren es 444 und im Jahr 2016 nur noch magere 213. Die Zahl nimmt also weiter ab. Die Zahl nimmt nicht zu, Ihre Programme greifen nicht, das Gegenteil ist der Fall.

Meine Damen und Herren, das sind die Zahlen für ganz Hessen. Im Jahr 2016: 213 zusätzliche Sozialwohnungen in ganz Hessen bei insgesamt 7.000 weggefallenen Sozialwohnungen. Für 2017 liegt der Geschäftsbericht noch nicht vor, aber ich glaube kaum, dass sich diese mageren Neubauzahlen entscheidend verbessert haben. Mit 2017 und 2018 dürften es dann in dieser Legislaturperiode zwischen 1.700 bis 1.800 neu gebaute Sozialwohnungen sein – das in fünf Jahren bei 30.000 weggefallenen Sozialwohnungen. Das sind die Zahlen, die in die Öffentlichkeit gehören. Sie werden von uns auch in die Öffentlichkeit gebracht, darauf können Sie sich verlassen.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Da hat ja die FDP mehr Sozialwohnungen gebaut!)

Sie haben es geschafft, gegenüber Ihrem Vorgänger von der FDP, von der liberalen FDP, gerade einmal die Hälfte an neuen Sozialwohnungen in ganz Hessen zu schaffen. Das ist doch unglaublich.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))

Das ist keine Wohnungsbilanz, Frau Hinz, sondern das ist ein Rohrkrepierer, eine Luftnummer und eine Täuschung der Bevölkerung. Nichts anderes ist das in Sachen Wohnungspolitik.

(Zuruf des Abg. René Rock (FDP))