Über solche Äußerungen werden Versprechungen ausgehöhlt, die der Belegschaft vor einem halben Jahr gemacht wurden. Das wirkt sich auf das Vertrauen im Unternehmen negativ aus. Zu Recht sind viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer skeptisch geworden.
Klar ist aber auch: Arbeitsplätze können nur in einem zukunftsfähigen Unternehmen erhalten werden, das auch Gewinne erwirtschaftet. Das ist bei Opel seit zu langer Zeit nicht mehr der Fall. Im Interesse der Belegschaft muss der Konzern also umgebaut werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen bei diesem Umbau einbezogen werden. Das ist ganz wichtig
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Vizepräsident Wolf- gang Greilich übernimmt den Vorsitz.)
Sehr geehrte Damen und Herren, Hessen geht es so gut wie schon lange nicht mehr. Die wirtschaftliche Entwicklung ist auf einem Höchststand, die Arbeitslosenquote historisch niedrig. Das ist eine gute Entwicklung für Hessen und Deutschland. Dabei muss man aber auch ganz klar sagen: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Pfeiler dieses Aufschwungs müssen an diesem Aufschwung beteiligt werden.
Gerechte Entlohnung, Tarifverträge, faire Löhne für gute Arbeit, um auch für das Alter vorsorgen zu können – wann, wenn nicht jetzt? Lassen Sie mich auch noch ein paar Worte in Richtung der FDP-Fraktion sagen. Nach Meinung der GRÜNEN sollte die Politik keine unternehmerischen Entscheidungen treffen; aber die Politik hat die Aufgabe, starke Rahmenbedingungen zu setzen, damit unternehmerische Entscheidungen im Sinne der Menschen – nicht nur im Sinne der Beschäftigten, sondern der gesamten Gesellschaft – und auch der Umwelt getroffen werden.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat sich Herr Kollege Lenders für die Freien Demokraten zu Wort gemeldet. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion ist zweimal auf unsere Pressemitteilung angesprochen worden. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir im November letzten Jahres im Rahmen einer Aktuellen Stunde, die von der CDU-Fraktion beantragt worden war, die einzige Fraktion waren, die bei aller Euphorie und bei allem Optimismus versucht hat, ein paar Bedenken zum Ausdruck zu bringen, was die Übernahme von Opel durch PSA anging. Ich war damals der einzige Redner, der gesagt hat: Vorsicht an der Bahnsteigkante; in der Regel zahlt stets das übernommene Unternehmen den Preis. – Ich habe schon damals darauf hingewiesen: Schauen Sie bitte hin, was General Motors nach Jahrzehnten dazu gebracht hat, sich tatsächlich dazu zu entschließen, das Unternehmen Opel zu verkaufen. – Der Grund waren damals die politischen Rahmenbedingungen, und es sind auch heute die politischen
Rahmenbedingungen, die es PSA als notwendig erscheinen lassen, zu Sanktionen und zu Sanierungsprogrammen zu greifen. Daran hat sich nichts geändert.
Frau Bächle-Scholz, ich verstehe Ihre Rede, die Sie aus der Sicht einer Wahlkreisabgeordneten gehalten haben. Deswegen will ich mit Ihnen jetzt nicht zu hart und zu sehr ins Gericht gehen. Aber wenn Sie, wie auch die Kollegin Kinkel, selbst industriepolitische Rahmenbedingungen für ein Unternehmen einfordern, dann setzen Sie damit die Reihe der falschen Entscheidungen fort, die in der Vergangenheit getroffen wurden. Beispielsweise hat sich die Bundesregierung bei der EU-Kommission nicht dafür eingesetzt, etwas dagegen zu tun, dass bestehende CO2-Richtwerte und neue Normen den Industriestandort und insbesondere Automobilstandort Deutschland gefährden. Das war eine verfehlte Politik, die die falschen Rahmenbedingungen gesetzt hat. Heute müssen die Beschäftigten bei Opel den Preis dafür bezahlen.
Das Problem ist, dass solche fehlerhaften Entscheidungen meistens zeitlich nicht mehr in einem Kontext zu aktuellen Situationen stehen, dann aber doch mit aller Macht durchschlagen.
Meine Damen und Herren, in Richtung Opel gesagt: PSA geht ja nicht in solche Diskussionen, nicht in solche Sanierungsprogramme, um das Unternehmen Opel zu gefährden, sondern deshalb, um das Unternehmen langfristig und nachhaltig zu sichern. PSA muss auch die Beschäftigten in Frankreich im Blick behalten; die Unternehmensführung ist nun für einen größeren Firmenkomplex verantwortlich. In Richtung des Unternehmens muss man aber sagen: An den Vorruhestandsregelungen, die im Opel-Werk in Kaiserslautern getroffen wurden, kann man sehr gut sehen, welche Auswirkungen es hat, wenn man mit seinen Beschäftigten nicht gut umgeht. Das mag in Deutschland mittlerweile anders sein als in Frankreich. In Deutschland laufen einem dann nämlich die Beschäftigten weg, insbesondere gut ausgebildete Fachkräfte. In Kaiserslautern funktioniert die Vorruhestandsregelung bei Opel so gut, dass das Werk in ein paar Jahren Probleme haben wird, die Fachkräfte noch zu finden, die es braucht, um die Produktion aufrechtzuerhalten. Es gibt also einen Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland, weil wir einen viel besseren Arbeitsmarkt haben.
Man kann an PSA also nur appellieren: Geht mit euren Beschäftigten fair um, haltet euch an die Vereinbarungen. Nur so schafft ihr Vertrauen, und nur so bleiben die Menschen bei euch.
Ich verstehe, dass Wirtschaftsminister Al-Wazir nicht unbedingt auf das hört, was ich ihm sage. Das muss er ja auch nicht tun. Ich finde es aber schon bemerkenswert, dass man diese Entwicklung hat kommen sehen. Deshalb frage ich mich schon, was unser hessischer Wirtschaftsminister im letzten halben Jahr getan hat, um die angemahnten industriepolitischen Rahmenbedingungen in Hessen deutlich zu verbessern. Die Entwicklung war ja abzusehen. Was ist mit den Forderungen, die von der EU kommen? Was ist mit den energiepolitischen Rahmenbedingungen?
Ich will von der geplanten Einführung einer blauen Plakette, von Dieselfahrverboten usw. gar nicht reden. Da muss man sich keine Illusionen machen. Natürlich hat das Auswirkungen auf ein Unternehmen wie Opel. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Das sind eben die politischen Rahmenbedingungen, Frau Bächle-Scholz, die Sie eben eingefordert haben. Die werden falsch gesetzt. Das ist genau das Problem.
Auch der Herr Ministerpräsident lässt keine Gelegenheit aus, sich mit Vertretern von PSA zu treffen. Das mag nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben. Ich gehe davon aus, dass ihm das Unternehmen wirklich sehr am Herzen liegt und dass diese Treffen allein dem geschuldet sind.
Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, gerade in solchen Situationen sollte sich die Politik aus Unternehmensentscheidungen heraushalten. Wir machen es einem Unternehmen nicht leichter, sondern schwerer, wenn wir hier solche Debatten führen.
Vielen Dank, Herr Kollege Lenders. – Für die Landesregierung spricht Herr Ministerpräsident Bouffier. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Opel ist ein starkes Stück Hessen, auf das wir immer stolz waren. Die Landesregierung kümmert sich seit Jahren nicht nur um Opel, sondern um ganz viele Unternehmen. Es ist unsere oberste Pflicht, uns um die Erhaltung der Standorte und der Arbeitsplätze zu kümmern. Lieber Kollege Lenders, deshalb vorweg Folgendes. Ihr letzter Satz war, die Politik solle sich aus Unternehmensentscheidungen heraushalten. Da haben Sie recht.
Aber, ganz offen gesagt: Als ich eine Regierung mit der FDP anführte, gab es hier im Haus das Ritual, dass der FDP-Kollege regelmäßig den Vorwurf zu hören bekam, dass er Klimafragen und die Verantwortung der Politik für die kommenden Generationen nicht hinreichend berücksichtige. Der Vorwurf war in der Regel von den GRÜNEN erhoben worden.
Seitdem die GRÜNEN regieren, hat die FDP ein Ritual, zu sagen, dass der Wirtschaftsminister vielleicht persönlich
ein ganz netter Kerl ist, aber eigentlich überhaupt nichts von Wirtschaft versteht. Es geht jetzt auf die Mittagszeit zu, ich komme jedoch gleich noch auf ein paar sehr schwierige Dinge zu sprechen. Räumen wir das doch einfach ab. Diese Rituale sind so ausgelutscht, sie interessieren niemanden. Sie helfen auch niemandem – schon gar nicht den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Opel.
Ganz nebenbei: Herr Al-Wazir und ich sind ununterbrochen damit beschäftigt. Das, was er vertritt, ist die wahrscheinlich beste Zukunftsvision für Opel, nämlich Elektromobilität und nachhaltige Antriebe. Deshalb passt das ganz gut zusammen. Wenn wir ehrlich sind: Wo hat denn Opel eine Zukunft? Karl-Thomas Neumann hat gesagt: Wir stellen komplett auf Elektro um. – Das kann richtig sein, das kann aber auch falsch sein. Aber unabhängig von allen, die in Sachen Elektromobilität unterwegs sind, kann es auch streitig sein.
Ein Kernpunkt der neuen Unternehmensstrategie ist – soweit wir das überhaupt greifen können –, dass sie alles anbieten wollen: Elektro, Hybrid und auch traditionelle Technik. Deshalb gilt für die ganze Landesregierung: Die Themen sind viel zu ernst, als dass wir sie in dieser alten kleinkarierten Schwarz-Weiß-Methode angehen sollten. Unser Wirtschaftsminister lässt nichts anbrennen, wenn es um die Frage der Standorte und der Arbeitskräfte geht.
Sehr verehrte Frau Kollegin Wissler, Ihre Aktuelle Stunde hat den Titel „Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen bei Opel erhalten – Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit zum 1. Mai“. Es war eine Rede zum 1. Mai. Das sei Ihnen gegönnt.
Seitens des Landes kümmern wir uns – und ich in Person – seit über 20 Jahren um das Thema Opel. Wir hatten einmal eine Situation, in der wir nach langem Ringen entschieden haben, dass wir uns sogar finanziell engagieren würden. Es ging damals darum, dass Opel von Magna übernommen werden sollte. Damals wie heute haben wir auf allen Ebenen in engster Abstimmung mit den Betriebsräten und der IG Metall gehandelt. So halte ich das auch heute.
Herr Kollege Lenders, den PSA-Generalsekretär Olivier habe nicht ich pressewirksam eingeladen, sondern er wollte einen Termin. Wissen Sie, was er wollte?
Er hat mich, weil er das Gefühl hat, die Sache läuft in die falsche Richtung, darum gebeten, ich möge zwischen dem Unternehmen und der IG Metall vermitteln. Ich habe ihm gesagt: Wir können keine besseren Autos bauen; wir wissen gar nicht, wie es geht. Wir können hessische Steuergelder nicht in eine völlig ungewisse Situation investieren. Wir können aber helfen, so, wie wir bei der Übernahme von General Motors durch PSA geholfen haben. Das geht aber nur – das habe ich Ihnen gestern sehr deutlich gesagt –, wenn wir wissen, wohin die Reise geht. Genau dar
Völlig daneben ist die uralte Rhetorik des Klassenkampfs. Vergessen Sie diese einfach. Wir brauchen sie vielleicht zum Festigen der eigenen Positionen. Ich bin damit überhaupt nicht einverstanden, was im Moment im Unternehmen stattfindet und wie die Arbeitnehmer geknechtet werden.
Herr Ministerpräsident, ich habe Sie an die für die Fraktionen vereinbarte Redezeit zu erinnern. Bitte sehr.
Aber wenn wir schon darüber reden – viele Tausende Menschen in diesem Lande schauen uns dabei zu, wie wir reden –: Wer ist denn PSA? Es ist zu einem kleinen Teil die Familie Peugeot, es ist zu einem sehr großen Teil der französische Staat, und es ist China.