Meine Damen und Herren, wer den Sicherheitsbehörden die Aufgaben überträgt, Gefahren rechtzeitig zu erkennen und abzuwehren und begangene Straftaten aufzuklären, die Täter zu identifizieren und, wenn möglich, zu überführen, der muss auch die zur Aufgabenerfüllung nötigen Mittel zur Verfügung stellen. Dazu zählen personelle Ressourcen, technische, aber eben auch rechtliche Rahmenbedingungen. Deswegen schaffen wir bei der Neuausrichtung des Verfassungsschutzes diese wichtigen rechtlichen Rahmenbedingungen durch eine Neugliederung des Gesetzes mit einer klaren, übersichtlichen Struktur.
Wir unterstreichen auch mit der Formulierung eines Leitbildes, dass der Verfassungsschutz eine dienende Schutzfunktion für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung hat, und weisen ihm ausdrücklich einen Platz in der Mitte der Gesellschaft zu.
Mit der Normierung des Präventionsauftrags unterstreichen wir die Wichtigkeit präventiven Handelns. Das Gesetz definiert klar die Strukturen und Befugnisse nach Art und Schwere. Damit schaffen wir auch Transparenz für die
Neben den technischen Überwachungsmitteln wird auch die Arbeit der verdeckten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Vertrauensleute in dem vorliegenden Gesetzentwurf neu geregelt. Es werden hierbei die vom Bundesgesetzgeber bereits normierten Grenzen für den Einsatz weitgehend wortgleich übernommen. Mit der Neustrukturierung der Vorschriften zur Speicherung und Löschung von Erkenntnissen unterstreichen wir auch die Notwendigkeit datenschutzrechtlicher Sensibilität des Nachrichtendienstes.
Das Gesetz beinhaltet auch eine Anpassung der Übermittlungsvorschriften an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und eine Straffung und Strukturierung der Übermittlungsvorschriften, was die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden bundesweit verbessert. Auch hier wird sich eng an den Regelungen des Bundes orientiert. Schließlich unterstreicht die Regelung über die parlamentarische Kontrolle in einem eigenen Gesetz die besondere Bedeutung des Parlaments.
Meine Damen und Herren, das alles zeigt: Es ist ein gutes Gesetz. Ja, wir machen Hessen sicherer, und wir geben die richtigen Antworten auf die aktuellen Herausforderungen.
(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LINKE): Gutes Gesetz – für wen?)
Meine Damen und Herren, wir stärken die innere Sicherheit mit mehr Personal materiell. Wir stärken das Amt für Verfassungsschutz organisatorisch. Wir haben die Neuausrichtung bereits eingeleitet. Seit 2012 ist eine Projektgruppe tätig und hat Optimierungsvorschläge unterbreitet, die bereits umgesetzt wurden.
Wir investieren durch einen neuen rechtlichen Rahmen auch in die Sicherheit. Konkret geht es bei den Änderungen um die Quellen-Telekommunikationsüberwachung und auch um die Onlinedurchsuchungen. Dafür soll die Polizei jetzt ermächtigt werden. Das ist wohl die wichtigste Änderung durch unseren Änderungsantrag: die sogenannte Quellen-TKÜ und die Onlinedurchsuchungen.
Sie sollen nicht mehr, wie ursprünglich geplant, im Verfassungsschutzgesetz verankert werden, stattdessen im hessischen Polizeigesetz. Das ist, so finde ich, ein guter Kompromiss im Sinne der Sicherheit. Damit es allen noch einmal klar wird: Das Ganze kann nur durch den sogenannten doppelten Richtervorbehalt passieren, d. h., es muss eine richterliche Anordnung geben. Für den Einsatz und die Auswertung der Maßnahmen muss ein richterlicher Beschluss vorliegen. Das schafft, so finde ich, die notwendige rechtliche Sicherheit.
Meine Damen und Herren, wir haben bei dieser Gelegenheit, wenn wir diese Änderung vornehmen, auch weitere sinnvolle Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheit im Polizeigesetz vorgenommen. Ich will sie nur stichpunktartig benennen.
Es geht um Auskunftspflichten, die klargestellt worden sind, es geht um die Definition einer terroristischen Straftat. Wir haben die Praxis der Zuverlässigkeitsüberprüfung geregelt und auch die Informationsweitergabe personenbezogener Daten. Es gibt eine redaktionelle Änderung zur Anpassung des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes.
Wir klären die aktuelle Rechtslage zur Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen für Polizei- und Gefahrenabwehrbehörden. Aufgrund von wichtigen Praxiserfahrungen regeln wir auch den Einsatz der Bodycam und machen die wichtige Funktion der Prerecording-Aufnahme im Vorfeld von verbalen oder körperlichen Entgleisungen möglich.
Wir definieren den Kreis geschützter Rechtsgüter. Wir schaffen eine Rechtsgrundlage für eine vernetzte und automatisierte Datenanalyse. Wir regeln Meldeauflagen zur Verhütung von Straftaten.
Darüber hinaus führen wir die elektronische Aufenthaltsüberwachung ein und erweitern das um die Möglichkeit eines erneuten Gewahrsams. Die Gewahrsamsdauer wird auf eine Höchstdauer von zehn Tagen festgelegt. Wir schaffen damit die Option zur Gefahrenvorsorge und regeln Maßnahmen zur Sachkunderegelung und Chipregistrierung auch für Hunde. Am Ende wird auch das Tätigwerden ausländischer Polizisten einheitlich geregelt.
Das sind unserer Meinung nach alles sinnvolle Maßnahmen, die in einem modernen Polizeirecht für mehr Sicherheit in Hessen sorgen.
Meine Damen und Herren, wir dürfen im virtuellen Raum nicht blind werden, deshalb sind diese Maßnahmen wichtig. Ich darf feststellen, dass wir es bei der Arbeit des Verfassungsschutzes natürlich mit Eingriffen in Grundrechte zu tun haben. Deswegen ist im Gesetzentwurf auch eine verstärkte parlamentarische Kontrolle vorgesehen.
Die Anzahl der Mitglieder und die Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission sollen zukünftig vom Landtag geregelt werden. Jedes Mitglied der PKV soll zukünftig ein Akteneinsichtsrecht besitzen.
(Nancy Faeser (SPD): Welche Fraktionen? – Gegenruf des Abg. Holger Bellino (CDU): Wenn ihr die Populisten dabei haben wollt! – Nancy Faeser (SPD): Ihr wollt noch nicht mal die FDP dabei haben!)
Die Größe wird vom Parlament festgelegt, das habe ich gesagt. – Wir regeln auch die Möglichkeit der Mitarbeiterbefassung. Wir haben die Berichtspflichten der Landesregierung erweitert, und es wird eine Berichterstattung des Amtes gegenüber dem Landtag geben.
Meine Damen und Herren, in Zeiten extremer sicherheitspolitischer Herausforderungen sollten wir eigentlich alle gemeinsam die Stärkung unserer Sicherheitsorgane als Notwendigkeit erkennen.
Das müsste ein Konsens sein, wenn man sich die Lage in der Welt, im europäischen Ausland und in Deutschland vor Augen führt. Das überarbeitete Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes und zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle ist eine grundlegende Revision und Neustrukturierung und setzt einen zeitgemäßen gesetzlichen Rahmen. Darüber hinaus stärken die angeführten Regelungen und Änderungen im HSOG auch den normierten Handlungsspielraum für eine weiterhin erfolgreiche Polizeiarbeit.
Meine Damen und Herren, wir haben mit diesem Gesetzentwurf ein stabiles Fundament für Hessens Sicherheitsar
chitektur gelegt. Wir Christdemokraten arbeiten mit voller Kraft daran, Hessen weiter stark und sicher zu machen. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Bauer. – Als Nächste spricht für die Fraktion der Sozialdemokraten Frau Abg. Faeser. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bauer, ich bin überrascht, wie vermeintlich sachlich Sie vorgetragen und zu Ihrem Änderungsantrag mit zwei Sätzen gesagt haben, warum Sie von einem Gesetz ins nächste gewechselt haben. Ich werde das gleich noch näher ausführen. Dieses Gesetzgebungsverfahren ist einmalig. Ich habe das in 15 Jahren noch nicht erlebt.
Nicht nur, dass die ganze Geschichte bereits 2014 anfing, als dieser Innenminister uns einen gemeinsamen Gesetzentwurf von CDU und GRÜNEN zum Verfassungsschutz in der Öffentlichkeit vorstellte, der bis heute nicht das Licht des Landtags erblickt hat.
Herr Kollege Hahn, es stimmt, das ist nicht schlimm. – Dann ist jahrelang nichts passiert. Im Oktober 2017 kam plötzlich ein Entwurf, den wir im November beraten haben. Man muss sagen, danach wurde es ganz spannend. Wir haben an diesem Gesetzentwurf, den Sie uns im November vorgelegt haben, sehr umfangreiche Kritik vorgetragen. Wie ich sehe, sind Sie der Kritik heute doch noch gefolgt. Auch das werde ich gleich noch einmal sagen.
Es gab im Februar dieses Jahres eine Anhörung, die sehr vernichtend war. Hauptkritik waren die weitgehenden Befugnisse, die der Verfassungsschutz durch die Onlinedurchsuchungen und Quellen-TKÜ erhalten sollte.
Herr Innenminister, ich erinnere an die letzte Debatte, die wir dazu im Plenum hatten. Ich wurde von Ihnen von diesem Pult aus beschimpft, dass man die Onlinedurchsuchungen nicht einfach streichen könnte, so wie wir es in unserem Änderungsantrag formuliert haben. – Doch, kann man, und das tun Sie heute. Ich hoffe, dass Sie das heute klarstellen, dass man selbstverständlich die Onlinedurchsuchungen zurückzunehmen kann.
Aber die Geschichte ist sehr spannend; sie geht nämlich weiter. Sie hat auch etwas mit einer Landesdelegiertenkonferenz der GRÜNEN zu tun,
die eine gewisse Dynamik in die Gesetzgebung gebracht hat. Die Landesmitgliederversammlung hat beschlossen, dass es eine Onlinedurchsuchung beim Verfassungsschutz nicht geben soll. Da gab es offenbar den ersten großen Konflikt zwischen CDU und GRÜNEN. Es passierte dann monatelang wieder nichts.
Dann gab es am 25.05., freitagnachmittags, nachdem wir hier eine Woche lang im Plenum zusammengesessen hatten, wieder einen Presseauftritt von CDU und GRÜNEN, wo verkündet wurde, dass man jetzt plötzlich auf die Onlinedurchsuchung verzichten wolle – zufälligerweise eine Woche vor der nächsten Landesmitgliederversammlung der GRÜNEN. Da hatten sich offensichtlich die GRÜNEN durchgesetzt.
Herr Innenminister, Sie können nachher sagen, warum Sie jetzt von Ihrer Meinung abrücken und den GRÜNEN an dieser Stelle folgen, was ich in der Sache richtig finde. Aber interessant ist es schon. Aber was gab es wieder nicht? – Keinen Änderungsantrag; es gab nur diese Presseverlautbarung.
Dann – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, eineinhalb Wochen nach diesem Pressestatement von CDU und GRÜNEN, gab es am 05.06. einen Änderungsantrag von Schwarz-Grün mit 45 Seiten,
der am 07.06., zwei Tage später – eigentlich nur einen Tag später, weil es abends geschickt wurde –, abends im Innenausschuss ernsthaft beraten werden sollte. Meine Damen und Herren, das ist wirklich der Gipfel eines vermurksten Verfahrens, wie ich es in Hessen noch nie erlebt habe.
Aber jetzt kommt es. Was regeln Sie in Ihrem Änderungsantrag? – Sie regeln mit Ihrem Änderungsantrag zum Hessischen Verfassungsschutzgesetz maßgebliche Änderungen im hessischen Gesetz über die Sicherheit und Ordnung.
(Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Mürvet Öztürk (fraktions- los))
Sie dürfen das nicht alles miteinander vermengen. Deswegen haben die FDP und wir gemeinsam eine erneute schriftliche und mündliche Anhörung dieser Änderungen beantragt, weil die von diesem Gesetz Betroffenen das Recht haben, vor diesem Parlament Gehör zu finden. Ich will Ihnen sagen: Das ist der Tiefpunkt des Parlamentarismus in Hessen, dass Sie dieses Gehör nicht einräumen.