Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, lesen Sie die Folie 7 mit, die der Minister vor wenigen Tagen, bei der Pressekonferenz am 15.06.18 – man soll ja immer richtig zitieren –, der Presse vorgelegt hat. Er hat stolz dieses Diagramm gezeigt:
Die höchste Verschuldung gab es mit 43,2 Milliarden € im Jahr 2015. Okay, das wissen wir. Dann wurde der Abbaupfad bis zum Jahre 2022 entworfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazwischen ist mindestens eine Landtagswahl. Dann sind wir bei 42,1 Milliarden €. Beginnend mit dem Jahr 2015 sind wir ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre, vier Jahre, fünf Jahre, sechs Jahre, sieben Jahre, acht Jahre später – ich mache es etwas plastisch, damit wir verstehen, wie wir verhohnepipelt werden – bei 42,1 Milliarden € angekommen. Das ist eine Reduzierung der Schulden um 1,1 Milliarden €.
Jetzt erinnern Sie sich an die zusätzlichen Mehreinnahmen, die ich erwähnt habe. Dann kommen Sie darauf, dass es noch nicht einmal ein Fünftel der für 2019 vorgesehenen Mehreinnahmen ist, die wir jetzt zur Reduzierung der Schulden bis 2022 einsetzten.
Das kann nicht seriös sein. Das ist nicht nachhaltig. Aber woran liegt das? – Damit kommen wir wieder zu der Haushaltsdebatte. Es liegt daran, dass diese Regierungskoalition kein Geld zur Verfügung hat, um einen zusätzlichen Schuldenabbau vorzunehmen.
Sie planen damit, dass ab dem Jahr 2020 200 Millionen € pro Jahr abgebaut werden sollen. Kollege Schmitt hat schon darauf hingewiesen. Es mag ja sein, dass einer von uns beiden ein schlechter Rechner ist, aber ich komme zu dem Ergebnis, dass man, wenn man dem Plan entsprechend 200 Millionen € abbaut, sogar 215 Jahre und nicht 133 Jahre braucht, um die Schulden abzubauen. Was hat das mit nachhaltiger und seriöser Haushaltspolitik zu tun? – Nichts hat es damit zu tun.
Aber Sie haben kein Geld, um mehr Schulden abzubauen; denn Sie sind – das ist mein dritter Punkt – stolz darauf, die Eier legende Wollmilchsau zu sein.
Sie sind stolz darauf, sich so zu benehmen, wie Sie sich benehmen. Wenn jemand kommt und sagt: „Ich möchte etwas“, sagen Sie nicht: „Ich überlege einmal“, sondern Sie sagen wie früher beim Metzger: Soll es noch ein Viertel mehr sein?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich ziehe das nicht ins Lächerliche, sondern ich möchte es einmal auf eine andere Art vortragen, weil Zahlen tierisch langweilig sind. Viele lassen sich davon auch vernebeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der schreibenden und sendenden Front, auch bei der Presseberichterstattung haben Sie sich am Freitag zunächst ein bisschen vernebeln lassen von dem, was der Minister vorgetragen hat.
Sie geben für allen möglichen Kram Geld aus. Deshalb haben Sie ab 2020 für den Schuldenabbau nur 200 Millionen € pro Jahr zur Verfügung. Das ist nicht nachhaltig. Das ist nicht im Sinne der Flexibilität künftiger Generationen, und es ist höchst fahrlässig. Es baut nämlich auf einem einzigen Gedanken auf: Die Konjunktur bleibt so, wie sie ist. – Okay, Sie haben sich ein paar Rücklagen verschafft; darüber können wir uns im Haushaltsausschuss gerne noch ein bisschen fachlicher unterhalten. Das ist gar nicht mein Thema.
Aber wenn die Konjunktur schwächelt, wenn Herr Draghi seine Zinspolitik verändert – wir lesen das tagtäglich in den Zeitungen –, ist die Grundlage des Systems nicht mehr da. Jetzt hören Sie auf, mir zu erklären – ich sehe schon, wie Kollege Kaufmann den Kopf schüttelt –, das würde nicht interessieren, weil der Abbau der Verschuldung auf Jahre und Jahrzehnte hinaus gesichert sei.
Meine sehr verehren Damen und Herren, das mag sein. Habe ich denn gesagt, dass 2025 Schluss ist? Ich sage aber, die Art, wie Sie Politik machen, ist mit dem Ende der Seriosität und der Nachhaltigkeit, das irgendwann kommt, verbunden. Dann haben Sie das Geld nämlich ausgegeben. Sie haben es verfrühstückt. Sie haben damit Wahlgeschenke gemacht, z. B. die Kindergartengebührenbefreiung. Vielleicht haben Sie sich damit sogar über den 28. Oktober hinaus gerettet. Ich glaube das übrigens nicht. Meine Erfahrung der letzten 30 Jahre in der hessischen Landespolitik zeigt, dass die hessischen Bürgerinnen und Bürger viel zu clever sind, als dass man sie kaufen könnte.
Die hessischen Bürgerinnen und Bürger sind nicht käuflich. Sie haben ein Gefühl dafür, was ihnen zusteht oder nicht. Dieses Gefühl ist vielleicht manchmal anders als das Gefühl von Jörg-Uwe Hahn und der Freien Demokratischen Partei im Hessischen Landtag, aber sie haben ein Gefühl, und deshalb preisen sie das mit ein – so würde man es an der Börse sagen. So funktioniert Politik nicht. Aber ich merke, Kollege Boddenberg war richtig gut vor
bereitet und will damit Wahlkampf machen. Deshalb führen wir dieselbe Debatte noch einmal, die wir bereits vor zwei Monaten hatten.
Ich ende mit der Feststellung: In unseren Augen brauchen wir eine finanzpolitisch nachhaltige Haushaltspolitik. Wir müssen Schwerpunkte setzten. Die Schwerpunkte sind für die Freien Demokraten Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und innere Sicherheit. Bei vielen anderen Gebieten müssen wir schauen, ob wir uns die Kosten noch leisten können, die wir derzeit haben. Ich glaube, nein. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit Blick auf die Landtagswahl im Oktober – wenn ich jetzt die einleitenden Redebeiträge des Finanzministers und des Fraktionsvorsitzenden der CDU Revue passieren lasse, stelle ich fest, das war anscheinend auch Ihr Ziel bzw. der Zweck der Debatte; aber dann kann man das natürlich durchaus tun – nutzt man hier die Gelegenheit, um darüber zu sprechen, welche finanz- und haushaltspolitischen Vorstellungen die verschiedenen Fraktionen im Haus in der Vergangenheit hatten, in der Gegenwart haben und in der Zukunft haben werden.
Die Finanzplanung der Landesregierung für die Jahre 2018 bis 2022 sieht unter anderem vor, dass das Land Hessen Schulden abbaut. Das ist ein Punkt, auf den Sie besonders stolz sind, den Sie öffentlich immer wieder hervorheben. Ich bin in diesem Zusammenhang dem Kollegen Schmitt sehr dankbar, dass er noch einmal deutlich gemacht hat, dass die CDU-geführten Landesregierungen die Verdopplung der Schulden des Landes Hessen zu verantworten haben. Das ist eine Tatsache, der Sie sich in der Debatte stellen müssen.
Natürlich ist auch der Feststellung zuzustimmen, dass der Abbau von 200 Millionen € Altschulden Jahr für Jahr nicht mehr sein kann als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ergibt keinen Unterschied, ob man, wie die FDP errechnet, mehr als 200 Jahre bräuchte, um die Schulden des Landes Hessen abzubauen, oder, wie die SPD errechnet, mehr als 100 Jahre. Am Ende zeigt es, dass das, was Sie machen, nicht mehr als Symbolpolitik ist, für die Sie sich ungerechtfertigterweise feiern lassen.
Aus unserer Sicht – da gibt es, glaube ich, die größeren Kontroversen – ist das eigentliche Problem, dass Sie den Menschen diesen minimalen Schuldenabbau als einen ganz großen Erfolg einer nachhaltigen und generationengerechten Finanzpolitik verkaufen. Das Problem ist, dass diese Finanzpolitik weder generationengerecht noch nachhaltig ist.
Um diesen Aspekt nicht zu verlieren: Es zeigt sich im Übrigen gerade in Zeiten einer guten Konjunktur – die Vorredner haben darauf hingewiesen, wie enorm sich die finanziellen Spielräume des Landes Hessen erhöht haben –, wie schädlich die Schuldenbremse eigentlich ist; denn sie führt dazu, dass dringend anstehende öffentliche Aufgaben nicht finanziert oder notwendige Investitionen in eine immer weiter verfallende öffentliche Infrastruktur unterlassen werden.
Jetzt hat der Finanzminister davon gesprochen, dass die mittelfristige Finanzplanung ein Ergebnis der ernsthaften Bemühungen um eine strukturelle Konsolidierung ist, die die CDU-geführten Landesregierungen in den letzten Jahren unternommen haben.
Was ist „strukturelle Konsolidierung“ eigentlich für ein Euphemismus? Was bedeutet strukturelle Konsolidierung? – Das bedeutet: sparen auf Kosten der Landesbeschäftigten, Streichung von sozialen Ausgaben, Sozialabbau, Kürzung und Drangsalierung der Kommunen. Das alles ist sogenannte strukturelle Konsolidierung. Ich finde, dieser Begriff ist nichts anderes als ein Euphemismus.
Wenn wir jetzt darüber reden, in welche Richtung sich das Land Hessen weiterentwickeln soll – das sollte auch Gegenstand einer mittelfristigen Finanzplanung sein –, müssen wir auch über den Investitionsstau im Lande Hessen reden.
Vor fast genau einem Jahr hatten wir im Hessischen Landtag eine Debatte über den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucks. 19/4942, mit dem offensiven Titel: „‚Einstürzende Schulbauten‘: marode Schulen mithilfe des Landes sanieren, Kommunalinvestitionsprogramm II reicht nicht aus“.
Damals erklärte der geschätzte Kollege Hahn, dass er es für eine Unverschämtheit halte, dass wir einen solch offensiven Titel gewählt hätten.
Ich weiß nicht, ob auch Sie die Pressemeldungen der letzten Woche verfolgt haben. Vor wenigen Tagen gab es die Meldung, dass in Neukirchen tatsächlich eine Schule einsturzgefährdet sei
und dass an der Paul-Julius-von-Reuter-Schule in Kassel ein Trakt gesperrt worden sei, weil die Decken nicht mehr tragen. Geschätzter Herr Kollege Hahn, blenden Sie nicht vielleicht einen Teil der Realität aus, oder sind Sie endlich willens, wahrzunehmen, dass es in Hessen tatsächlich Schulbauten gibt, die nicht nur sanierungsbedürftig, sondern mittlerweile in so einem gefährlichen Zustand sind,
Gut, dann ist es umso wichtiger. – Vielleicht sollte die Landesregierung zur Kenntnis nehmen, dass es alles andere als nachhaltig und generationengerecht ist, wenn man auf der einen Seite ankündigt, in den nächsten Jahren Schulden in einem minimalen Umfange zu tilgen, auf der anderen Seite aber nicht einmal willens und in der Lage ist, den Sanierungsbedarf an hessischen Schulen überhaupt erst einmal festzustellen und zu erheben.