Protokoll der Sitzung vom 22.08.2018

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU) – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD))

Ich sage Ihnen: Wir haben einen Plan für die Zukunft dieses Landes, einen Plan für die Zukunft unserer Schulen. Wir wollen unsere Schulen modernisieren und nicht, wie Sie, länger über die Vergangenheit reden. Meine Damen

und Herren, hier müssen wir anpacken. Das werden wir nach dem 28. Oktober tun. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Armin Schwarz (CDU))

Vielen Dank, Kollege Degen. – Das Wort hat Frau Abg. Faulhaber, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist schon bezeichnend, dass der eigene Minister keine Regierungserklärung halten soll, Sie aber weiter die Endlosschleife mit Jubelmeldungen abspielen. So etwas verschlägt einem direkt den Atem. Schämen Sie sich eigentlich nicht, so einen realitätsverleugnenden Antrag einzubringen? Ich habe tatsächlich kurz überlegt, ob ich darauf überhaupt antworten soll;

(Armin Schwarz (CDU): Setzen Sie sich wieder hin!)

denn mehr als ein schlechter Witz ist es nicht, was Sie zu Papier gebracht haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Was in Hessen wirklich Sache ist und vor allem wo dringender Handlungsbedarf besteht, werde ich morgen im Detail erläutern, wenn unser Setzpunkt aufgerufen wird. Aber irgendwie scheint Ihnen unser Antrag schon ein wenig Angst gemacht zu haben; denn wie ich an der Drucksachennummer sehe, ist dieser Antrag noch eiligst kurz vor Abgabeschluss nach unserem Antrag eingereicht worden.

Ich hoffe, Sie setzen sich dann auch mit genauso großem Elan und Eifer mit der Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie auseinander. Wir haben ihm nämlich im März den Auftrag dazu gegeben, weil hier immer solche Märchen erzählt werden. Nun liegt die Studie vor. Sie haben recht, wenn Sie aufgeregt sind; die Studie enthält nämlich ausreichend Zündstoff.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Lassen Sie mich zu diesem unglaublichen Antrag ein paar Fakten nennen. Lehrermangel ist in Hessen ein ganz massives Problem, egal wie viele Stellen Sie bisher geschaffen haben. Es kommt nämlich darauf an, dass diese Stellen auch mit echten Lehrerinnen und Lehrern besetzt werden

(Armin Schwarz (CDU): So wie in Berlin? – Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

und nicht mit bereits pensionierten oder sich noch in Ausbildung befindlichen Personen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es zeigt den Mangel aber erst richtig auf, dass Sie das tun. Skandalös ist es doch, dass der Kultusminister von über 600 Lehrkräften an Grundschulen noch nicht einmal weiß – wenigstens tut er so –, ob und wie sie qualifiziert sind.

Der angebliche Ganztag in Hessen ist und bleibt eine Mogelpackung. 70 % Ganztag – das ist zum Wiehern. Es sind 48 %, aber auch nur dann, wenn das Ganztagsangebot als solches akzeptiert wird: dass es ein verlängerter Schultag

mit Mittagessen ist und keine wirklich verbindliche Ganztagsschule mit einem qualifizierten Programm. Beim Ganztag kommt es nämlich nicht darauf an, dass die Kinder irgendwie aufbewahrt sind. Ich glaube, das würden Sie auch nicht wollen. Eltern wünschen sich ein pädagogisch durchdachtes Ganztagsschulangebot. Das existiert in Hessen z. B. für knapp 1 % aller Grundschulen. Hier wird sogar noch von Wahlfreiheit gesprochen.

(Michael Boddenberg (CDU): Sie sind weiter bei der von Ihnen in Aufrag gegebenen Studie? – Zuruf von der LINKEN)

Das ist ein renommiertes Institut. Es täte Ihnen ganz gut, wenn Sie auch einmal etwas anderes lesen würden als das, was Sie immer veröffentlichen. Ihre Zahlen sind sehr wagemutig.

(Michael Boddenberg (CDU): Ich wollte es ja nur wissen! Also ein linkes Gutachten! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE): Linkes Gutachten?)

Dann reden Sie auch noch von Chancengleichheit. Da platzt einem ja fast der Kragen. Alle Studien belegen, dass auch in Hessen der Bildungserfolg ganz massiv vom finanziellen und sozialen Hintergrund der Kinder und Jugendlichen abhängt. Das wissen alle Lehrkräfte, Eltern und Schulleitungen und natürlich auch die Schülerinnen und Schüler. Herr Schwarz, Sie verleugnen das und erzählen dann etwas über Durchlässigkeit. Die Durchlässigkeit in Hessen funktioniert nur in eine Richtung, nämlich nach unten.

(Michael Boddenberg (CDU): Ach du liebe Zeit!)

Auf einen sogenannten Bildungsaufstieg auf eine höhere Schulform kommen mittlerweile über acht Bildungsabstiege auf niedrigere Schulformen. Das sind im Übrigen Ihre Zahlen. Lesen Sie wenigstens diese. Die Tendenz verstärkt sich von Jahr zu Jahr.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sprechen in Ihrem Antrag den Lehrkräften Ihren Dank aus. Das ist eine besonders gute Möglichkeit. Also wirklich: Sie verweigern den Grundschullehrkräften eine gerechte Bezahlung nach A 13.

(Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU))

Sie ignorieren viele Hunderte Überlastungsanzeigen und die zunehmenden gesundheitlichen Schäden der Lehrerinnen und Lehrer. In den letzten fünf Jahren sind 3.000 Lehrerinnen und Lehrer wegen gesundheitlicher Schäden frühzeitig aus dem Schuldienst ausgeschieden.

Sie haben den Lehrern Disziplinarverfahren angehängt, die auf die Straße gegangen sind, weil sie keinen anderen Weg mehr gesehen haben, sich eine Stimme zu verschaffen. Und das nennen Sie jetzt „Dank“. Das ist wahnwitzig.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in der letzten Woche sowohl mit der Landesschülervertretung als auch mit dem Landeselternbeirat zusammengesessen; und diese teilen unsere Einschätzungen in weiten Teilen. Damals war Ihr Antrag noch nicht einmal bekannt. Vielleicht hätten sie sich dann noch mehr aufgeregt. Es ist auch Pech für Sie, dass der „Bildungsmonitor 2018“ zwei Tage nach der Erstellung Ihres Antrags erschienen ist. Dieser hätte Sie vielleicht von der Idee abgehalten, hier so etwas einzubringen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Angefangen bei der Lehrer-Schüler-Relation bis hin zur schlechten Ausstattung der Schulen, haben Sie das jetzt noch einmal schwarz auf weiß. Nichts ist es mit dem „Spitzenplatz“. Wir befinden uns im Bundesvergleich auf dem sechsletzten Platz; und das Institut der deutschen Wirtschaft ist nun wirklich keine linke Institution. Vielleicht lesen Sie wenigstens dies. Sie haben heute ja schon angefangen, das madig zu machen.

(Beifall bei der LINKEN – Manfred Pentz (CDU): Von welchem Land reden Sie eigentlich?)

Was Sie hier machen, ist der Versuch, die Öffentlichkeit vor einer Wahl zu täuschen. Es ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die dieses Bildungssystem durchlaufen oder damit beschäftigt sind. – Jetzt höre ich damit auf, weil ich bei diesem Antrag wirklich Gefahr laufe, mich hier unparlamentarisch zu äußern.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Um in der Sache angemessen und objektiv zu sein, bleibt morgen noch genügend Zeit, wenn unser Antrag verhandelt wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Faulhaber. – Das Wort hat Herr Abg. Wagner, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Rituale erleichtern das Leben. Sie geben Verlässlichkeit und Stabilität. Rituale erleichtern offenbar auch die politische Debatte zum Schuljahresbeginn, und so diskutieren wir wie zu jedem Schuljahresbeginn in den üblichen Schwarz-Weiß-Kategorien. Weil das ja noch nicht reicht und wir am 28. Oktober eine Landtagswahl haben, machen wir das heute noch einmal besonders extrem. Daran, ob das der Situation an den Schulen wirklich gerecht wird, habe ich allerdings sehr meine Zweifel.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Wer hat den Setzpunkt denn eingebracht? Jetzt wird die CDU auch noch für ihren Setzpunkt kritisiert!)

Frau Kollegin Wissler, es ist doch beides richtig: In den vergangenen fünf Jahren und in den Jahren zuvor wurde wahnsinnig viel in Bildung investiert; und es wurde wahnsinnig viel für unsere Schulen getan. Gleichzeitig bleibt noch eine ganze Menge zu tun; denn es ist richtig, dass die Aufgabe an unseren Schulen immer herausfordernder wird, die Schülerinnen und Schüler vielfältiger werden und die Bildungspolitik immer neue Antworten geben muss. Vielleicht können wir einfach einmal in diesen Kategorien diskutieren und das Schwarz-Weiß außen vor lassen, auch wenn am 28. Oktober ein neuer Landtag gewählt wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD))

Dann kann man doch auch anerkennen, dass in dieser Legislaturperiode 4.350 neue Stellen für die Schulen geschaffen wurden, so viele wie in den vergangenen 30 Jahren

nicht. Das kann man anerkennen, ohne damit zu sagen, dass damit schon das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn man die Schwarz-Weiß-Kategorien verlässt, kann man auch viel besser über Inhalte reden. Schauen wir uns doch einmal den Bereich der Ganztagsschulentwicklung an. Wir sind uns in diesem Hause doch einig, dass dies eine wichtige Säule für mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit ist.

(Gerhard Merz (SPD): Deshalb hat gestern auch der Sozialminister zur Beitragsfreiheit geredet!)

Es ist auch gut und richtig, dass die Stellen für das Ganztagsschulprogramm in dieser Legislaturperiode, innerhalb von nur fünf Jahren, verdoppelt wurden: 1.500 neue Stellen für diesen Bereich. Es ist auch richtig, dass wir bei dem Thema Ganztagsschule die ideologische Frontstellung, die wir in Hessen über viele Jahre hatten, endlich überwunden haben. Es stellt sich nicht mehr die Frage: „Was ist das richtige bzw. das allein selig machende Konzept in Bezug auf die Ganztagsschule?“, sondern die Frage lautet: „Was wird von den Schulträgern beantragt?“ Was beantragt wird, wird auch genehmigt. Wenn das der Pakt für den Nachmittag ist, dann ist es so, dass schon seit mehreren Jahren alle Anträge genehmigt werden. Wenn eine gebundene rhythmisiert arbeitende Ganztagsschule beantragt wird, wird auch diese genehmigt. Das kann man doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen und muss nicht weiterhin Debatten führen, die man die letzten zehn Jahre lang geführt hat. Dieses Thema ist erledigt und gelöst. Jeder Antrag wird genehmigt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Ja, aber nur die Ressourcen!)