Protokoll der Sitzung vom 23.08.2018

Der Verkehrsminister und der Innenminister haben sich auf den Weg gemacht, das mit den Gewerkschaften in Tarifverhandlungen zu vereinbaren. Heute haben wir dieses Hessenticket für alle Landesbediensteten. Auch sie können Busse und Bahnen sehr günstig nutzen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, das ist nicht das Ende der Fahnenstange, sondern es soll weitergehen, Schritt für Schritt mit immer mehr Bevölkerungsgruppen. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich den Vorschlag des CDU-Vorsitzenden Volker Bouffier, dieses günstige Flatrateticket für Busse und Bahnen jetzt auch auf alle Inhaber der Ehrenamts-Card auszudehnen, weil auch die es verdient haben, dass sie günstig Busse und Bahnen nutzen können. Ehrenamtliches Engagement verdient auch diese Form der Anerkennung.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir GRÜNE wollen dabei nicht stehen bleiben, sondern wir haben den Ehrgeiz, dass nach den Schülern, nach den Landesbediensteten die Ehrenamtler, aber in der nächsten Legislaturperiode auch die Seniorinnen und Senioren in unserem Land ein solches günstiges Flatrateticket nutzen können. Das sind 1,2 Millionen Menschen in diesem Land, die wir in der nächsten Legislaturperiode in das Konzept des Bürgertickets aufnehmen wollen. Dann sind wir einen Riesenschritt hin zu unserer Vision gegangen. Dann hätten wir am Ende der Legislaturperiode fast die Hälfte aller Hessinnen und Hessen, die Busse und Bahnen in Hessen kostengünstig nutzen können.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Das ist ein Weg, für den es sich zu arbeiten und alle Widerstände, die es auch da mit Sicherheit wieder geben wird, aus dem Weg zu räumen lohnt. Denn das ist ein Ziel, an dem zu arbeiten sich lohnt – mit einer klaren Vision, ein günstiges Bürgerticket für alle Hessinnen und Hessen und Schritt für Schritt für immer mehr Bevölkerungsgruppen zu realisieren.

Wir freuen uns, dass diese grüne Idee immer mehr Zuspruch findet und dass im wahrsten Sinne des Wortes immer mehr auf den fahrenden Zug der GRÜNEN aufspringen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege Rock für die FDPFraktion.

(Gerhard Merz (SPD): Lies einmal den Fahrplan vor!)

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe die Reden und auch die öffentlichen Bekundungen des Ministerpräsidenten gehört. Er sagt immer so gerne Sätze wie: Wir müssen die Gesellschaft zusammenhalten. – Im Zusammenhang damit haben wir hier auch über das Ehrenamtsticket gesprochen.

Ich muss sagen, diese wichtige Frage, die Gesellschaft zusammenzuhalten, kann man nicht auf einen Freifahrtschein reduzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

Wir haben 2 Millionen Ehrenamtliche in Hessen, und 15.000 sollen jetzt ein preisreduziertes Ticket bekommen. Wie hält das eine Gesellschaft zusammen?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und der LINKEN)

Ich bin, wie, ich glaube, fast jeder hier im Raum, ehrenamtlich tätig. Ich bin Vorsitzender eines Vereins, der karitativ tätig ist. Die Menschen, die sich da engagieren, machen das nicht wegen eines Freifahrtscheins. Sie würden auch nicht verstehen, warum der eine einen bekommt und der andere nicht. Sie würden auch nicht verstehen, dass das eine Botschaft sein soll, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Ich weiß nicht, mit was das in Verbindung gebracht würde. Aber ich glaube, dass der Weg, den Sie hier einschlagen, der falsche ist. Es ist nachvollziehbar, dass Sie vor der Wahl oder für eine Aktuelle Stunde so etwas machen. Aber das dient nicht dem Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wir, die Mitglieder des Hessischen Landtags, haben die Wahl vor Augen. Wir müssen in der Diskussion mit den Bürgern täglich all die Herausforderungen bestehen. Da können wir doch nicht vor die Bürger treten und sagen: Schaut einmal, ich habe etwas dabei, damit kannst du günstiger fahren – also nicht alle, aber vielleicht 15.000 der vielen Ehrenamtlichen.

Ich bitte die Mitglieder der Landesregierung: Wenn Sie diesen Obersatz tatsächlich ernst nehmen, dann hören Sie auf, die Gesellschaft zu unterteilen. Hören Sie auf, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes besser als die normalen Arbeitnehmer zu stellen. Hören Sie damit auf. Hören Sie damit auf, Privilegien im öffentlichen Dienst zu verteilen, die andere nicht haben. Das wollen Sie dann auch noch als politisch korrekt und klug verkaufen.

Lieber Herr Wagner, ich möchte noch etwas an Ihre Adresse richten. Sie werfen den Sozialdemokraten – und wahrscheinlich der Opposition in Gänze – vor, sie wollten immer nur für alle Freibier, und das alles wäre nicht hinterlegt, es gehe um das Umsonst.

(Günter Rudolph (SPD): Das machen die GRÜNEN!)

Es gibt kaum eine größere Freibierregierung als diese.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Der Kindergarten ist umsonst.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das finden die Leute gut!)

Uns fehlen 20.000 Krippenplätze. Uns fehlen 10.000 Ganztagsplätze. Uns fehlen, damit eine gute Qualität vor Ort geboten werden kann, 7.000 Erzieher. Was machen Sie? – Sie sorgen dafür, dass das umsonst ist.

Den öffentlichen Personennahverkehr gibt es umsonst. Aber es gibt keine einzige Schiene mehr.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist falsch!)

Es gibt keinen einzigen Waggon mehr.

(Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist falsch!)

Trotzdem gibt es das alles umsonst. Man müsste das Geld erst einmal investieren, anstatt alles immer umsonst zu machen.

(Beifall bei der FDP – Unruhe – Glockenzeichen der Präsidentin)

Mit diesen Geschenken, die Sie jetzt vor der Wahl verteilen, machen Sie alles Mögliche. Aber Sie halten damit die Gesellschaft nicht zusammen. Vielmehr unterteilen Sie die Gesellschaft damit immer mehr. Sie nehmen auch die Probleme dieser Gesellschaft nicht ausreichend ernst.

Herr Ministerpräsident, falls Sie zu diesem Thema reden werden, sagen Sie uns einmal, wie Sie die Gesellschaft zusammenhalten wollen. Mit den Projekten, die Sie ins Schaufenster gestellt haben, machen Sie das jedenfalls nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Corrado Di Bene- detto (SPD))

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Herr Kollege Schalauske für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorweg bemerken: DIE LINKE begrüßt es ausdrücklich, wenn weitere Personengruppen hessenweit kostengünstiger Bus und Bahn fahren und nutzen können. Denn der öffentliche Nahverkehr gehört – das haben wir hier diskutiert – aus sozialen und ökologischen Gründen massiv gefördert.

(Beifall der Abg. Janine Wissler und Gabriele Faul- haber (DIE LINKE))

Unser Dank und unsere Anerkennung gelten den unzähligen Menschen, die sich in Vereinen, Verbänden und Initiativen ehrenamtlich für das Allgemeinwohl und das Gemeinwesen engagieren. Das Spektrum ehrenamtlichen Engagements ist groß und vielfältig. Das reicht vom Einsatz im Sportverein und bei der freiwilligen Feuerwehr über die Aktiven in den Sozialverbänden und den Gewerkschaften, in den Hartz-IV-Hilfegruppen, in den Eine-Welt-Läden, in

den Umweltgruppen, bei den Flüchtlingshelfern bis hin zum Einsatz in den antifaschistischen Initiativen und bei der Bildungsarbeit.

(Gerhard Merz (SPD): Die kriegen das nicht!)

Ich sage das ausdrücklich: Ihnen allen gehören unser Dank und unsere Anerkennung.

(Beifall der Abg. Janine Wissler und Gabriele Faul- haber (DIE LINKE))

Aber es gibt beim Thema Ehrenamt auch eine andere Seite. Seit Jahren zieht sich der Staat von den Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge zurück und überträgt sie dem Ehrenamt. Ich sage: Das zunehmende und unterstützenswerte ehrenamtliche Engagement darf nicht dazu missbraucht werden, öffentliche Aufgaben auf die Schultern der Ehrenamtlichen abzuwälzen.

(Beifall der Abg. Janine Wissler und Gabriele Faul- haber (DIE LINKE))

Nun reden wir also darüber, dass alle Inhaber einer Ehrenamts-Card analog zum Schülerticket und zum Landesticket ein Hessenticket für den öffentlichen Personennahverkehr bekommen sollen. Dagegen haben wir nichts. Je mehr Menschen es haben, umso besser ist es.

Aber werfen wir einmal einen Blick auf die Zahlen. Die CDU-Fraktion schreibt in ihrer Pressemitteilung, es gebe rund 2 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die sich in Hessen ehrenamtlich engagierten. Ich habe versucht, das Spektrum aufzuzeigen.

Was meinen Sie: Wie viele sollen davon in den Genuss des Hessentickets kommen? – Schaut man auf die Homepage der Hessen-Card, sieht man, dass es lediglich 15.000 ehrenamtlich tätige Hessen sein sollen, die eine solche Karte dann ihr Eigen nennen könnten. Es gibt 2 Millionen Ehrenamtliche, und es soll 15.000 Hessentickets geben. Demnach könnten 0,75 % aller in Hessen ehrenamtlich Tätigen von dem Hessenticket profitieren. Das ist jeder 133.

Diese Zahlen zeigen, dass diese Initiative leider nicht mehr als ein kleiner Trippelschritt in die richtige Richtung ist. Wahrscheinlich ist das sogar vielmehr der verzweifelte Versuch, die Ehrenamts-Card noch zu retten. Ich frage Sie: Warum profitieren nicht alle ehrenamtlich Aktiven von den Vergünstigungen des Hessentickets?

(Beifall bei der LINKEN)