Protokoll der Sitzung vom 12.09.2018

Vielen Dank, Frau Kollegin Goldbach. – Das Wort hat der Innenminister, Herr Staatsminister Peter Beuth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nur ein paar wenige Bemerkungen machen. Am 23. Mai hat der Hessische Landtag einen sehr ähnlichen Gesetzentwurf bereits abgelehnt. Die Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP haben ein Gesetz betreffend Straßenausbaubeiträge bereits in Gesetzeskraft gebracht. Es ist schon angesprochen worden: Dieses Gesetz hat einen kommunalfreundlichen Anstrich.

(Lachen des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE))

Das beschlossene Gesetz sieht vor, dass es sich am Ende um eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung handelt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): An welcher Stelle wird die eingeschränkt, Herr Minister?)

Herr Kollege Schaus, das ist eben auch unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit zu betrachten. Es ist selbstverständlich so, dass die Kommunen in kommunaler Selbstverwaltung in der Lage sind, zu entscheiden, inwieweit sie Straßenbeiträge, wiederkehrende Straßenbeiträge oder keine Straßenbeiträge erheben möchten. Das entscheiden sie im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit.

Meine Damen und Herren, wenn hier von einer Stärkung der Kommunen gesprochen wird, dann will ich in Erinnerung rufen, dass es die Landesregierung in den letzten Jahren geschafft hat, die Kommunen in die Lage zu versetzen, diese Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir waren am Anfang dieser Wahlperiode in einer schwierigen Situation. Nur 34 % der Kommunen waren in der Lage, ihre Haushalte auszugleichen. Wir leben inzwischen im Jahr 2018. In diesem Jahr werden 97 % der Kommunen dazu in der Lage sein, weil wir die Kommunen in den letzten Jahren gestärkt haben.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Der Kommunale Finanzausgleich ist mittlerweile über 5 Milliarden € stark. Wir haben den Schutzschirm mit 3 Milliarden €, wir haben die Hessenkasse mit 5,6 Milliarden €, wir haben KIP I mit 1 Milliarde € und KIP II mit einer halben Milliarde Euro. Das ist unsere Antwort auf die Forderung nach Stärkung der Kommunen und der kommunalen Selbstverwaltung. Wir haben die Kommunen in den letzten viereinhalb Jahren sehr stark gemacht.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Schmitt (SPD): Deshalb haben die hessischen Kommunen auch das höchste Defizit in Deutschland!)

Ich wundere mich schon darüber, wen Sie hier als leuchtendes Beispiel herangezogen haben. Wenn ich den Kollegen Schaus richtig verstanden habe, dann hat er das Bundesland Berlin als herausragendes Beispiel in den Raum gestellt.

(Hermann Schaus (DIE LINKE): Dort hat die CDU für die Abschaffung gestimmt und dafür geworben!)

Meine Damen und Herren, in Berlin haben wir einen Grundsteuerhebesatz von 810 Punkten. Ich weiß nicht, ob das das Beispiel sein soll, das wir am Ende im Raum stehen lassen sollten.

(Zurufe von der SPD und der LINKEN)

Ich finde, dass wir im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung eine gute Entscheidung getroffen haben.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen, der mich insbesondere deshalb wundert, weil er von den LINKEN kommt. Mit dem, was Sie hier vorschlagen, wollen Sie die von Straßenausbaubeiträgen entlasten, die Häusern besitzen, die Eigentum geschaffen haben, also eigentlich dieje

nigen sind, die in unserer Gesellschaft vermögender sind, und Sie wollen die Beiträge aus allgemeinen Steuermitteln aufbringen, sodass am Ende Oma Lina, die in einer kleinen Mietwohnung lebt, die Straßenausbaubeiträge mit bezahlt.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Sie können ja eine gerechte Steuerpolitik betreiben!)

Ich finde den Umverteilungsmechanismus, den Sie hier vorschlagen, für einen Politiker der LINKEN außerordentlich bemerkenswert.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Das Wort hat der Abg. Rudolph, SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war ein bemerkenswerter Beitrag der Abg. Frau Goldbach, zu sagen, der Zeitpunkt sei nicht richtig gewählt. Mit kalter Verachtung wurde im Mai unser Gesetzentwurf nach der ersten Lesung abgelehnt.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Das ist schon ziemlich zynisch. Mit kalter Verachtung wird heute der Gesetzentwurf erneut abgelehnt. Warum scheuen Sie eigentlich eine ordentliche parlamentarische Beratung und die Anhörung von Betroffenen? Warum eigentlich?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe der Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) und Klaus Peter Möller (CDU))

Wenn alle Argumente der SPD-Fraktion so hanebüchen sind, müssen Sie doch gar keine Angst haben. Herr Kollege Schaus, ja, wir haben auch bei der ersten Lesung im Mai gesagt: Über den Finanzierungsschlüssel wird man reden können, nämlich ob finanzschwächere Kommunen bessergestellt werden als finanzstärkere. – Das Beispiel der Stadt Eschborn mit 200 Millionen € Rücklagen ist natürlich eines, über das man nachdenkt. Aber es ist das normale parlamentarische Verfahren, über Gesetzentwürfe zu beraten und Veränderungen vorzunehmen. Sie scheuen davor zurück und wollen die Debatte nicht. Das ist Arroganz pur. Sie wollen nicht mit Betroffenen reden. Das ist Arroganz pur.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Wir haben in den 423 Kommunen eine jeweils völlig unterschiedliche Finanzstruktur. Ja, Herr Hahn, es gibt Kommunen,

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

die die Beiträge abgeschafft haben, weil sie es finanzpolitisch darstellen können. Dann haben wir Kommunen, die die höchsten Grundsteuer-B-Sätze und einen Sanierungsstau haben. Die sind besonders betroffen. Andere würden gerne sanieren, können es aber nicht. Deswegen wollen wir die Kommunen gleichstellen. Das Land ist für die Finanzausstattung der Kommunen zuständig. Hessische Kommunen haben bundesweit eine der schlechtesten Finanzaus

stattungen und die höchsten Schulden. Da gibt es einen kausalen Zusammenhang.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Die Kommune Felsberg mit ihrem Stadtteil Gensungen liegt in meinem Wahlkreis. Wir, unter anderem Thorsten Schäfer-Gümbel, waren bei 35 Grad Hitze da und haben uns mit fast 100 Leuten unterhalten. Ich habe mich mit einem älteren Bewohner unterhalten, er ist 80 Jahre alt und hat ein kleines Häuschen. Er sagte: Herr Rudolph, ich habe mein Haus abbezahlt. Die Rente ist auskömmlich. Ich soll jetzt aber für die Sanierung der Straße – vor Ort gab es auch noch Probleme mit der Sanierung, der Information und den Einwänden der Bürger; das gehört alles dazu – 20.000 € bezahlen. Das Geld habe ich nicht. Von meiner örtlichen Sparkasse oder Volksbank bekomme ich keinen Kredit. – Dann soll ich ihm mit der kalten Verachtung von Frau Goldbach sagen: Das ist kommunale Selbstverwaltung. – Nehmen Sie die Realität in unserem Land eigentlich noch wahr oder nicht mehr? Das ist kalte Verachtung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Dann reden Sie von kommunaler Selbstverwaltung. Das machen Sie gerne bei kommunalen Jubiläen. Da wird der alte Freiherr vom und zum Stein noch einmal totgeredet, und die kommunale Selbstverwaltung wird postuliert.

(Zurufe von der CDU und des Abg. Dr. h.c. Jörg- Uwe Hahn (FDP))

Wissen Sie: Hessische Kommunen haben 11 Milliarden € Schulden.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Hessische Kommunen hatten 6 Milliarden € Kassenkredite. Das ist nach dem Bundesland Saarland die schlechteste Finanzausstattung. Dann reden Sie von kommunaler Selbstverwaltung, wenn in den Kommunen teilweise nur noch der Mangel verwaltet werden kann. Was ist das für eine Philosophie? Wo leben Sie eigentlich?

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, immer dann, wenn die SPD Vorschläge macht, kommen die Ammenmärchen der CDU. Die GRÜNEN übernehmen jetzt schon seit viereinhalb Jahren die Verantwortung für 15 Jahre vorheriger CDU-Politik. Der Schuldenstand des Landes Hessen im Jahr 1999, als die CDU an die Regierung kam, betrug 23,6 Milliarden €. Der Schuldenstand des Landes Hessen am 31.12.2017 beträgt 43,1 Milliarden € – fast verdoppelt. Die Schuldenmajore Hessens wollen uns etwas über seriöse Finanzen erzählen. Das ist abenteuerlich.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Deswegen können und werden Sie das heute mit Ihrer Mehrheit mit kalter Verachtung erneut machen. Aber das Thema Straßenausbaubeiträge wird in vielen Kommunen eine Rolle spielen. Auf der Besuchertribüne sitzen Vertreter: Transportieren Sie es, es finden Podiumsdiskussionen mit allen Parteien statt. Damit jeder Bürger in Hessen weiß, wie der örtliche CDU-Abgeordnete über diesen Gesetzentwurf abgestimmt hat,

(Lachen bei der CDU)

damit die Heuchelei endlich aufhört – vor Ort bin ich dafür, aber in Wiesbaden dagegen –, beantragen wir die namentliche Abstimmung. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank, Kollege Rudolph. – Das Wort hat Abg. Michael Boddenberg, Fraktionsvorsitzender der CDU.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Da von Rednern – eben auch von Herrn Rudolph – mehrfach auf die Damen und Herren auf der Tribüne hingewiesen wurde, will ich für diejenigen, die entweder im Plenarsaal oder anderenorts zuschauen, sehr grundsätzlich werden,

(Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Es gibt keinen Livestream mehr! – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)