Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

Ich sage Ihnen ganz klar: Ich muss mich erst einmal ein bisschen beruhigen, weil ich nicht verstehe, dass Sie nicht bereit sind, auf das einzugehen, was ich hier erklärt habe, weil ich immer noch nicht fassen kann, dass diese Landesregierung das nicht ernst nimmt, was ich hier vorgetragen habe.

Aber wenn ich meinen Blutdruck jetzt ein bisschen gesenkt habe, gebe ich Ihnen einen klaren Hinweis. Die FDP-Bundestagsfraktion hat einen eigenen Vorschlag eingebracht, wie man diese Umrüstung finanzieren kann. Im Grundsatz kann man sagen, dass man die Automobilhersteller in die Haftung nimmt. Aber Sie wissen, dass das juristisch nicht so einfach ist. Darum haben wir einen Fonds vorgeschlagen, der dann auch von der Automobilindustrie mitfinanziert werden soll,

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mitfinanziert? – Weitere Zurufe)

weil wir an einer schnellen Lösung für die Verbraucher interessiert sind. Deshalb haben wir unseren eigenen Vorschlag für eine schnelle Lösung dieser Nachrüstung.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Und den Rest zahlt der Steuerzahler? – Weitere Zurufe)

Danke, Herr Kollege Rock. – Als nächste Rednerin spricht nun Frau Kollegin Schott von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es grenzt schon an politische Schizophrenie, wenn Volker Bouffier und Thorsten Schäfer-Gümbel auf die Bundesregierung zeigen, die jetzt bei der Automobilindustrie die Kostenübernahme für die Dieselnachrüstung erwirken soll.

(Holger Bellino (CDU): Na, na, na!)

Dieser Schritt ist in der Tat schon seit zwei Jahren überfällig.

Muss ich wirklich SPD und CDU im Hessischen Landtag daran erinnern, welche Parteien seit dem Bekanntwerden des sogenannten Dieselskandals die Bundesregierung bilden?

(Norbert Schmitt (SPD): Da ist ein Dissens! Das ist das Problem!)

Wenn CDU und SPD es in der Bundesregierung zulassen, dass CSU-Verkehrsminister viele Jahre lang eine betrügerische Automobilindustrie decken, kann man es nur scheinheilig nennen, wenn Sie jetzt gemeinsam nach Berlin zeigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der sogenannte Dieselskandal war immer auch ein Politikskandal. Politiker haben den Herstellern seit vielen Jahren den Rücken freigehalten. Die Bundesregierung verhindert in Brüssel strengere Grenzwerte und schärfere Kontrollen.

Was will man auch erwarten, wenn Politik und Konzerne ihr Spitzenpersonal austauschen? Der wohl bekannteste Fall ist Matthias Wissmann: 1993 bis 1998 Bundesverkehrsminister und bis 2007 für die CDU im Bundestag. Seit 2007 ist er Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie. Oder Thomas Steg: 2009 Wahlkampfberater der SPD, seit 2012 Cheflobbyist bei VW. Oder Michael Jansen: bis 2009 Büroleiter von Angela Merkel in der CDU-Zentrale, seit 2015 Leiter der Berliner VW-Vertretung.

Oder Joachim Koschnicke: bis 2011 Planungs- und Kommunikationschef der CDU, dann 2013 bis 2017 bei Opel für die Politik, also für die Lobbyarbeit zuständig. 2016 ist Koschnicke zu Verkehrsminister Dobrindt gefahren, um ihn davon zu überzeugen, dass die Abschaltautomatik im Modell Zafira nicht so schlimm sei. Wissen Sie, wer ihn bei dieser Mission begleitet hat? – Der ehemalige Hessische Ministerpräsident Roland Koch höchstpersönlich. Er sekundierte den Autolobbyisten.

2017, mitten in der Abgasaffäre, holt Angela Merkel Koschnicke wieder zur CDU, diesmal als Wahlkampfmanager. Da ist es doch kein Wunder, dass das Thema im Bundestagswahlkampf der CDU kaum eine Rolle gespielt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Das waren noch lange nicht alle. Wenn ich jetzt weitermachen würde, würde mir hier vorne wahrscheinlich schlecht und dem Publikum da oben vermutlich auch.

(Zurufe von der CDU)

Was hat denn das mit Glaubwürdigkeit zu tun? Was hat es mit Politik zu tun, wenn jetzt so kurz vor der Wahl Fahrverbote drohen? Sogar die CDU in Hessen fordert, dass die Autokonzerne für die Kosten der Nachrüstung aufkommen. Ihre Kanzlerin hätte das schon vor zwei Jahren durchsetzen können. Aber auch Angela Merkel wird die Äußerungen aus Hessen als das abtun, was sie sind: Wahlkampftheater.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag, den die Regierungsfraktionen vorgelegt haben, ist lächerlich.

(Holger Bellino (CDU): Sie wollen doch Ihren Trabi zurück!)

Er ist lächerlich aufgrund der Dinge, die ich vorhin beschrieben habe, nicht aufgrund seines Inhalts. Inhaltlich teile ich den Antrag – bis auf das Lobgehudel der Regierung. Wenn Sie den halben Satz herausnehmen würden, könnten wir auch noch einmal darüber reden. Ansonsten ist er einfach lächerlich.

CDU, SPD und GRÜNE fordern die Bundesregierung auf, die Automobilhersteller endlich in die Pflicht zu nehmen. Allen voran die CDU müsste den Beweis antreten, dass sie auch nur im Entferntesten daran interessiert ist, die betrogenen Verbraucherinnen und Verbraucher tatsächlich zu entschädigen und für die Reinhaltung der Luft zu sorgen. Das ist aber ein verdammt langer Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

Frankfurts CDU-Fraktionsvorsitzender Michael zu Löwenstein hat wie gerade René Rock und Mathias Müller, der Präsident der Industrie- und Handelskammer Frankfurt, zuletzt nach dem Richterspruch gesagt, dass das Land Hessen gegen das Urteil Berufung einlegen müsse.

(Beifall bei der FDP)

Die Glaubwürdigkeit der CDU ist angesichts dieses Antrags verdammt zweifelhaft.

(Jürgen Lenders (FDP): Da hättet ihr eigentlich auch klatschen müssen! – Gegenruf von der LINKEN)

Das Urteil sei ungerecht und schädlich für die Wirtschaft, behaupten die beiden. Ich sage: Das ist ein verdammt langer Weg für die CDU.

Gerecht ist, den Gesundheitsschutz für alle Menschen endlich durchzusetzen. Die anstehenden Entscheidungen des Gerichts für Wiesbaden, Darmstadt und Offenbach werden kaum anders ausfallen. In wenigstens zehn hessischen Städten werden die Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickoxide weiterhin regelmäßig überschritten. Wie beschämend ist es, dass ein Umweltschutzverband ein grün geführtes Umweltministerium daraufhin verklagt, endlich die Einhaltung der im Jahr 1999 beschlossenen Grenzwerte sicherzustellen?

Spätestens seit Oktober 2014 war bekannt, dass selbst die meisten Euro-6-Diesel-Pkw den Grenzwert nur auf dem Papier, aber nicht in der Realität einhalten, wie uns Priska Hinz auf eine Kleine Anfrage hin antwortete. Das war ein Jahr vor dem Bekanntwerden des Abgasskandals in den USA. Was hat die Ministerin eigentlich mit ihrem Wissen in diesem Jahr gemacht, außer Klagen der Deutschen Umwelthilfe abzuwehren?

Im Juli 2011, also vor sieben Jahren, gab es die erste Klage wegen dauerhafter Überschreitung von Stickoxidgrenzwerten in Hessen. Damals noch von den GRÜNEN unterstützt, hatte eine Wiesbadenerin gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe das Land Hessen verklagt. Damals jubelten die GRÜNEN noch. Seit ihrer Regierungsbeteiligung befinden sich die GRÜNEN im Abwehrkampf gegen Maßnahmen zur Luftreinhaltung. Ja, es ist ein Abwehrkampf.

CDU und GRÜNE sind endlich gezwungen, ihre Blockadehaltung aufzugeben, und das nur wegen dieses Urteils. Das alles geht nicht ohne eine Verkehrswende. Mit der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen könnten die Grenzwer

te für Stickoxide eingehalten werden, die Klimaschutzziele jedoch nicht.

Auch saubere Diesel sind klimaschädlich. Der Verkehr macht ein Drittel der CO2-Emissionen aus. Wenn wir die Klimaschutzziele einhalten wollen, muss ab 2030 der Großteil des Verkehrs klimaneutral sein. Das heißt, er muss auch ohne Diesel-Pkw auskommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Da helfen die paar wenigen Polizeifahrzeuge, die da unten vor der Tür stehen, auch nicht wirklich. Das ist nur Placebo.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist zu spät, sich jetzt für eine blaue Plakette und neue, vermeintlich saubere Diesel einzusetzen, die noch über zehn Jahre fahren werden. Wenn wir Ernst machen wollen mit der Verkehrswende und dem Klimaschutz in lebenswerten Städten und sozial gerechten Mobilitätsangeboten, brauchen wir den Nulltarif. Verkehrswende bedeutet nicht nur einen massiven Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Verkehrswende heißt auch, allen Menschen den Zugang zur Mobilität zu ermöglichen. Dieser Ball liegt schon lange bei den grünen Ministern Al-Wazir und Hinz.

Bei aller Schuldverschiebung und bei allem Bedauern über verschüttete Milch ist es jetzt die vordringliche Aufgabe der Politik, dass nicht die Dieselfahrerinnen und -fahrer für schwerwiegende Fehler von Politikern zahlen müssen. Die betrügerischen Autokonzerne müssen zur Verantwortung gezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

CDU und SPD sind aber leider dabei, gerade das zum wiederholten Mal komplett zu verbocken.

Es dürfen keine Fahrverbote erlassen werden ohne Alternativen für die Mobilitätsbedürfnisse. Das kann z. B. mit elektrisch betriebenen Bussen, dem Vorrang für Fuß- und Radverkehr sowie der schrittweisen Einführung des Nulltarifs relativ schnell gelingen. Besonders die Menschen mit geringem Einkommen sind auf den ÖPNV angewiesen. Deshalb brauchen wir den Nulltarif. Dieser ist sozial und ökologisch sinnvoll.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend möchte ich daran erinnern, dass wir Anfang dieses Jahres einen Antrag vorgelegt haben, in dem wir eine Menge Vorschläge zur Einhaltung der Grenzwerte und zur Einleitung der Verkehrswende gemacht haben. Wir verzichten daher auf einen neuen Antrag. Wenn die Hessische Landesregierung weitere Anzeigen und am Ende sogar Strafzahlungen vermeiden will, sollte sie unseren Antrag, den die Regierungsfraktionen abgelehnt haben, noch einmal herausholen und zurate ziehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott.

Bevor ich Herrn Kollegen Boddenberg das Wort erteile, möchte ich jemanden auf der Besuchertribüne begrüßen. Ich begrüße ganz herzlich den rumänischen Minister für Geschäftsumfeld, Handel und Unternehmertum, S. E. Herrn Stefan-Radu Oprea, und seine Delegation sowie