Protokoll der Sitzung vom 25.06.2014

Herzlichen Dank für die Berichterstattung, Herr Decker. – Meine Damen und Herren, zwei Hinweise: Ich glaube, es ist gerecht, dass wir, wenn wir länger als bis 18 Uhr tagen, die öffentlichen Fernseher im Hause abschalten, damit hier debattiert und nicht draußen gejubelt wird.

(Günter Rudolph (SPD): Das teile ich, jawohl!)

Sie mögen das teilen, die anderen aber vielleicht nicht.

Es ist keine Rednerfolge abgesprochen. Wir beginnen mit Herrn Schork von der CDU, dann kommt Herr Schmitt von der SPD, und dann habe ich Herrn van Ooyen von der LINKEN vorliegen. Danach kommt alles Weitere nach Reihenfolge. Einverstanden?

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. Schork für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, die parlamentarischen Geschäftsführer haben das Programm extra so gelegt, damit die Haushälter beweisen können, dass sie nicht nur mit Geld im Haushalt ordentlich haushalten können, sondern auch mit der Zeit, sodass wir alle das bevor

stehende Großereignis um 18 Uhr zeitgerecht erreichen werden.

Deswegen nur einige wenige Punkte zur zweiten Lesung des Nachtragshaushalts. Mit diesem Haushalt senken wir die Nettoneuverschuldung um 124 Millionen € auf 960 Millionen €. Das ist immer noch viel, zeigt aber den Abbauwillen. Zusätzlich stellen wir 60 Millionen € für den Asyl- und Flüchtlingsbereich zur Verfügung. Wir haben 10 Millionen € für das Thema Inklusion eingestellt, wo dankenswerterweise mit den freien Wohlfahrtsverbänden eine entsprechende Einigung getroffen worden ist, sodass sich die Notwendigkeit für das Einstellen dieses Geldes auch herausgestellt hat.

Schließlich und endlich erhöhen wir die Grunderwerbsteuer – das ist in diesem Haushalt entsprechend veranschlagt – um einen Prozentpunkt ab 1. August 2014. Das ist uns nicht leicht gefallen, aber wir halten es für notwendig, dies bereits in diesem Jahr zu tun, statt damit bis zum Jahr 2015 zu warten.

Dieser Nachtragshaushalt und das sich aus den Beratungen ergebende Ergebnis ist insofern wichtig bzw. wichtiger als im Vergleich zu den Vorjahren, als mit diesem Nachtrag der Betrag für die strukturelle Nettoneuverschuldung festgelegt wird und dieser Betrag die Basis für den Abbaupfad im Konsolidierungsprozess ist, der in fünf Schritten bis zum Jahr 2019 die Nettoneuverschuldung auf null bringen soll und nach unserem Willen auch bringen wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu ist Konsolidierung notwendig. Wir haben im Laufe dieser Woche schon mehrfach über Finanzen gesprochen, und es ist insbesondere vom Vorsitzenden der SPD-Fraktion über die Konsolidierung gesagt worden, zur Haushaltspolitik und dem Einhalten der Schuldenbremse gehöre eine Einnahme- und Ausgabenverantwortung.

(Günter Rudolph (SPD): Jawohl, das haben wir in Hessen beschlossen!)

Deswegen müssen Sie sich auch fragen lassen, wie diese Worte mit dem zusammenpassen, was Sie hier in Form eines Antrags und sonstiger öffentlicher Erklärungen kundtun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Beispiele zur Einnahmeverantwortung nennen. Ja, es ist schwer, die Grunderwerbsteuererhöhung vorzuziehen und zum 1. August 2014 umzusetzen. Aber das ist praktizierte Einnahmeverantwortung, und Sie stehlen sich vom Acker und sagen: Wir machen dies nicht mit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem zweiten Punkt komme ich zu dem von Ihnen vorgelegten Antrag. Sie monieren in Ihrem Antrag, dass in dem Nachtragshaushalt nicht mehr Mittel für den Straßenbau eingestellt würden. Sie sprechen von einem Betrag in zweistelliger Millionenhöhe. Schließlich und endlich lässt sich aus Ihrem Antrag herauslesen, dass Sie wollen – obwohl Sie wissen, dass wir uns in ernsthaften Verhandlungen für die Neustrukturierung befinden –, dass wir dem Kommunalen Finanzausgleich etwa 400 Millionen € zuführen.

Das alles können Sie ja fordern. Aber Ausgaben- und Einnahmeverantwortung ergeben und machen es zwingend erforderlich, dass Sie dann auch Vorschläge zu diesem Thema machen, wie die Gegenfinanzierung aussieht und wie Sie den von uns beschlossenen und von den Bürgerinnen und Bürgern vorgegebenen Abbaupfad zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt einzuhalten gedenken. Leider Gottes: Fehlanzeige.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sind Sie gefordert, Ihre Worte in diesem Plenum mit Ihren Taten, sprich: Ihren Anträgen, in Einklang zu bringen.

Ich sagte es bereits in der ersten Lesung und will es nicht wiederholen: Dasselbe gilt auch für die Kollegen der FDP, die eine Senkung der Grunderwerbsteuer vorschlagen. Ich bin gespannt, welche Gegenfinanzierungsvorschläge Sie uns im Rahmen der weiteren Beratung vorlegen.

(Florian Rentsch (FDP): Das machen wir!)

Weil dieser Abbaupfad zwingend notwendig ist, ist es ebenfalls erforderlich, dass dieser Landtag die finanzpolitischen Leitlinien beschließt, die das Kabinett beschlossen hat und die in der Sitzung des Haushaltsausschusses am 14. Mai 2014 vorgestellt worden sind, um deutlich zu machen, dass diese Vorhaben auch so umgesetzt werden sollen, und damit die Finanzplanung bis zum Jahr 2019 ein großes Maß an Verbindlichkeit erhält.

Dazu gehört die Umsetzung der gemeinsamen politischen Ziele im Rahmen der Schuldenbremse. Es gilt der Grundsatz der vollständigen und dauerhaften Gegenfinanzierung, primär im gleichen Politikbereich. Alle Bereiche des Landeshaushalts müssen einen Konsolidierungsbeitrag liefern. Es gibt Bereiche ohne Finanzierungsbehalt, die ausgenommen sind – ich nenne insbesondere die Sportförderung, den Brand- und Katastrophenschutz sowie das Sozialbudget, das wir im Jahr 2015 bekanntlich auf 70 Millionen € erhöhen wollen. Außerdem nenne ich die Lehrerstellen, die von diesen Maßnahmen ausgenommen sind.

Wir haben uns vorgenommen, in dieser Legislaturperiode 1.800 Stellen im gesamten Bereich der Landesverwaltung zu streichen. Wir haben das Thema einer Begrenzung des Besoldungszuwachses in den vergangenen Tagen mehrfach diskutiert. Schließlich und endlich werden wir, beginnend mit dem Haushaltsjahr 2015, die freiwilligen Leistungen, die Verwaltungs- und Investitionsausgaben um 50 Millionen € kürzen. Das wird moderat anwachsen.

All diese Dinge zeigen sehr deutlich, dass es dieser Koalition ernst ist und dass wir an dem Ziel festhalten, bis zum Jahr 2019 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, und dies auch schaffen wollen. Ich betone, dass alle – nicht nur die Fraktionen hier, sondern auch die Interessengruppen außerhalb, die mit uns über diese Fragen diskutieren – aufgefordert sind, konstruktiv an der Ausgestaltung des Konsolidierungspfades und der Umsetzung der finanzpolitischen Leitlinien mitzuwirken. Dann werden wir dies zum Erfolg führen können. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Abg. Schmitt, Fraktion der SPD.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch nach der kursorischen Lesung und der Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände halten wir unsere Kritik an dem Nachtragshaushaltsentwurf aus der ersten Lesung aufrecht – ja, zum Teil müssen wir sie sogar verschärfen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, es ist unstreitig, dass das strukturelle Defizit des Landeshaushalts eines der höchsten in ganz Deutschland ist. Ursache dieser Entwicklung ist einerseits, dass Hessen in seiner Wirtschaftsentwicklung in den letzten Jahren massiv zurückgefallen ist.

Man muss sich das einmal vorstellen. Hessen ist beim Wirtschaftswachstum seit 2005 ganz am Ende der Skala aller Bundesländer in Deutschland, am unteren Ende. Andererseits sind die Ausgabenzuwächse in Hessen zwischen 2001 und 2011 die höchsten in ganz Deutschland. Das passt nicht zusammen. Beide Entwicklungen führen am Ende dazu, dass Hessen mit die miserabelste Situation in allen Bundesländern hat.

(Beifall bei der SPD)

Die Zahlen können Sie in unserem Antrag nachlesen. Sie sind solide und belegbar.

(Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU))

Ich glaube, das macht die ganze Misere in Hessen deutlich. Meine Damen und Herren, in dem Haushalt ist das strukturelle Defizit sogar noch geschönt dargestellt worden, weil man in erheblichem Maße Rücklagen entnommen hat. Aber es ist wiederum schön: Die Strafe folgt auf dem Fuß. Denn das strukturelle Defizit des Jahres 2014 ist die Grundlage für die Abbautreppe in den nächsten Jahren. Da kann man nüchtern feststellen: Statt bei 860 Millionen € zu starten, liegt der Start nun bei 544 Millionen €. Das hat entsprechende Wirkungen.

Deswegen ist es kein Wunder – jetzt zitiere ich die „Frankfurter Neue Presse“ vom 21.06. –, dass zahlenkundige Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion demnächst „einen großen Knall“ erwarten.

Das ist in zweierlei Hinsicht ganz interessant. Es gibt also noch zahlenkundige Mitglieder in der CDU-Fraktion.

(Heiterkeit bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): Das ist die erste Überraschung! – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU): Im Gegensatz zu euch, da gibt es keine mehr!)

Schade ist nur: Sie reden nicht und machen auch nie Zwischenrufe.

(Beifall bei der SPD)

Ich hätte gerne, dass diese zahlenkundigen Mitglieder hier endlich reden und qualifizierte Zwischenrufe machen.

(Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Zurufe von der CDU)

Dann kämen wir in der politischen Debatte über die finanzielle Situation des Landes Hessen vielleicht ein Stück

weiter und könnten uns vernünftig darüber unterhalten, was in Hessen notwendigerweise erfolgen müsste.

Deswegen muss ich Ihnen sagen, dass der Nachtragshaushaltsentwurf – ich habe es in der ersten Lesung schon gesagt – finanzpolitisch einfach unambitioniert ist und dass es gleichzeitig an politischem Gestaltungswillen fehlt.

Meine Damen und Herren, zentrale Wahlkampfversprechen von CDU und GRÜNEN sind in diesem Haushalt nicht eingelöst und werden auf die Zukunft verschoben. Es ist auch entscheidend: Wichtige und notwendige Aufgaben werden mit dem Nachtragshaushalt nicht finanziert. Das gilt vor allem für die völlig unzureichenden Mittel für den Landesstraßenbau. Durch eine Haushaltssperre, die der Finanzminister verfügt hat, fehlt ein zweistelliger Millionenbetrag, 42 Millionen €. Im Nachtragshaushalt wird diese Fehlentwicklung nicht korrigiert, und das finden wir dramatisch. Das ist nicht gut.

(Beifall bei der SPD)

Das kann dem grünen Willen entsprechen. Das kann so sein. Aber das sollten Sie als CDU korrigieren. Sie haben noch ausreichend Zeit bis zur dritten Lesung, um diese Fehlentwicklung zu korrigieren.

Ich komme zu einem weiteren Punkt aus der kursorischen Lesung und vor allem aus der Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände. Die Kommunalen Spitzenverbände haben übereinstimmend kritisiert, dass die Landesregierung ihnen jährlich – jetzt sind es fast schon 400 Millionen € – 390 Millionen € entzieht. Ein besonderes Ärgernis auf der kommunalen Seite ist die Tatsache, dass die Kommunen in Hessen für die Asylbewerberunterbringung nicht die erforderlichen Mittel erhalten, sondern seit Jahren allein dadurch erhebliche Defizite aufhäufen. Bei den Landkreisen und kreisfreien Städten entstehen allein dadurch, dass das Land für die Asylbewerberunterbringung nicht die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt, erhebliche Defizite.