Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

(Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))

der hat ein vollkommen rückwärtsgewandtes Familienbild. Dieses Bild haben wir nicht.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist Ihr Bild. Das versuchen Sie mit aller Kraft, zu propagieren. Wir sagen: Kinderbetreuung, Erziehung ist eine originäre Aufgabe der Familien.

(Janine Wissler (DIE LINKE): Genau, Rückkehr zum Herd! – Gegenruf des Abg. Manfred Pentz (CDU): Zurück in die Vergangenheit!)

Was wir als Staat anbieten, sind letztendlich Rahmenbedingungen und familienunterstützende Maßnahmen auf einem hohen qualitativen Niveau. Das ist vollkommen klar. Das muss man bei all diesen Diskussionen immer berücksichtigen.

Deswegen gehört auch die Kindertagespflege dazu, über die wir uns auseinandergesetzt haben. Natürlich nehmen wir das auf und fragen: Worin besteht die Gleichwertigkeit eines öffentlichen Betreuungsangebots? Muss sich das nicht auch in Gebühren niederschlagen?

Dann kommen wir aber schon auf das Kinderförderungsgesetz zurück. Dem haben wir den größten Zeitraum eingeräumt. Deswegen kann man darüber auch zwei Sätze verlieren. Doch die meiste Zeit dieser Diskussion ging es um das Institut, das das Kinderförderungsgesetz evaluieren soll. Der größte Beitrag wurde dazu geleistet, worauf da geachtet werden muss, beispielsweise ob Inklusion richtig umgesetzt wird. Ein für mich ganz entscheidender Punkt – und das war für mich ein so tolles Ergebnis dieses runden Tisches – ist, dass die Träger gesagt haben, es soll evaluiert werden, dass die in dem Gesetz angelegte Qualitätspauschale nicht in die normale Betriebskostenfinanzierung der Kindertagesstätten mit einfließt, sondern dass das letztendlich tatsächlich der Qualität zugutekommt, wie das im Gesetz angelegt ist. Damit verbunden ist eine hohe Akzeptanz dieses Gesetzes.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Sie denken an die Redezeit.

Deswegen sage ich: Ja, wir werden diesen Dialog fortsetzen, und zwar schneller, als es beispielsweise der Vorsitzende des Landesjugendhilfeausschusses meint. Er hat sicherlich zu den kritischsten Begleitern dieses Gesetzgebungsverfahrens gehört. Sein Vorschlag waren: zwei Jahre. Wir werden das sehr viel früher tun, sobald es sinnvoll ist und die ersten Zwischenergebnisse der Evaluation vorliegen. Dann können wir einen weiteren Schritt in der Begleitung und möglicherweise auch in der Weiterentwicklung dieses Gesetzes gehen. An der Spitze aber steht die Qualität in Kindertagesstätten und deren Fortentwicklung, nicht aber die Umsetzung eines Gesetzes.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Grüttner.

Meine Damen und Herren, es gibt dazu keine weiteren Wortmeldungen mehr. Damit ist Tagesordnungspunkt 68 erledigt.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 69 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Anti-Israelismus darf in Hessen und Deutsch- land keinen Platz greifen – Polizei darf sich nicht in- strumentalisieren lassen) – Drucks. 19/672 –

Das Wort hat der Kollege Rentsch, Fraktionsvorsitzender der FDP.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Debatten über Israel und Palästina beschäftigen in Deutschland viele Parlamente. Mich beschäftigt dieser Konflikt seit meiner Jugend. Meine Besuche in Israel und Palästina haben leider immer dazu beigetragen, die schwierige Situation, die dort herrscht, zu verstärken. Eine Lösung dort ist, wie wir heute wieder in der Zeitung lesen konnten, nicht in Sicht. Als Deutsche haben wir bei dieser Debatte eine besondere Verantwortung. Deshalb bietet eine solche Debatte für mich die Möglichkeit – fünf Minuten sind eigentlich zu kurz, um dieses wichtige Thema zu besprechen –, festzustellen, dass am Existenzrecht des Staates Israel im Hessischen Landtag kein Zweifel bestehen darf.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit dieser Aussage verbinde ich keine Wertung dazu, wer im aktuellen Konflikt recht oder unrecht hat. Von außen ist das schwer zu beurteilen, bei den Emotionen, die dort herrschen, und bei den Taten, die dort von beiden Seiten geschehen. Aber wie gesagt ist für uns Deutsche das Existenzrecht des Staates Israel von besonderer Bedeutung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Demonstration, die am vergangenen Wochenende unter dem Titel „Free Palestine“ stattgefunden hat, war allerdings ein Tatbestand, der aus unserer Sicht in eine sehr schwierige Entwicklung geraten ist. Ich verkürze das jetzt: Die Polizei hat Einfluss auf diese Veranstaltung genommen, indem sie einem der Demonstranten – in der Hoffnung, er würde zu einer Deeskalation beitragen – die Möglichkeit gegeben hat, aggressive Sätze wie „Kindermörder Israel“ oder „Allahu akbar“ zu proklamieren, sodass keine Deeskalation eingetreten ist, sondern dass über die Polizeilautsprecher des Landes Hessen solche Parolen proklamiert worden sind.

(Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.)

Herr Innenminister, ich will ausdrücklich sagen: Ich rechne es Ihnen hoch an, dass Sie sich im Ausschuss für diese Vorgänge entschuldigt haben. Das gilt auch für Herrn Polizeipräsidenten Thiel. Für den Hessischen Landtag und die Hessische Landesregierung ist es eine Verpflichtung, bei dieser Frage Neutralität zu wahren. Von hessischer Staatsgewalt darf in dieser Frage keine Parteinahme ausgeht. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage das deshalb ausdrücklich, weil ich mir vorstellen kann, dass das auch für einen Innenminister nicht einfach ist. Trotzdem war das, was Peter Beuth gemacht hat, notwendig und richtig. Es befreit den hessischen Innenminister aber nicht von der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass in Zukunft solche Tatbestände nicht mehr erfüllt werden.

Was ist passiert? Wir hatten eine Demonstration, zu der nur 50 Leute erwartet wurden. Die vom Veranstalter gemeldete Zahl der Teilnehmer wurde auf 300 Personen erhöht. Zum Schluss waren 2.500 – zum Teil sehr gewaltbereite – Menschen aus sehr zwielichtigen Spektren bei dieser Demonstration. Hamas-Anhänger, Neonazis der Nationalsozialisten Rhein-Main – das muss man sich einmal vorstellen –, Salafisten und Linksradikale haben gemeinsam eine Demonstration abgehalten, die mit acht verletzten Polizeibeamten geendet hat. Deshalb müssen wir – neben der Frage, wie wir in diesem Landtag zu Israel und zu dem Palästina-Israel-Konflikt stehen – zweitens das Signal geben: Wir unterstützen keine aggressiven, keine gewalttätigen Demonstrationen, von welcher Seite auch immer. Extremisten auf allen Seiten bekommen von uns die rote Karte gezeigt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Hessische Landtag hat sich – trotz manchmal unterschiedlicher Meinungen hinsichtlich dieses Konflikts – immer dafür eingesetzt, dass es einen Dialog gibt. Wir hatten bei dem Thema nicht immer die gleiche Meinung. Einen Dialog muss es aber geben. Der kann nur friedlich sein und darf nicht gewaltbereit sein. Deshalb ist auch klar: Unsere Polizei unterstützt diesen Dialog, aber sie unterstützt keine Parteinahme in eine bestimmte Richtung – schon gar nicht über einen hessischen Polizeilautsprecher, über den derartige Parolen skandiert worden sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Polizeikräfte vor Ort waren mit der Situation überfordert. Es gab wegen der völlig falschen Lageeinschätzung auch eine Unterbesetzung der Polizei vor Ort. Deshalb kann ich nur sagen: Deeskalation ist wichtig und gut, aber sie darf nicht zu solchen Ergebnissen führen. Das ist das Letzte, was wir als Hessischer Landtag, als öffentlich Handelnde in dieser Frage unterstützen dürfen.

Es ist wichtig, dass der Landtag heute das unterstützt, was der Innenminister im Ausschuss getan hat, nämlich sich zu entschuldigen. Ich glaube, das ist ein wichtiges Signal, und das ist auch der Grund dafür, dass ich nachher zur Kundgebung der jüdischen Gemeinde nach Frankfurt fahren werde. Ich glaube, es ist ein wichtiges Signal, zu zeigen, dass man zu Israel steht

Herr Kollege Rentsch, kommen Sie bitte zum Schluss.

vielen Dank, Frau Präsidentin –, ohne damit die Frage zu beantworten, wer in diesem Konflikt recht hat. Deshalb sollte die Entschuldigung, die der Herr Innenminister für die Polizei zu Recht ausgesprochen hat, aus meiner Sicht

das Credo dieser Debatte sein. So etwas dürfen wir erstens nie wieder passieren lassen, und zweitens müssen wir als Hessischer Landtag ein klares Signal setzen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Herr Staatsminister Beuth das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bilder im Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen im Nahen Osten, im Gazakonflikt, gehen uns allen sehr nahe und lösen große Betroffenheit aus. Unsere Gedanken sind bei den Familien der Opfer dieser schon viel zu lange dauernden Auseinandersetzung. Zum Glück gibt es zurzeit eine Feuerpause von fünf Stunden, in denen Hilfsgüter und Lebensmittel in die betroffenen Gebiete gebracht werden können.

Deutschland – und damit auch Hessen – steht in einem einzigartigen Verhältnis zu Israel. Dies ist begründet durch die Verantwortung Deutschlands für die Schoah, den systematischen Völkermord an Millionen Juden Europas in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Beziehungen zu Israel sind heute eng und freundschaftlich. Ich möchte ausdrücklich klarstellen, dass es daran auch nach dem vergangenen Samstag keinerlei Zweifel gibt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rentsch, ich unterstreiche ausdrücklich: Am Existenzrecht des Staates Israel bestehen keine Zweifel, dürfen keine Zweifel bestehen.

Dass Mitbürgerinnen und Mitbürger auf die Situation im Nahen Osten aufmerksam machen wollen und daher zu öffentlichen Versammlungen aufrufen bzw. an ihnen teilnehmen, ist ihr verfassungsrechtlich verbrieftes Recht. Der Hessischen Landesregierung und insbesondere mir als Hessischem Innenminister ist es überaus wichtig, dass wir in Hessen mit aller Kraft für die Gewährleistung der Ausübung des friedlichen Demonstrationsrechts eintreten. Gerade bei Demonstrationen ist die Sicherstellung der Versammlungsfreiheit ein wesentliches Ziel.

Die Polizei als Garant der inneren Sicherheit hat hierbei einen besonderen Stellenwert. Jegliches polizeiliches Vorgehen muss von Professionalität geprägt sein. Die polizeilichen Maßnahmen müssen sich an der Grundrechtsnorm orientieren. Das Handeln der Polizeibeamten soll dabei von Unparteilichkeit und von Kooperation bestimmt sowie bei friedlichem Verlauf von deutlicher Zurückhaltung geprägt sein. Aber wir akzeptieren keine Gewalt bei Demonstrationsaufläufen. Das ist auch in den vielen Debatten deutlich geworden, die wir in dieser Legislaturperiode über dieses Thema schon geführt haben.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gerade unter diesen Voraussetzungen versichere ich Ihnen, dass wir den Vorgang, über den wir heute in der aktuellen Stunde diskutieren, außerordentlich ernst nehmen. Gleichzeitig möchte ich aber noch einmal klipp und klar sagen: Die hessische Polizei ist politisch neutral. Ich bedauere es sehr, dass hieran Zweifel aufkommen konnten. Dieses Bedauern habe ich auch gegenüber dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herrn Dr. Graumann, in einem persönlichen Telefonat zum Ausdruck gebracht. Die Hessische Landesregierung wird mit Minister Boris Rhein und Staatssekretär Werner Koch heute Nachmittag bei der Kundgebung des Jüdischen Kulturvereins Ostend ebenfalls zugegen sein.

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle aber noch einige Informationen zum Ablauf der Veranstaltung vom vergangenen Samstag mitteilen, wie er mir von der Polizeiführung dargestellt wurde. Die Versammlung am Samstag zum Thema „Free Palestine“ hatte einen Zulauf von 2.000 bis 2.500 Teilnehmern und hat die Polizei überrascht. Gegenüber der Versammlungsbehörde zeigte die Veranstalterin zunächst 50 Teilnehmer an, korrigierte dies im Verlauf des Freitags auf lediglich 300 nach oben. An den erwarteten 300 Teilnehmern orientierte sich zunächst auch die polizeiliche Einsatzplanung. Wie sich im Nachhinein zeigte, war diese Einschätzung nicht korrekt. Aufgrund der dann doch hohen Teilnehmerzahl wurden ergänzend Polizeikräfte hinzugezogen.

Nach Ende der Versammlung um 18 Uhr kam es aus der Menge der Demonstranten zu Steinwürfen gegen Polizeibeamte und zum Zünden von Pyrotechnik. Es sind dabei leider acht Beamte verletzt worden. Um einer weiteren Eskalation entgegenzutreten, wurde von der Polizei einem Sprecher aus Kreisen der Demonstranten gestattet, über den Lautsprecher eines Dienstfahrzeugs, das zur taktischen Kommunikation vor Ort war, beruhigend und in deutscher Sprache auf die Menge einzuwirken. Bei früheren Demonstrationen, die zu eskalieren drohten, wurde dies im Einzelfall von der Polizei im Rahmen der sogenannten taktischen Kommunikation ebenfalls so gehandhabt. Der Sprecher der Demonstranten verstieß jedoch gegen die Absprache und sagte auch Sätze in arabischer Sprache. Erst nach Beendigung der Versammlung wurde bekannt, dass diese arabischen Sätze antiisraelische Botschaften enthalten haben, die vom Kollegen Rentsch gerade vorgetragen worden sind.

Herr Staatsminister, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Die hessische Polizei wurde hier offensichtlich missbraucht. Leider wurden auch Fehler gemacht, die es nun intensiv aufzuarbeiten gilt und die ich, das habe ich bereits betont, sehr bedauere.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster hat Kollege Bauer für die CDU-Fraktion das Wort.