Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke den Kollegen der FDP, dass sie die Vorfälle am vergangenen Samstag zum Thema einer Aktuellen Stunde gemacht haben. Das bietet nämlich die Gelegenheit, Dinge klarzustellen und auch Probleme anzusprechen.
Lassen Sie mich mit etwas Grundsätzlichem beginnen, bevor ich auf die Ereignisse der antiisraelischen Kundgebung in Frankfurt eingehe. Deutschland steht in einem einzigartigen Verhältnis zu Israel. Der Herr Innenminister hat es selbst betont. Das ist in der Verantwortung Deutschlands für die Schoah begründet, dem systematischen Völkermord an etwa 6 Millionen Juden Europas in der Zeit des Nationalsozialismus.
Erstens. Die deutsch-israelischen Beziehungen sind heutzutage Gott sei Dank eng und freundschaftlich. Freunde können und müssen nicht immer einer Meinung sein. Gleichwohl sind die einzigartigen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ein Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik. Deutschland steht für das Existenzrecht Israels ein. Es fördert als aktiver Partner der Europäischen Union die Friedensbemühungen im Nahen Osten. In den Vereinten Nationen setzt sich Deutschland für einen fairen Umgang mit den Konfliktparteien im Nahen Osten ein.
Vor diesem Hintergrund ist unsere Meinung zu den Vorfällen in Frankfurt eindeutig. Für Antiisraelismus und auch für einen noch so gut versteckten Antisemitismus ist in Hessen und in ganz Deutschland kein Platz.
Zweitens. Es darf nicht passieren, dass aus deutschen Polizeilautsprechern von Demonstranten antiisraelische Parolen zu hören sind. Auch darüber sind wir uns einig.
Drittens. Auch das wurde schon deutlich: Die Polizei hat sich missbrauchen lassen und ist getäuscht worden. Auch ein solcher Fehler darf sich nicht wiederholen. Das hat Innenminister Peter Beuth eben auch deutlich gemacht.
Die Szenarien wurden schon geschildert: Am vergangenen Sonntag haben sich in Frankfurt über 2.000 gewaltbereite Demonstranten am Schluss ihres Auftritts zusammengerottet und die Polizei angegriffen. Es gab acht Verletzte: Steinwürfe und körperliche Gewalt.
Wir müssen deshalb an dieser Stelle auch über unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung sprechen, nämlich über das Gewaltmonopol des Staates, das von bestimmten Gruppen demonstrativ nicht anerkannt wird und auch nicht wurde. Wir müssen auch über diesen Cocktail aus Linksextremisten, Rechtsextremisten und Islamisten reden, die sich hier in ihrem Antisemitismus oder Antiisraelismus vereint und ihre Hassgefühle ausgelebt haben. Meine Damen und Herren, all das geht nicht.
Wenn Demonstranten in Frankfurt die Fahnen der islamistischen Hamas schwenken und Parolen wie „Allahu akbar“ oder „Kindermörder Israel“ rufen, schwant einem schon nichts Gutes. Noch unerträglicher und noch schockierender ist es, dass auf einer anderen Demonstration, im Ruhrge
biet, die Parole „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ skandiert worden ist. Das ist weit mehr als eine israelfeindliche ProGaza-Demonstration; hier ist die Grenze des Erträglichen weit überschritten. Das darf nicht unwidersprochen bleiben.
(Beifall bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Da sollte auch die Linkspartei klatschen!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen sollten wir die Angst und die Betroffenheit der Jüdischen Gemeinde Frankfurt sehr ernst nehmen. Ich habe heute Morgen auf meinem Weg vom Hotel zum Hessischen Landtag Landtagsmitarbeiter gesehen, die auf dem Gehweg vor dem Hessischen Landtag Schmierereien – vorgeblich antiisraelische Parolen – entfernt haben. Auf dem Gehweg vor unserem Hessischen Landtag wurden mit Kreide möglicherweise Sätze geschrieben, wie sie auch auf der Pro-GazaDemonstration geschrien worden sind.
Es ist kein großer Unterschied, ob es sich um ideologischen Antisemitismus aus der linken Ecke, um rassistischen Antisemitismus aus der rechten Ecke oder um religiösen Antisemitismus aus der islamistischen Ecke handelt. Dieser Ungeist hat in Deutschland, in Hessen und gerade in Frankfurt mit seiner großen jüdischen Vergangenheit nichts, aber auch gar nichts verloren.
Schauen Sie sich deshalb hier einmal genau um. Wir hätten hier die Möglichkeit, uns ganz klar, deutlich und unmissverständlich von dieser roten Linie der Unbelehrbaren zu distanzieren. Sie sehen ja, welche Hände sich zum Applaus regen und welche Hände sich nicht zum Applaus regen.
(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE))
Um es klar zu sagen: Die Polizei hat das Ausmaß des Gewaltpotenzials unterschätzt. Es waren zu wenig Beamte da. Die Situation ist auch mithilfe der Lautsprecheransagen nicht deeskaliert worden. Aber es ist für uns alle ganz wichtig, hier deutlich festzustellen, dass unsere Polizei politisch neutral ist und dass dies auch am vergangenen Samstag so war.
Frankfurts Polizeipräsident und Innenminister Peter Beuth haben sich beim Zentralrat der Juden in Deutschland entschuldigt. Der Innenminister hat zugesagt, dass der Sachverhalt intensiv aufgearbeitet wird. Mehr geht an dieser Stelle nicht. Wir bedauern diesen Vorfall.
Zum Schluss will ich deutlich machen: Der Konflikt in den Palästinensergebieten hat leider immer noch kein Ende gefunden, und täglich sterben Menschen. Krieg bringt immer unermessliches Leid für alle Beteiligten. Wir können nur hoffen, dass sich Vernunft und Besonnenheit möglichst schnell durchsetzen. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Nahen Osten gibt es erneut Krieg. Auch in diesem Krieg gibt es nur Verlierer: Tote, Verletzte und Zerstörungen. Nicht zuletzt stirbt dort die Humanität. Neuer Hass breitet sich aus und erschwert den Durchbruch der Vernunft. Den Hardlinern auf beiden Seiten muss Einhalt geboten werden.
Aber ich sage auch: Ich bin froh, dass dies in diesem Land nicht nur heimlich zur Kenntnis genommen wird, sondern dass Menschen gegen Krieg und Gewalt auf die Straße gehen. Dass sich junge Menschen – mit wahrscheinlich wenig politischer Erfahrung – nicht offensiv gegen Versuche verschiedener Gruppierungen, die mit rassistischen Parolen das Bild der Demo bestimmt haben, gewehrt haben, ist bedauerlich, und ich hoffe, dass so etwas nicht wieder vorkommt.
Wir als Friedensbewegung werden jedenfalls wieder die Initiative ergreifen und mit klaren politischen Positionen und natürlich auch mit organisatorischen Erfahrungen den Kampf für Frieden und gegen Krieg und Gewalt in die Öffentlichkeit tragen.
Mich irritiert, dass sich Parteien – heute die FDP –, die immer nach dem Rechtsstaat rufen, wieder einmal eher auf Repression und Diffamierung kaprizieren, als deeskalierendes Handeln der Polizei zu favorisieren.
Protestbewegungen mit polizeilicher Gewalt zu unterdrücken hilft nicht weiter. Das Leiden von Menschen durch Krieg und Gewalt darf nicht ignoriert werden. Diese Menschen brauchen unser Mitgefühl und unsere Solidarität.
Demonstrationen mit diesem Ziel sind von allen politischen Kräften, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind, zu unterstützen.
Immerhin war in Frankfurt aufgrund politischer Vorgaben eine solche Vorgehensweise der Polizei nicht immer an der Tagesordnung. Ich will an Blockupy erinnern. Wenn über Lautsprecher – auch über Polizeilautsprecher – Hassparolen verbreitet werden, ist das nicht hinnehmbar.
Doch wir sollten in dieser Debatte den Hintergrund der spontanen Demonstration nicht aus dem Auge verlieren. Die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen richten sich gegen die israelische Bevölkerung und auch gegen zivile Ziele. Aber Israel reagiert völlig unverhältnismäßig mit massiven Bombenangriffen, die stündlich Zivilisten töten und im dicht besiedelten Gazastreifen einen humanitären Notstand heraufbeschwören. Die israelische Drohung mit einer Bodenoffensive nimmt eine nochmalige Zuspitzung des Konflikts und eine massive Erhöhung der Opferzahl in Kauf.
Ich hoffe, dass, wie es der Herr Innenminister schon gesagt hat, die Feuerpause nicht nur fünf Stunden dauert, sondern länger anhält und dass dies nicht passiert.
Wie gesagt, im Gazastreifen herrscht Krieg. Gaza ist von der Außenwelt abgeschnitten, wird belagert und massiv mit Bomben und Raketen angegriffen. Die inhaltlichen Positionen dazu können Sie bei dem Kollegen Todenhöfer, der sich dazu geäußert hat, heute sicherlich noch einmal nachlesen.
Noch nicht einmal US-Außenminister Kerry findet bei der Regierung Israels Gehör, wenn es darum geht, die militärische Zuspitzung einer maßlosen Reaktion auf Raketenangriffe aus dem Gazastreifen zu stoppen. Diese nimmt beim Bombardement zivile Opfer in Kauf und stellt sich damit jenseits völkerrechtlicher Normen. Wir stehen weiter zum Völkerrecht überall auf der Welt.
Weltweite Appelle, diese Gewaltaktionen sofort einzustellen, müssen umgehend zu einem Ergebnis führen. Gerade gegenüber einer befreundeten Regierung muss Kritik erlaubt sein. Die internationale Gemeinschaft ist gut beraten, die beiden Seiten nicht durch einseitige Schuldzuweisungen falsch zu ermutigen. Wenn die internationale Gemeinschaft – oder wichtige Staaten – bewusst auf Kritik an einer Seite verzichtet, ist das nicht zielführend, sondern verantwortungslos.
In diesem Konflikt führt niemand einen gerechten Krieg. Wir dürfen uns weder mit den völkerrechtswidrigen Operationen der israelischen Armee gegen die Bevölkerung im Gazastreifen noch mit der Gewalt gegen die israelische Bevölkerung abfinden. Die israelische Besatzungspolitik und der Ausbau der Siedlungen müssen enden.
Die Schuldigen für die Ermordung der drei israelischen Jugendlichen und den Rachemord an einem palästinensischen Jugendlichen müssen gefunden und vor Gericht gestellt werden. Die Friedensformel für die Region ist ein demokratischer israelischer Staat, der in Frieden und Sicherheit mit einem lebensfähigen, unabhängigen palästinensischen Staat leben kann.
Der Weg zu diesem Ziel wird lang. Der erste Schritt ist eine sofortige Waffenruhe zwischen Israel und den Palästinensern. Dafür werden wir weiterhin auf die Straße gehen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorkommnisse anlässlich der Demonstration am 12.07. in Frankfurt müssen uns gemeinsam betroffen machen. Sie müssen uns aber auch Sorgen machen. Das haben die Vorredner, zumindest zu einem großen Teil, auch so dargestellt. Das, was sich dort abgespielt hat, darf sich in Deutschland, in Hessen, nicht wiederholen.