Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

(Brigitte Hofmeyer (SPD): Hofmeyer!)

Entschuldigung, Hofmeyer. Ich war beim Taufpaten, Entschuldigung. – Ihr letzter Satz hat mich veranlasst, hier noch etwas zu sagen.

Wieder haben Sie von den beiden gleichwertigen Gütern gesprochen. Ich will Ihnen etwas erwidern und dabei auch die GRÜNEN ein großes Stück weit gegen Ihre Vorwürfe in Schutz nehmen. Ich erinnere alle, die hier sitzen, an die

Rede eines Vertreters Ihrer Fraktion im September-Plenum zu K+S. Die erste Überraschung bestand darin, dass das – ich sage es etwas spaßig – der asphaltpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion war. Es war nicht der umweltpolitische Sprecher. Die Rede von Herrn Frankenberger habe ich mir einmal angeschaut. Darin habe ich nicht ein einziges Mal das Wort „Umwelt“ gefunden. Insofern weiß ich nicht, ob es bei Ihnen wirklich noch um zwei gleichwertige Ziele geht. Ich glaube, Ihr Koordinatensystem hat sich schon zu einer Seite verschoben.

Dann das Zweite, das ich hier vortragen will, auch in Erwiderung zu Ihnen. Das Konzept, das die Landesregierung, Frau Hinz, vorgetragen hat, sehe ich schon ein großes Stück weit in der Tradition eines Beschlusses, den wir alle miteinander – außer den LINKEN – hier gefasst haben, und zwar im Jahr 2010. Damals haben wir gesagt, wir fordern das Unternehmen auf, alle drei Optionen gleichzeitig zu prüfen und in das Genehmigungsverfahren zu geben.

Das waren technische Sachen, die sind mit einem 360-Millionen-€-Paket auf den Weg gebracht worden, und das waren die lange und die kurze Pipeline. – Das war unser Beschluss hier. Alle drei Pläne sollten sozusagen ins Verfahren gegeben werden.

Dann ist es doch klar, dass die Situation irgendwann einmal beleuchtet werden muss: Wie sieht es denn mit diesen drei Optionen aus? Gibt es eine, die sich herauskristallisiert?

Was sich dann herauskristallisiert hat, ist eigentlich das, was Sie jetzt in diesem Konzept wiederfinden. Insofern dürfte es für niemanden eine große Überraschung sein – und schon gar nicht in der Art und Weise, wie Sie es jetzt skizzieren.

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Zwei Minuten sind um.

Mein allerletzter Satz. – Jeder, der die lange Pipeline haben wollte – sicher ist sie nicht die Ideallösung –, muss sich doch angesichts der Probleme und des Widerstandes aus dem Raum fragen: Wann würde sie denn jemals realisiert werden? Dabei lasse ich die Belastungen des Unternehmens noch ganz außen vor. Wann wäre sie realisiert? Dabei unterhalten wir uns über einen sehr langen Zeitraum. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Landau. – Frau Kollegin Hofmeyer, Sie haben die Möglichkeit zur Erwiderung, auch für Sie zwei Minuten. Bitte schön.

(Armin Schwarz (CDU): Jetzt aber ein bisschen freundlich! – Gegenruf der Abg. Nancy Faeser (SPD): Das war auch nicht freundlich!)

Herr Landau, ich fange beim Letzten an. Im Jahr 2010 ist der Beschluss des runden Tisches erfolgt. Wir alle haben gesagt: Das sind Maßnahmen, denen wir nachgehen wollen und die wir gut finden. – Wie Sie sagen: Wir haben damals auch die Nordseepipeline ein Stück weit gut gefunden.

Aber Sie können doch nicht sagen: Wenn wir vier Jahre lang nichts tun, das einfach ignorieren und sagen, es ist eben heute so, wie es ist – –

Das macht die Landesregierung!)

Sie waren doch in der Landesregierung. Sie waren in der Verantwortung. Sie haben fünf Jahre lang durchgeschlafen, sonst hätten Sie doch die Probleme längst gelöst.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD))

Ich wiederhole mich jetzt: Dieser gemeinsame Beschluss, der von diesem Parlament verabschiedet wurde, ist heute mehr als sieben Jahre alt. Warum haben Sie denn sieben Jahre lang nicht hier im Parlament weiterdiskutiert? Das einzige Mal war noch damals, am runden Tisch. Ansonsten war hier doch Ruhe im Bau. Es hat sich doch niemand um dieses Thema gekümmert. Wie oft haben wir denn im Regierungspräsidium Kassel nachgefragt, nach dem Motto: Was ist denn? Wann muss K+S endlich etwas tun? Wann müssen denn die Genehmigungsbehörden in die Gänge kommen? Wir wissen doch heute: Diese ganze PipelineDiskussion war letztendlich nur Zeitverzögerung, und das haben Sie als Verantwortung tragende Regierungsfraktion mitgemacht. Aus der Nummer kommen Sie heute nicht heraus.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Hofmeyer. – Für die Landesregierung spricht nun Staatsministerin Hinz. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei diesem sehr schwierigen Thema kann es nicht so etwas wie einen Befreiungsschlag geben. Da kann es nur darum gehen, ein möglichst realistisches Vorgehen zu planen und zu verabreden. Ich sage Ihnen: Das ist wahrlich kein leichtes Unterfangen, auf der einen Seite größtmöglichen Umweltschutz walten zu lassen, eine schnellstmögliche Beendigung der Versenkung herbeizuführen, eine Reduzierung der Belastung nicht nur der Werra, sondern daraus folgend auch der Weser – und gleichzeitig die Arbeitsplätze hier in Hessen und im Großraum Hessen-Thüringen zu sichern. Das hat der Hessische Landtag viele Jahre lang gemeinsam unterstützt. Daran will ich nochmals erinnern. Das war das gemeinsame Ziel und bleibt es hoffentlich auch weiterhin.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe jetzt ein Szenario erarbeitet und das auch mit dem Unternehmen verhandelt. Im Übrigen war ich dazu aufgerufen, in mehreren Aktuellen Stunden und Debatten hier,

dass ich „ideologiefrei“ – ich glaube, das war sogar einmal eine Überschrift bei einer Aktuellen Stunde – mit der Unternehmensführung verhandeln soll. Zwar musste man mir das nicht unbedingt erst ins Stammbuch schreiben, denn es ist meine Art, so auf Leute zuzugehen. Aber natürlich habe ich das getan und versucht, beiden Zielen Rechnung zu tragen.

Es ergab sich für mich eine schwierige Ausgangslage. Nicht nur hat im Jahr 2010 der runde Tisch eine Empfehlung formuliert, deren Umsetzungsmöglichkeiten nicht recht geprüft wurden – was geht, und was geht eigentlich nicht –, sondern eine Variante wurde geprüft, die von fast allen hier vier Jahre lang als die beste dargestellt wurde, nämlich die Nordseepipeline. Aber schon im Jahre 2010, also direkt nach der Formulierung dieser Empfehlung, wurde sie von einer übergroßen Mehrheit in dem Land negiert, durch das diese Nordseepipeline laufen müsste. Dieser politische Beschluss steht nach wie vor. Deshalb ist eine Nordseepipeline auch politisch in sehr weite Ferne gerückt – jenseits der Frage, ob das eigentlich eine effiziente Lösung ist.

Wir haben im Frühjahr eine Ökoeffizienzstudie in Auftrag gegeben, „nicht einfach so“, Frau Hofmeyer, nicht nach dem Motto „Die Hessen schauen jetzt mal, was gut ist“, sondern in Absprache mit dem Weserrat und den Ländern, die im Weserrat vertreten sind. Herr Lenders, es muss ein neuer Bewirtschaftungsplan aufgestellt werden. Das müssen wir nicht bei der Bundesregierung anmelden, sondern der Weserrat arbeitet an diesem neuen Bewirtschaftungsplan. Deswegen musste die Ökoeffizienzstudie auf den Weg gebracht werden, und deswegen müssen wir jetzt mit deren Ergebnissen arbeiten – und zwar am besten gemeinsam, weil die Bundesrepublik diesen Bewirtschaftungsplan bei der EU einreichen muss.

Die Studie hat ein Ergebnis erbracht, das auch bei mir erst einmal für Staunen und Irritation gesorgt hat, mit dem ich als zuständige Ministerin aber umgehen muss. Es lautet, dass in der Werra kein „guter Zustand“ zu erreichen ist. Die Frage, ob in der Werra Trinkwasserqualität erreicht werden kann, stand nie im Raum. Trinkwasserqualität wäre nie im Leben erreichbar gewesen. Angedacht war, dass man einen „guten Zustand“ hinbekommt, wie von der Wasserrahmenrichtlinie vorgesehen. Wir können in der Werra Süßwasserqualität erreichen, d. h. ein gutes ökologisches Potenzial.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Die Ökoeffizienzstudie hat des Weiteren ergeben, dass es nicht wirtschaftlich ist, eine Pipeline zur Nordsee zu bauen. Aber auch die Pipeline zur Oberweser wird so, wie sie geplant war, in der Ökoeffizienzstudie als unwirtschaftlich dargestellt.

Wir haben die Ergebnisse in den Gremien, die dafür zuständig sind, zur Debatte gestellt und dort publik gemacht. Das war zuerst im Weserrat der Fall. Der Weserrat hat im September als Erster davon erfahren. Danach haben meine Mitarbeiter dem runden Tisch Mitteilung gemacht. Das war unglücklicherweise der Tag, an dem auch Sie beim RP waren. Aber ich fand – das war meine Entscheidung –, dass der runde Tisch, der über viele Jahre an diesem Thema gearbeitet hat, zuerst erfahren muss, was diese Ökoeffizienzstudie ergeben hat. Wenn der runde Tisch erst eine Woche oder zwei Wochen später erfährt hätte, was eigent

lich Sache ist, während ich weiter mit K+S verhandelt habe, wäre das doch irre gewesen. Der runde Tisch hat damals im RP getagt und dort die Informationen bekommen. Anschließend hat das Parlament die Informationen bekommen, und sobald die Verhandlungen mit K+S beendet waren, hat es auch die Öffentlichkeit erfahren. Ich finde, das war ein ganz sauberes Verfahren, und da lasse ich mir überhaupt nichts anderes einreden.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wollen in der Werra so schnell wie möglich Süßwasserqualität erreichen, und wir wollen eine dauerhafte Lösung für die Haldenproblematik haben; denn das senkt die Ewigkeitslasten. Ich finde es einigermaßen obskur, dass einer Ministerin vorgeworfen wird, dass sie über lange Zeiträume und nicht nur bis zur Wahl denkt. Normalerweise bekommt man vorgeworfen, dass man nur bis zur Wahl denke. In dem Fall habe ich sogar über den Zeitpunkt hinaus verhandelt, zu dem alle Werke stillgelegt sind, wir aber noch mit den Haldenabwässern umgehen müssen. Ich finde, das war das richtige Vorgehen, weil das ein nachhaltiges Denken und ein nachhaltiges Handeln ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das Unternehmen muss aufgrund des Verursacherprinzips mindestens 400 Millionen € in eine nochmalige Verbesserung der technischen Anlage für die Verminderung der Produktionsabwässer sowie in die befristete Oberweserpipeline investieren, die wir für einen Übergangszeitraum leider brauchen. Das Unternehmen muss außerdem in eine Haldenabdeckung respektive in neue Technologien investieren, die es möglich machen, auch über die nächsten Jahrzehnte hin Neuerungen einzubringen, wenn es technische Neuerungen gibt. Ich finde, das ist ein guter Plan.

Süßwasserqualität werden wir nicht erst im Jahre 2075, in der Nachbetriebsphase, erreichen, sondern die Grenze zur Süßwasserqualität werden wir schon ab 2032 schaffen. Auf jeden Fall wird die Salzbelastung im Jahre 2060 auf 800 mg/l sinken. Ich denke, dass wir die vom runden Tisch vorgenommene Einstufung „Süßwasser“ mit dem, was wir – von jetzt an gesehen – dem Unternehmen an Investitionen aufgeben können, erreichen, während wir gleichzeitig die Arbeitsplätze sichern wollen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich weiß, es gibt starke Vorbehalte gegen die Vereinbarung, z. B. gegen die Versenkung. Ich habe auf der Pressekonferenz und auch anderswo schon gesagt: Es fällt einer grünen Umweltministerin verdammt schwer, so zu entscheiden, aber wir haben das Verschlechterungsverbot für Oberflächengewässer gemäß der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die wir einhalten wollen. Wenn wir es nicht schaffen, die Grenzwerte anders zu senken, dann müssen wir für einen kurzen Zeitraum die Versenkung leider noch einmal in Kauf nehmen. Ich sage aber ganz eindeutig: Wir werden dem Unternehmen nichts genehmigen, was das Trinkwasser gefährdet. Deswegen muss K+S diesmal Genehmigungsunterlagen einreichen, die genehmigungsfähig sind, die eine 3-D-Berechnung anstellen und den Nachweis erbringen, dass eine Gefährdung des Trinkwassers ausgeschlossen ist. Sonst wird die weitere Versenkung nicht genehmigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Es gibt Widerstände gegen eine befristete Oberweserpipeline. Auch das weiß ich. Auch hier muss ich noch Überzeugungsarbeit leisten. Ich glaube aber, dass man deutlich machen kann, dass eine Pipeline, die wieder stillgelegt wird, und ein Stapelbecken, das nur noch ein Viertel so groß ist wie in der ursprünglichen Planung, in überschaubarer Zeit zurückgebaut werden können und auch sinnvoller sind, wenn wir so die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie einhalten können und gleichzeitig die Arbeitsplätze sichern, was diesem Parlament besonders wichtig war. Ich hoffe, dass wir alle wieder dazu kommen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen, um diese Ziele zu erreichen.

Ich muss an die Redezeit erinnern.

Ein letzter Satz zu den LINKEN, weil ja immer im Raum steht, es gebe alternative Technologien. Der runde Tisch hat nicht nur aus eigener Entscheidung über alternative Technologien beraten und diese geprüft, sondern hat dies im Auftrag des Umweltministeriums im Jahre 2013 noch einmal getan. Er hat bislang alle angedachten alternativen Möglichkeiten verworfen.

Über die Plausibilitätsprüfung durch das UBA ist zumindest im Weserrat berichtet worden. Sie können also davon ausgehen, dass wir das, was im UBA geplant und diskutiert wird, durchaus im Kopf haben.

Die Methode, die Sie als besondere Errungenschaft in Spanien herausstellen – nicht nur hier, sondern auch in Nordhessen –, ist von der EU-Kommission am 10. Juli 2014 zurückgewiesen worden, weil sie mit der EU-Richtlinie nicht kompatibel ist, sondern weiterhin dazu führen wird, dass man mit Tricks versucht, die Bergbaurichtlinie zu umgehen.

Das werden wir nicht tun. Wir wollen die Wasserrahmenrichtlinie einhalten, den Gewässerschutz vorantreiben, und wir wollen die Arbeitsplätze sichern. Ich möchte Sie alle herzlich bitten, mich dabei zu unterstützen, weil wir nur so das Unternehmen dazu bekommen, tatsächlich alles einzuhalten, was es versprochen hat und wozu es sich demnächst hoffentlich auch vertraglich verpflichtet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin Hinz. – Ich habe jetzt eine Wortmeldung des Kollegen Lenders von der die FDPFraktion. Bitte schön, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Staatsministerin! Sie haben den Bewirtschaftungsplan angesprochen. Ich finde, dazu gehört, den Menschen reinen Wein einzuschenken und ihnen zu sagen, dass die Wasserqualität bei Weitem

nicht mehr die sein wird, die Sie gerade als GRÜNE den Menschen dort oben immer wieder versprochen haben. Wenn Sie an dieser Stelle, was Kali + Salz anbelangt, Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollen, gehört dazu, das zu sagen. Das Jahr 2075 ist für viele Menschen in der Anrainerregion so unvorstellbar weit weg, dass Sie aufpassen müssen, dass die Glaubwürdigkeit nicht gleich auf der Strecke bleibt.

Frau Hinz und Frau Erfurth, die Wirklichkeit war unter Schwarz-Gelb die gleiche wie jetzt unter Schwarz-Grün. All das, was Sie jetzt beschreiben, sind Fakten, die schon seit Jahren auf dem Tisch liegen.