Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE versucht heute Morgen wieder einmal, ihr altbeliebtes Schreckgespenst des Freihandels heraufzubeschwören. Herr van Ooyen, wir haben diese Diskussion schon ein paar Mal geführt. Ich freue mich eigentlich immer wieder darüber, weil es mir Gelegenheit gibt, klarzumachen, dass Sie lediglich zum Zwecke der Verängstigung versuchen, hier Unwahrheiten in den Raum zu stellen. Heute geschieht das im Zusammenhang mit Fragen zu Kulturgütern, der Buchpreisbindung und auch der audiovisuellen Medien.
Ich kann mich dem Kollegen Reif nur anschließen. Offensichtlich hat das mehr mit Ihrem Antiamerikanismus als mit den Tatsachen zu tun.
Herr van Ooyen und Frau Kollegin Wissler, das Schöne daran ist: Sie müssen sich da gar nicht auf meine Zusicherung oder die des Kollegen Reif verlassen. Sie müssten eigentlich nur in die Unterlagen schauen, die zu TTIP existieren.
Das eine ist das Verhandlungsmandat, das die Europäische Union mit Zustimmung des Europäischen Parlaments hat. Ich lese einfach einmal vor, was da unter Nr. 9 steht. Da steht nämlich:
Das Abkommen darf keine Bestimmungen enthalten, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union oder ihren Mitgliedstaaten – insbesondere im kulturellen Bereich – beeinträchtigen würden, wobei es die Union und ihre Mitgliedstaaten auch nicht an der Weiterführung bestehender Politiken und Maßnahmen zur Unterstützung des kulturellen Sektors in Anbetracht des Sonderstatus dieses Sektors in der
EU und in den Mitgliedstaaten hindern darf. Das Abkommen wird nicht die Fähigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten zur Umsetzung von Politiken und Maßnahmen in diesem Sektor zur Berücksichtigung der Entwicklungen insbesondere im digitalen Umfeld beeinträchtigen.
Herr Kollege van Ooyen, ich unterstelle, dass auch Sie wissen, dass das nicht nur in Nr. 9 steht, sondern dass es in Nr. 21 auch noch heißt, dass die audiovisuellen Dienste nicht erfasst werden.
Herr Kollege van Ooyen, das ist auch schlüssig. Wenn Sie sich die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen anschauen, die im Zuge der GATS-Verhandlungen abgeschlossen wurde und die sowohl die Europäische Union als auch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet haben, sehen Sie, dass in Bezug auf die Kultur ein Verhandlungsverbot besteht. Ich weiß gar nicht, woher Sie überhaupt die Chuzpe nehmen, zu behaupten, dass irgendein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder die Europäische Union selbst genau gegen diese Verpflichtung, die sie übernommen haben, verstoßen wollte.
Herr Kollege van Ooyen, das betrifft die unterschiedlichen Sektoren, die Sie hier angesprochen haben. Der Buchhandel als Teil des kulturellen Sektors wird im Hinblick auf die Buchpreisbindung nicht betroffen sein. Herr Handelskommissar de Gucht hat das vor wenigen Wochen noch einmal mehrfach erklärt. Das wurde auch von der deutschen Bundesregierung in dieser Hinsicht bestätigt und bestärkt. Sie haben die Äußerung des Herrn Steinmeier bei der Eröffnung der Buchmesse zur Kenntnis nehmen können.
Ich frage mich, woher Sie das Misstrauen vor dem Hintergrund nehmen, dass das nicht nur Teil des Verhandlungsmandats ist und dass das nicht nur Teil unserer internationalen Verpflichtungen ist, die wir aus guten Gründen eingegangen sind, sondern dass im Anschluss daran, also dann, wenn das Ergebnis der TTIP-Verhandlungen wirklich vorliegen wird, sowohl das Europäische Parlament in einer Abstimmung als auch der Europäische Rat und damit auch Deutschland, also die deutsche Bundesregierung, für unser Land zustimmen müssen.
Von daher kann man nichts anderes sagen, als dass Sie wieder versuchen, hier ein Schreckgespenst hochzuziehen, weil Sie ganz genau wissen, dass die Buchpreisbindung nicht betroffen sein wird, und weil Sie ganz genau wissen, dass weder wir in Deutschland noch Menschen in anderen Staaten der Europäischen Union in irgendeiner Weise daran gehindert sein werden, im Kultursektor öffentliche Zuschüsse zu gewähren. Das kann von den Bibliotheken bis hin zu den Theatern oder auch zur Musik reichen.
Wir sind lediglich den Beschränkungen unterworfen, die wir uns selbst im Rahmen des Europäischen Binnenmarktes gegeben haben. Herr von Ooyen, da geht es um die Subventionen der öffentlichen Hand. Das hat aber mit TTIP und mit der Frage des Freihandels absolut nichts zu tun.
Ich komme zum Schluss. – Herr Kollege van Ooyen, deswegen glaube ich, es würde uns allen miteinander guttun, an dieser Stelle mehr Gelassenheit und vor allen Dingen mehr Vertrauen in die doch von uns selbst gegebenen Regelungen zu setzen. Ja, in diesem Bereich haben wir Probleme zu konstatieren, aber diese Probleme haben wir innerhalb der Europäischen Union. Beispielsweise werden wir die Anwendung des verringerten Mehrwertsteuersatzes auf E-Books, wie das hier von der Sozialdemokratie beantragt worden ist, mittragen.
Ein innereuropäisches Problem besteht z. B. darin, dass E-Books aus Luxemburg heraus mit einem Steuersatz von 2,5 % vertrieben werden. Herr van Ooyen, das ist keine Verschwörung der Amerikaner oder des Freihandels, sondern das sind Aufgaben, die wir hier in Deutschland und in Europa angehen müssen, um unseren Kultursektor weiter voranzubringen. Bitte, lassen Sie uns auch gemeinsam die Chancen nutzen,
die es dadurch gibt, dass kulturelle Güter auch über den Freihandel vertrieben werden können. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben hier schon einmal über das Transatlantische Freihandelsabkommen gesprochen. Beim Kultursektor gilt für uns das, was wir auch sonst gesagt haben. Da geht es um Verbraucherstandards, Umweltstandards und Sozialstandards. Bei einem transatlantischen Freihandelsabkommen, bei überhaupt jedem Abkommen dürfen unsere Standards nicht infrage gestellt werden. Meine Damen und Herren, das ist doch selbstverständlich.
Beim TTIP haben wir gesagt: Selbstverständlich sind wir nicht gegen den Freihandel. Wir sind selbstverständlich nicht gegen den Handel. Die Chancen, die ein Handel mit den USA bietet, wollen wir natürlich auch nutzen. Wir wollen, dass das genutzt werden kann: für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für die Wirtschaft und für die Arbeitnehmer in Deutschland und in Hessen.
Meine Damen und Herren, es gibt aber Befürchtungen, und es ist Aufgabe dieses Parlaments, diese Befürchtungen zu formulieren und zu sagen, wo die Grenzen sind, weil unsere Standards dem Handel nicht zum Opfer fallen dürfen. Bei den Verbraucherstandards haben wir gesagt, wir wol
len keine Chlor-Hühnchen, wir wollen keine Gentechnik in Europa. Aber es gibt Befürchtungen, dass Derartiges mit dem Freihandelsabkommen in Europa möglich wird.
Gleiches gilt auch für den Kultursektor. Wir müssen sagen, wo unsere Grenzen, wo unsere Standards sind. Dabei ist die Buchpreisbindung ein sehr gutes Beispiel. Meine Damen und Herren, an der Buchpreisbindung darf nicht gerüttelt werden. Das kann man an dieser Stelle wirklich einmal sagen.
Warum ist denn die Debatte bei TTIP oder bei CETA so aufgeregt? Doch deswegen, weil die Verhandlungen nicht öffentlich sind. Selbstverständlich werden Verhandlungen nicht öffentlich geführt. In diesem Falle werden sie aber sehr intransparent geführt. Es kann nicht sein, dass der Bundestag über TTIP oder CETA teilweise mehr Informationen hat als die EU-Parlamentarier. Meine Damen und Herren, das ist an dieser Stelle doch das Problem.
Es gibt eben diese Befürchtungen, dass unsere vielfältige Kultur- und Buchlandschaft durch TTIP gefährdet ist. Das muss man ernst nehmen. Das darf man nicht abbügeln nach dem Motto: Das alles ist bei diesen Verhandlungen ausgenommen, der audiovisuelle Bereich ist ausgenommen. Ja, klar, aber das betrifft gerade nicht die Bücher. Das Verhandlungsmandat zu TTIP wurde erst vor Kurzem veröffentlicht. Tatsächlich wird schon viel länger darüber gesprochen. Warum wurde es erst vor Kurzem veröffentlicht?
Wenn man sich das Originaldokument anschaut, liest man dort, dass die UNESCO-Konvention für unser kulturelles Erbe gilt und dass das nicht fallen darf. Aber man muss sehen: Die USA hat diese Konvention nicht unterzeichnet, nicht ratifiziert. Das wirft aber doch Fragen auf. Diese Fragen müssen wir hier im Parlament stellen und nochmals klarmachen, dass uns die kulturelle Vielfalt und die Buchpreisbindung wichtig sind und es dort unsere Linie ist; dass die nicht fallen dürfen.
(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE))
Im Moment ist TTIP eine Blackbox. Es gibt viele Mutmaßungen und Unsicherheiten, und es wird über mögliche Vorteile gesprochen. Es macht die Leute unsicher, wenn ein Handelskommissar nicht sagen kann, welche Vorteile dieses Handelsabkommen bietet, wenn er in einem Interview unsicher wirkt und zwar sagt, die Wirtschaft werde angekurbelt, aber nicht mehr sagen kann, durch welche Zahlen das untermauert wird. Da werden die Leute unsicher. Deswegen fordern wir bei TTIP die größtmögliche Transparenz. TTIP darf nicht in Hinterzimmern mit Lobbyisten ausgehandelt werden, sondern muss der demokratischen Kontrolle der Parlamente unterstellt werden.
Die kulturelle Vielfalt, die Buchpreisbindung dürfen genauso wenig angetastet werden wie unsere Errungenschaften im Bereich der Lebensmittel, die Gesundheits- und Verbraucherrechte. Diese Errungenschaften müssen verteidigt werden.
Als wir schon einmal über TTIP gesprochen haben, haben wir auch klargemacht: Investitionsstreitigkeiten müssen vor nationalen Gerichten verhandelt werden. Punkt. – Wenn das Wirtschaftsministerium von Siegmar Gabriel erklärt, nationale Rechte werden mit TTIP nicht ausgehebelt, dann muss die Schlussfolgerung lauten, dass ein Investitionsschutzabkommen nicht notwendig ist und nicht in TTIP hineingehört. Wir wollen nicht, dass ein international agierender Konzern mehr Rechte hat als beispielsweise ein Buchverlag in Hessen. Deshalb muss die Bundesregierung auch dafür sorgen, dass dies bei TTIP am Ende ausgeschlossen wird.
Kultur und die Vielfalt der Kultur müssen gewahrt und geschützt bleiben. Das ist selbstverständlich, denn Kultur hat ihren Wert. Das hat auch der Autor und Sänger Sven Regener in seiner Wutrede gesagt. Die will ich hier nicht zitieren, denn das wäre nicht parlamentarisch. Die Kultur hat ihren Wert – sonst geht die Kultur den Bach hinunter. Meine Damen und Herren, das gilt auch für jedes Freihandelsabkommen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin Feldmayer. – Das Wort hat Herr Abg. Schäfer-Gümbel, Fraktionsvorsitzender der SPD.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! An den Anfang will ich den Dank an die Fraktion DIE LINKE dafür stellen, dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Denn das gibt uns die Gelegenheit – in der Woche nach der Buchmesse, einer wunderbaren Messe, die jedes Jahr wieder aufs Neue die Chance bietet, die wunderbaren Produkte dieser Kulturbranche zu präsentieren – heute im Hessischen Landtag darüber zu diskutieren.
Allerdings will ich gleich als Zweites ein Wort von Albert Einstein an den Anfang meiner Ausführungen stellen. Er hat einmal gesagt: Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen, aber nicht einfacher.
Deswegen geht Ihre Aktuelle Stunde in der Intention ein bisschen fehl. Im Kern reden wir am heutigen Morgen über drei Themen. Das ist erstens das Spannungsverhältnis zwischen TTIP und Kulturlandschaft, und zwar ganz allgemein. Zweitens – und das ist Ihr eigentliches Anliegen – geht es um TTIP im Grundsätzlichen. Dazu will ich mich heute ausdrücklich nicht äußern, denn darüber haben wir schon mehrfach diskutiert. Drittens geht es um die Frage: Vor welchen Herausforderungen steht die Buchbranche, nicht nur in Deutschland, aber ganz besonders in Deutsch
Am Anfang will ich klar sagen – und dieser Anspruch gilt nicht nur für die Linkspartei, sondern auch für die Union –, dass wir nicht so tun sollten, als gäbe es keine Spannungsverhältnisse zwischen TTIP und Kultur.