Protokoll der Sitzung vom 26.11.2014

(Zurufe der Abg. Holger Bellino und Judith Lannert (CDU))

Dritter Punkt. Herr Dr. Schäfer, wenn ich Ihnen, nachdem Sie auf die Verfassung vereidigt sind, ein verfassungsrechtliches Argument vortrage und Sie sich dann hierhin stellen und sagen, das sei kein Argument in der Sache, kann ich das nicht ändern. Aber über Art. 137 Abs. 5 Satz 1 HV haben wir heute hier mehrfach gesprochen. Deswegen sage ich Ihnen: Das ist ein Argument von mehreren. Bei der Bewertung ist der Hinweis auf Offenbach und Darmstadt gekommen.

Der Jugendhilfelastenausgleich ist ein Thema, das im Raum steht. Darauf geben Sie überhaupt keine Antworten. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass Sie jetzt versuchen, in einem unterfinanzierten System Lasten zu verschieben. Das mag für Sie politisch legitim sein. Aber Sie werden sich zumindest den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass Sie nichts anderes machen, als den Mangel anders zu verteilen. So einfach ist die Welt.

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Judith Lannert (CDU))

Frau Lannert, im Übrigen ist der Hinweis auf Thüringen falsch; denn in Thüringen ist die gesamte Kommunalfinanzierung – die Art und Weise, wie dort in den letzten 15 bis 20 Jahren agiert wurde – völlig anders organisiert als in Hessen. Ich nehme gern den Hinweis auf, den Herr Schork mit Blick auf § 92 HGO gegeben hat, nach dem Motto: „Jetzt müssen die Kommunen endlich ihre Pflicht erfüllen, ausgeglichene Haushalte vorzulegen“. Herr. Schork, die spannende Frage ist nur: Wenn das die zentrale Kritik ist, was hat dann Ihr ehemaliger Innenminister Volker Bouffier in zehn Jahren gemacht? Offensichtlich nichts.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dann haben mich Frau Goldbach und auch der Herr Minister noch einmal aufgefordert, etwas zu den konkreten Zahlen zu sagen. Ich danke sehr für die Vorlage. Ich will noch einmal eine Anmerkung zu dem Übergangsfonds machen. Herr Schork hat sehr wortreich versucht, zu erklären, dass alles längst geregelt ist: dass die Zeitabläufe und das Volumen geklärt sind.

(Günter Schork (CDU): Ja, das stimmt!)

Die entscheidende Frage ist nur: Woher kommt eigentlich das Geld? Gibt es das Geld? Diese Frage haben Sie nicht beantwortet.

Ich will dazu Tarek Al-Wazir zitieren – Herr Wagner, Sie werden das auch gleich machen –, der immer gesagt hat: Das Spiel „Regierung fragt, Opposition antwortet“ ist das parlamentarische System auf den Kopf gestellt. Sie regieren. Daher haben auch Sie die Vorschläge zu entwickeln.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Daher will ich mit Blick auf Ihren Übergangsfonds noch einmal ein paar Zahlen nennen. Ich sage Ihnen: Das, was Sie hier machen, ist Bilanzfälschung. Mithilfe des Übergangsfonds in dieser Modellrechnung versuchen Sie, zu beschreiben, warum viele Kommunen Gewinner sind.

Ich will ein paar Namen nennen: Da gibt es z. B. die Gemeinde Abtsteinach im Landkreis Bergstraße, die aus dem Übergangsfonds 4.134 € erhält und damit auf null kommt. Dann gibt es die Gemeinde Driedorf im Lahn-Dill-Kreis, die aus dem Übergangsfonds 2.486 € erhält und damit auf null kommt. Es gibt die Gemeinde Guxhagen im SchwalmEder-Kreis, die 2.796 € erhält und damit in der Bilanz auf null kommt. Die Gemeinde Neuenstein im Landkreis Hersfeld-Rotenburg erhält 1.547 € aus dem Übergangsfonds, damit in der Bilanz am Ende eine Null steht.

(Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD))

Ich sage Ihnen, all das ist ein Versuch, es statistisch so darzustellen, dass es am Ende mehr Gewinner als Verlierer gibt.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Das ist nichts anderes als politisch motivierte Bilanzfälscherei – das ist es, was wir Ihnen vorhalten –, um aus dieser Debatte irgendwie herauszukommen, zumal die Finanzierung nicht klar ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP – Zurufe von der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Herr Kollege Wagner, Vorsitzender der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Holger Bellino (CDU): Über die „Bilanzfälscherei“ können wir im Ältestenrat diskutieren! – Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja, beantragen Sie es! – Judith Lannert (CDU): So wichtig sind Sie nicht!)

Meine Damen und Herren, das Wort hat der Kollege Wagner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will mit dem anfangen, was in diesem Haus hoffentlich unumstritten ist, nämlich dass der neue Kommunale Finanzausgleich, egal wie man ihn politisch bewerten will, vom Finanzministerium und von der Landesregierung sehr transparent vorgelegt wurde und dass es ein Dialogangebot gab – das hat Herr Kollege Hahn schon gesagt –, wie es seitens einer Landesregierung bisher nicht üblich war. Alle Fakten liegen auf dem Tisch, und man kann sich eine Meinung bilden. Ich finde, schon das ist wichtig und wertvoll.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Nur, meine Damen und Herren von der Opposition, auf ein Dialogangebot muss man sich auch einlassen. Wenn man alle Fakten präsentiert bekommt und wenn transparent dargestellt wird, wie es gerechnet wurde, kann man auch erwarten, dass zu diesem Dialogangebot mehr gesagt wird als: Das passt uns alles nicht. – Das gehört zu einem Dialog.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Herr Schäfer-Gümbel, Sie sagen, Sie wollten kein Gespräch nach dem Motto „Regierung fragt, Opposition antwortet“ führen. Auch wir wollen das nicht.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ich habe Tarek Al-Wazir zitiert!)

Aber, Herr Kollege Schäfer-Gümbel, wenn eine Regierung einen sehr konkreten Vorschlag vorgelegt hat – den man richtig oder falsch finden kann; dafür sind wir im Parlament –, kann sie von einer Opposition erwarten, dass sie Gegenvorschläge macht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Ich habe vonseiten der Opposition keinen einzigen konkreten Hinweis darauf gehört, wo die Berechnungsgrundlage und der vertikale Ausgleich falsch sind.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Weil Sie nicht zugehört haben!)

Meine Damen und Herren, wir GRÜNE waren lange genug in der Opposition. Wir wissen, dass man, wenn einem in der Opposition gar nichts mehr einfällt, pauschal sagt: Zieht das Zeug einfach zurück.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wenn einem wirklich gar nichts mehr einfällt, sagt man: Zieht das alles zurück; die sachliche Diskussion ist uns in der Opposition zu mühselig.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Sie haben einfach nicht zugehört!)

Herr Kollege Hahn treibt es auf die Spitze – ich habe genau zugehört –, indem er sagt, es sei gar nicht die Aufgabe der Opposition, Vorschläge zu machen. Herr Kollege Hahn, ich kann Ihnen sagen, dass wir in der Opposition – auch jetzt in der Regierung – eine andere Vorstellung davon hatten: Die Opposition muss immer die Alternative zum Regierungshandeln präsentieren. Wenn sich die Opposition vom Acker macht und diesen Anspruch aufgibt, ist es gut, wenn diejenigen, die regieren, auch weiter regieren.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Jörg-Uwe Hahn (FDP): Reden Sie doch einmal vom Regierungshandeln und nicht von der Opposition!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn man sich schon nicht auf Vorschläge einlassen will, sollte man vielleicht doch ein paar Sachzusammenhänge berücksichtigen. Der Sachzusammenhang ist der, dass uns der Staatsgerichtshof aufgegeben hat, den Bedarf zu ermitteln. Das haben der Finanzminister und die Landesregierung gemacht. Noch einmal: Das kann man richtig oder falsch finden. Man kann auch zu einer anderen Bedarfsermittlung kommen. All das ist erlaubt.

Aber wer zu der Auffassung kommt, der Bedarf sei falsch ermittelt worden

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Landkreistag, Städtetag!)

alles okay, Herr Schäfer-Gümbel –, muss sich mit Folgendem auseinandersetzen: Wer sagt, der Bedarf ist um 300 bis 400 Millionen € höher – die Sozialdemokratie etatisiert das mit 300 bis 400 Millionen € mehr –, muss dem Landtag auch erklären, wie das Land diese 300 bis 400 Millionen € aufzubringen hat.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Nor- bert Schmitt (SPD))

Herr Kollege Schmitt, gerade weil es in der Verfassung steht: Wenn Sie sagen, der Bedarf sei um 300 bis 400 Millionen € höher, und ich mich darauf einlasse, müssen wir als Haushaltsgesetzgeber erklären, woher wir aus dem Landeshaushalt 300 bis 400 Millionen € holen sollen. Dazu gibt es keinen einzigen Vorschlag von der Opposition.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wir warten auf Vorschläge des Finanzministers! – Norbert Schmitt (SPD): Umgekehrt!)

Die Opposition in diesem Haus sagt: Jeder Konsolidierungsvorschlag dieser Landesregierung ist falsch.

(Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Stimmt!)

Gleichzeitig sagen Sie, ohne irgendeine Finanzierungsidee vorzubringen, der Bedarf der Kommunen sei um 300 oder 400 Millionen € höher.

(Nancy Faeser (SPD): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Das sind die Schnäppchenwochen der SPD: 500 Millionen € raushauen ohne irgendeine Idee, woher es kommen soll.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Meine Damen und Herren, wir haben jetzt eine ganze Reihe von Zwischenrufen nicht verstanden. Wenn die Zwischenrufe den Gesichtsausdrücken entsprochen hätten, hätten wir sie rügen müssen. Aber da wir sie nicht verstanden haben, machen wir weiter. Der Kollege Schäfer-Gümbel hat den Begriff „Bilanzfälscherei“ eingebracht. Das hat auch ein bisschen zu Unruhe geführt. Ich gehe davon aus, dass das nicht im strafrechtlichen Sinne gemeint war. Es war mehr moderierend im politischen Bereich. Darauf wollte ich nur hinweisen. Wir hätten es, wenn es im strafrechtlichen Bereich gewesen wäre – –