Meine Damen und Herren, wir haben jetzt eine ganze Reihe von Zwischenrufen nicht verstanden. Wenn die Zwischenrufe den Gesichtsausdrücken entsprochen hätten, hätten wir sie rügen müssen. Aber da wir sie nicht verstanden haben, machen wir weiter. Der Kollege Schäfer-Gümbel hat den Begriff „Bilanzfälscherei“ eingebracht. Das hat auch ein bisschen zu Unruhe geführt. Ich gehe davon aus, dass das nicht im strafrechtlichen Sinne gemeint war. Es war mehr moderierend im politischen Bereich. Darauf wollte ich nur hinweisen. Wir hätten es, wenn es im strafrechtlichen Bereich gewesen wäre – –
Gibt es Einvernehmen, dass wir alle Anträge an den Haushaltsausschuss überweisen? Das betrifft den Antrag der SPD, Drucks. 19/1118, den Dringlichen Antrag der FDP, Drucks. 19/1146, und die Drucks. 19/1167, Dringlicher Antrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Diese werden dem Haushaltsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen? – Jawohl, dann ist das so entschieden.
Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung für ein Gesetz zur Aufhebung handwerksrechtlicher Vorschriften – Drucks. 19/1116 –
Der Gesetzentwurf wird vom Wirtschaftsminister, Herrn Staatsminister Tarek Al-Wazir, eingebracht. Sie haben nun das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass Sie sich ein bisschen auf das Handwerk einlassen können. Diejenigen, die Fluchtreflexe haben, sollten jetzt gehen. Die anderen sollten sich auf ein zugegebenermaßen etwas trockeneres Thema einlassen. Ich glaube aber, dass es trotzdem einige Relevanz hat.
In der jüngeren Vergangenheit hat sich der Landtag immer mal wieder mit dem Handwerk befasst – zu Recht. Ich darf an den Antrag der Regierungsfraktionen zum Erhalt des Meisterbriefs als Qualitätssiegel erinnern. Die wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks sowie dessen gesellschaftsund bildungspolitische Relevanz sind unbestritten erheblich. Mit dem vorliegenden Gesetzgebungsvorhaben beabsichtigen wir sowohl eine Rechtsvereinfachung als auch eine Rechtsbereinigung. Die letztlich rechtstechnischen Veränderungen
Herr Kollege Günter Rudolph – für das fragliche Aufhebungsgesetz haben ihren Ausgangspunkt im Bundesrecht, vor allem in der Handwerksordnung.
In dem maßgeblichen § 124b der Handwerksordnung ist erst in neuerer Zeit durch den Bundesgesetzgeber die Verordnungsermächtigung für die Landesregierungen zur Übertragung von Zuständigkeiten erweitert worden. Daher besteht nunmehr die Möglichkeit, dass die Landesregierung als Verordnungsgeber die Verantwortlichkeiten für bestimmte Aufgaben nach der Handwerksordnung zuweist. Bislang hat sich der Landtag als Landesgesetzgeber mit den entsprechenden Festlegungen von Zuständigkeiten befassen müssen. So geschehen beispielsweise im Jahr 2005 mit dem Handwerkszuständigkeitsgesetz, das zuletzt 2012 durch ein Artikelgesetz geändert wurde. Jetzt soll dieses Handwerkszuständigkeitsgesetz aufgehoben werden, um den Weg für eine Verordnung freizumachen.
Ich freue mich, dass das bei den Kolleginnen Faeser und Wissler zur Heiterkeit führt. – Gleichzeitig ist noch vorgesehen, drei Verordnungen im Handwerksbereich aufzuheben. Im Einzelnen handelt es sich um die Verordnung über die Errichtung von Lehrlingskostenausgleichskassen, um die Kehr- und Überprüfungsordnung sowie um die Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach der Handwerksordnung.
Die jeweils notwendige Aufhebung per Gesetz resultiert im Wesentlichen daraus, dass die diesen Verordnungen zugrunde liegenden Ermächtigungsgrundlagen mittlerweile nicht mehr existieren bzw. die Verordnungen durch bundesrechtliche Änderungen gegenstandslos geworden sind. Das im Gesetzentwurf vorgesehene versetzte Inkrafttreten trifft die notwendigen Vorkehrungen für die Verkündung der dann möglichen Regierungsverordnung, damit keine zeitliche Lücke entsteht.
Von einem politischen Gestaltungsspielraum kann bei diesen Änderungen ernsthaft keine Rede sein. Gleichwohl markiert das Aufhebungsgesetz den Beginn einer Neuordnung der landesrechtlichen Vorschriften im Handwerksbereich; denn statt wie derzeit ein Gesetz und mehrere Verordnungen in diesem Bereich heranziehen zu müssen, wird zukünftig – so planen wir das – im Wesentlichen eine Verordnung die einschlägigen Zuständigkeiten regeln.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, die ich für die in Rede stehende Materie nicht weiter strapazieren möchte. Ich freue mich auf hoffentlich wenig aufregende Ausschussberatungen. – Vielen Dank.
Herr Minister, vielen Dank für die Einbringung. – Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Kollegin Elke Barth, SPD-Fraktion.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass es jetzt wieder etwas ruhiger geworden ist. Das uns heute vorliegende Gesetz zur Aufhebung handwerksrechtlicher Vorschriften ist sicherlich unstrittig. Es handelt sich um eine reine Rechtsbereinigung und verbessert die Übersichtlichkeit von Rechtsvorschriften. Damit ist auch dem Handwerk gedient, denn es dient dem Abbau von Bürokratie.
Lassen Sie mich aber die Gelegenheit nutzen, um ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Handwerk zu machen. Die 76.000 hessischen Handwerksbetriebe bilden auch in diesem Jahr mit einer Ausbildungsquote von über 8 % wieder mehr aus als jede andere Wirtschaftssparte. Was uns aber aufhorchen lassen sollte, ist, was uns der Präsident der Handwerkskammer Rhein-Main, Bernd Ehinger, anlässlich seines runden Geburtstags ins Stammbuch schrieb: Das Handwerk könnte mehr ausbilden, aber es fehlen geeignete Bewerber.
Es gab Ende September bundesweit noch mehr als 10.000 offene Lehrstellen. Er warnte vor einer fatalen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Zum einen ist es eine Tatsa
che, dass es für viele junge Menschen nach wie vor offensichtlich noch immer attraktiver ist, zu studieren, obwohl der Konkurrenzdruck immer größer wird. Die Gefahr, als Akademiker in manchen Studienzweigen in gering bezahlten Berufen zu landen, ist hoch. Trotzdem ziehen dies viele Bewerber z. B. einer Ausbildung im Handwerk vor. Hier müssen Schule, Gesellschaft und Politik gemeinsam werben, erklären und Überzeugungsarbeit leisten. Auch erwarten wir von der Landesregierung Impulse und Lösungsvorschläge.
(Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Vielleicht müssen wir das Konzept auch dazu liefern!)
Wir müssen die vorhandenen Bewerber auf dem Markt und die Stellen zusammenbringen – Angebot und Nachfrage. Die Verdienstmöglichkeiten in vielen Handwerksberufen sind gut, nirgends gibt es eine bessere Möglichkeit für eine spätere Selbstständigkeit als im Handwerk. Wer sich für den Meister entschließt, kann sich damit später die Möglichkeit zum Studium eröffnen, auch wenn er kein Abitur gemacht hat. Das Handwerk eröffnet also Perspektiven.
Übrigens belohnen wir mit dem Tariftreuegesetz, welches wir heute auch noch auf der Tagesordnung haben, unser örtliches Handwerk; denn es sind in der Regel gerade diese Betriebe, die ausbilden und nach Tarif bezahlen.
Der zweite Schuh, den das Handwerk drückt – wir haben schon im März mit dem Antrag „Meisterbrief als Qualitätssiegel erhalten“ den richtigen Weg eingeschlagen; darauf wurde hingewiesen –, ist der durch die EU drohende weitere Wegfall der Meisterpflicht, auch wenn dies nur in einigen der 41 Gewerke mit Meisterpflicht, die noch vorhanden sind, sein sollte. Die Bedenken und Ängste bei den Handwerkern sind noch immer vorhanden. Wenn dies einträte, ginge dies nicht nur zulasten der Qualität, sondern auch der Ausbildung. Hier müssen wir weiter am Ball bleiben. Einer Aushöhlung der dualen Ausbildung und des Meisterbriefs treten wir von der SPD entschieden entgegen.
Im Gegenteil, wir sollten für diesen Weg werben. Die duale Ausbildung taugt zum Exportschlager, doch ohne Meisterbrief funktioniert auch die duale Ausbildung nicht mehr. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Allein der Blick zu Herrn Schäfer-Gümbel zeigt, dass dieses Thema geeignet ist, uns alle wieder ein wenig herunterzuholen und den Blutdruck sich normalisieren zu lassen.
Die Landesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Aufhebung von vier handwerksrechtlichen Vorschriften vorgelegt. Vorab möchte ich sagen, was sich dahinter verbirgt. Das ist zum einen das Handwerkerzuständigkeitsgesetz. Darin wird die Handwerkskammer zur zuständigen Behörde unter anderem für die Erteilung von z. B. Versagungen
von Ausübungsberechtigungen im zulassungspflichtigen Handwerk und von Anerkennungen beruflicher Befähigungsnachweise – damit sind der Gesellen- und der Meisterbrief gemeint – erklärt.
Es ist weiterhin die Verordnung über die Errichtung von Lehrlingskostenausgleichskassen im Schornsteinfegerhandwerk. Schon der Namen zeigt – hier wird noch von „Lehrlingen“ und nicht von „Auszubildenden“ gesprochen –, dass hier eine gewisse Betagtheit vorliegt.
Dann geht es um die Kehr- und Überprüfungsordnung, die im Großen und Ganzen regelt, wie oft im Jahr Feuerstätten, Heizungen, Abgas- und Räucheranlagen von Rauchrückständen zu reinigen und dortige Abgase zu messen sind.
Als Letztes geht es um die Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach der Handwerksordnung, die dem Wirtschaftsminister die regelnde Befugnis in Fragen der Handwerksordnung zuweist.
Mit dem Aufhebungsgesetz, das wir jetzt diskutieren, setzt diese Landesregierung den Weg ihrer Vorgängerregierung fort, nämlich den Vorschriftendschungel in Hessen zu lichten oder wenigstens ein wenig zu straffen. Von 1999 bis 2000 wurden sage und schreibe 39 % der Verwaltungsvorschriften und 15 % der Rechtsverordnungen außer Kraft gesetzt. Dem schloss sich in den Jahren 2005 bis 2007 eine zweite Runde der Bereinigung an, in der noch einmal 13 % der Gesetze, 15 % der Rechtsvorschriften und 20 % der Verwaltungsvorschriften abgebaut wurden.
Zudem haben wir ab dem Jahr 2001 zunächst eine generelle und später eine variable Befristung von Rechtsvorschriften eingeführt, ebenfalls als Mittel zum Verwaltungsabbau. Dieser Verwaltungs- bzw. Bürokratieabbau schafft nicht nur für private Bürger und die Verwaltung, sondern, wie gerade heute zu diskutieren, auch für Handwerksunternehmen Entlastung.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden Änderungen im Bundesrecht, bezogen auf die Handwerksordnung, im Landesrecht berücksichtigt, wobei Hessen gleichzeitig die Möglichkeit zur Rechtsvereinfachung und -bereinigung nutzt. Das ist die zentrale Aussage.
So wurde z. B. im Jahr 2008 das Schornsteinfegerrecht in Deutschland konform zu europarechtlichen Vorgaben novelliert. Die Arbeit der Schornsteinfeger wurde unter anderem für den Wettbewerb geöffnet. Sie alle kennen das mit den Kehrbezirken, die bis dahin bestanden haben. Damit wurde der hoheitliche Bereich eingeschränkt. Auch wurden Festlegungen der kehr- und überprüfungspflichtigen Feuerungsanlagen und die Kehr- und Überprüfungsintervalle entsprechend zusammengeführt. Bis dahin hatte es in jedem Bundesland eine Verordnung gegeben.