Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

alles aus der „Aktion düstere Zukunft“ von 2003. Das Raster liefern Sie vor. Damals haben Sie fast 1.000 Stellen abgebaut, und das geht jetzt fast genauso.

(Manfred Pentz (CDU): Ihre Rede ist auch von 2003, glaube ich!)

Herr Pentz, Sie haben auch davon keine Ahnung. Das haben Sie eben wieder eindrucksvoll belegt. Machen Sie sich einfach einmal sach- und aktenkundig bei der hessischen Polizei, bevor Sie hier so einen konzentrierten Blödsinn reden.

(Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Legen Sie einmal eine neue Platte auf!)

Die Arbeitsbelastung der hessischen Polizeibeamtinnen und -beamten ist enorm. Herr Innenminister Beuth, wenn Sie sagen, die Bezahlung sei im bundesweiten Vergleich spitze, dann ist das falsch. Sie müssen auch die Verlängerung der Arbeitszeit von 38,5 auf 42 Stunden mit einbeziehen. Das verändert die Situation ganz erheblich. Von wegen: Hessische Polizeibeamte verdienen am meisten. Diese Aussage ist schlicht und ergreifend falsch.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt wollen Sie an die Beihilfe. Und das, was wir Ihnen vorwerfen, ist, dass Sie keine konstruktiven Gespräche mit Berufsorganisationen, mit Gewerkschaften führen, sondern per Besoldungsdiktat, per Verordnungserlass diktieren, wie es mit den Beamten weitergehen soll.

Das ist eigentlich ein Stil aus der Feudalgesellschaft des letzten Jahrhunderts. Deswegen will ich für die SPD-Fraktion sehr deutlich sagen: Wir fordern einen Zukunftspakt öffentlicher Dienst, Vertrauen gegen Vertrauen, wo man miteinander spricht und berät, was machbar ist und was nicht.

Damit das sehr deutlich wird: Alle Forderungen, die da sind, wird man nicht umsetzen können. Aber die Frage ist, worauf Betroffene einen Schwerpunkt legen. Es geht um die Arbeitszeit. Es geht um die Mitbestimmung. Es geht um die Besoldung und um Tarifverträge. Das wollen Sie alles überhaupt nicht. Dagegen setzen wir auf Vertrauen gegen Vertrauen, auf einen Zukunftspakt für den öffentlichen Dienst. Das ist ein vernünftiges Angebot.

(Zuruf des Abg. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der größte Wendehals sagt: Das geht alles nicht. – Meine Damen und Herren, man muss es nur wollen. Herr Frömmrich, miteinander reden ist der Politikansatz, den wir weiterhin für vernünftig halten und vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt sogar einiges, wo es nicht um Geld geht, was man umsetzen kann und was notwendig ist. Ich will ein Thema ansprechen, das uns gemeinsam Sorgen machen muss: Gewalt gegen Polizeibeamte oder auch andere Amtsträger. Ich will ein Beispiel aus den letzten Tagen nehmen, nicht nur, weil der eine oder andere den Kollegen persönlich kennt, einen Polizeibeamten in Wiesbaden – Herr Klee, Sie kennen ihn auch –,

(Horst Klee (CDU): Jawohl!)

der im Einsatz war, wo man eher dachte, ein Spiel, eingestellt in die Kategorie „nichts Besonderes“. Er wird von hinten malträtiert, schwer verletzt – möglicherweise heute

eine schwere OP. Und dann sagt dieser Übeltäter auch noch, er hätte ja nicht gewusst, dass es ein Polizeibeamter gewesen ist.

Was ist das für eine verkommene Einstellung? Egal, ob Polizeibeamte oder normale Bürger – Gewalt darf in diesem Staat keine Chance haben. Das muss ein Anspruch sein, den wir erheben.

(Allgemeiner Beifall)

Diesem Kollegen – stellvertretend auch für andere, die verletzt, manchmal sogar getötet wurden, seien es Polizeibeamte, seien es Feuerwehrbeamte, seien es Mitarbeiter von Hilfsorganisationen – gelten unser Respekt und unsere Anerkennung für einen schwierigen Dienst, der geleistet wird.

Da ist die materielle Seite die eine. Herr Innenminister, aber vielleicht sagen Sie etwas dazu und machen konkrete Gesetzesinitiativen, Verschärfung von Straftatbeständen, etwa des § 113 StGB, Gewalt gegen Amtsträger. Gibt es eine Bundesratsinitiative von Hessen? Wollen Sie eine in Angriff nehmen? Oder wollen Sie einen neuen Straftatbestand in § 115 StGB schaffen?

Diese Personen brauchen den Respekt auch des Gesetzgebers. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf. Das hat mit Geld nichts zu tun. Das sind einfach politische Aktivitäten und Aktionen. Deswegen erwarten wir hier, dass Sie entsprechend tätig werden.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss noch Herrn Al-Wazir zitieren.

(Minister Tarek Al-Wazir: Immer gut!)

Herr Al-Wazir, das ist immer gut. Wenn Sie sich vor allem an die Aussagen erinnern, die Sie vor ein paar Monaten noch gemacht haben, umso besser. Ich unterstelle Ihnen nicht einfach, dass Sie Ihre Position ändern, nur weil Sie eine andere Funktion wahrnehmen, sondern das, was man vorher gesagt hat, hat mit Sicherheit mit innerer Überzeugung zu tun. Sonst wäre das möglicherweise populistisch. Ich glaube nicht, dass Sie wollen, dass man das von Ihnen sagt.

Herr Al-Wazir sagte also, Beamtenrecht soll grundsätzlich dem Tarifrecht folgen. Und Sie seien sehr dafür, dass die Beamten an der Einkommensentwicklung teilhaben: Ich habe mir sehr genau die Debatte in Nordrhein-Westfalen angeschaut, und manchmal kann man ja auch lernen.

Sie machen anscheinend jetzt das Gleiche wie in Nordrhein-Westfalen. Herr Wirtschaftsminister Al-Wazir, überprüfen Sie Ihre Position, die Sie als Fraktionsvorsitzender noch vor einem Jahr zum öffentlichen Dienst vertreten haben. Ich unterstelle Ihnen, dass Sie das, was Sie damals gesagt haben, aus vollster Überzeugung und mit vollstem Herzen gesagt haben. Das kann nicht alles falsch gewesen sein, nur weil Sie heute zufällig in der Regierung sind.

Lassen Sie mich zu einem zweiten Schwerpunkt im Bereich des Innenministeriums kommen. Herr Innenminister, Sie sind auch der Kommunalminister. Darauf legen Sie Wert, wenn Sie über das Land reisen. Aber Sie haben auch zu verantworten, dass die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden in Hessen nicht so eingeschätzt wird, wie sie ist.

Wenn hessische Städte, Gemeinden und Landkreise mit über 3.000 € pro Einwohner bundesweit den höchsten

Schuldenstand haben, wenn das Defizit hessischer Städte, Gemeinden und Landkreise im Jahr 2013 mit 1,1 Milliarden € das höchste war, obwohl andere Kommunen in anderen Ländern Überschüsse machen, dann muss das etwas mit der Struktur, der Aufgabenverteilung und der Finanzverteilung zu tun haben.

Was macht Herr Beuth? Statt sich in dieser Regierung dafür einzusetzen, dass die Kommunen die Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben bekommen, gibt es Knebelerlasse à la Beuth, bis 2017 die Haushalte auszugleichen – und die Kommunen mit gigantischen Gebührenerhöhungsorgien unter Druck zu setzen.

Das ist der falsche Weg. Die Bürgerinnen und Bürger müssen die falsche Finanz-, Wirtschafts- und Regierungspolitik von Ihnen ausbaden. Deswegen: der völlig falsche Ansatz und äußerst kommunalfeindlich.

(Beifall bei der SPD)

Man muss auch darüber reden, wie man den Kommunen neben Geld helfen kann. Herr Schäfer-Gümbel hat es bereits gestern angesprochen, ich will es noch einmal deutlich machen. Ja, wir müssen das Thema Staatsmodernisierung ansprechen. Es geht nicht darum, dass man einmal eine Behörde zusammenlegt. Das wäre eher ein kurzer Sprung.

Wir wollen weder weniger noch mehr Staat, sondern einen besseren Staat. Die notwendigen Strukturreformen und Effizienzsteigerungen, Funktionalreform im öffentlichen Dienst haben in den letzten Jahren nicht stattgefunden und wurden nicht behandelt. Deswegen brauchen wir eine klare Entscheidungsebene, eine, die entscheidet, eine, die eine Kontrollfunktion hat.

Bisher haben Sie dazu noch nichts geliefert. Sie haben natürlich ein bisschen was gemacht. Sie haben landeseigene Gebäude verkauft, dann zurückgemietet oder gepachtet. Wenn das schon eine Verwaltungsreform war, dann war das eher zu kurz gegriffen. Vielmehr müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir den Staat noch wirtschaftlicher darstellen können, auch in den Abläufen und auch von den Funktionen her.

Das müssen wir in Angriff nehmen. Deswegen wäre es eine lohnende Aufgabe, sich hier dem Thema zuzuwenden. Eine Enquetekommission Staatsmodernisierung ist und bleibt auf der Agenda. Die SPD-Fraktion wird das zu gegebener Zeit in diesen Landtag einbringen, weil wir der Meinung sind, das ist eine Aufgabe, die erstens notwendig ist, und sie wird zweitens mittelfristig zu Einsparungen führen, die wir auch brauchen, um diesen Staat auf allen Ebenen politisch handlungsfähig zu gestalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich zu einem dritten Punkt etwas sagen. Auch das hat schon gestern in der Generaldebatte eine Rolle gespielt. Es wird heute auch in den Einzelplanberatungen eine Rolle spielen. Es ist das Thema, wie wir mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen und deren Unterbringung umgehen. Ich glaube, wir sind uns gemeinsam einig – das unterstelle ich allen in diesem Hause, und wir haben auch keinen Grund, daran zu zweifeln –, dass wir eine besondere Verantwortung als Bundesrepublik und als Länder haben.

Wir dürfen dabei nicht die Kommunen vor Ort alleinlassen, die sich sehr verantwortungsvoll um die Unterbringung von Flüchtlingen kümmern. Da müssen wir für not

wendige Rahmenbedingungen sorgen – seien es finanzielle Mittel, sei es aber auch bei der Unterstützung, Wohnraum zu schaffen. Hier ist insbesondere auch der Bund gefordert. Die bundeseigenen Liegenschaften kann man hierfür verwenden.

Meine Damen und Herren, aber es geht auch um sehr konkrete Hilfe vor Ort. Wir haben das bereits wiederholt thematisiert. Ich will das hier erneut einbringen und Sie auffordern, Ihre Position zu verändern. Herr Innenminister, wir sind für die Einrichtung eines Härtefallfonds, weil es ein notwendiges Instrument ist, um auf individuelle Notlagen einzugehen, wie es andere Bundesländer, wie Rheinland-Pfalz, gemacht haben.

Auch wenn man buchhalterisch die genaue Summe, die man braucht, nicht bezeichnen kann – bei einem Haushalt von 23 Milliarden € muss ein Landtag in der Lage sein, 3, 4 oder 5 Millionen € für solche humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen. Das wäre ein Signal der Menschlichkeit, das wir ausdrücklich einfordern.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind dafür, das Härtefallverfahren auch für die sogenannten Dublin-III-Fälle zu öffnen, wie wir das hier wiederholt thematisiert haben, um das vorgeschaltete Petitionsverfahren entbehrlich zu machen. Wir wissen aus der Praxis, das wird nicht funktionieren und hilft tatsächlich den Menschen nicht.

Herr Innenminister, das ist auch ein wichtiges Feld, für das Sie zuständig sind – für eine humanitäre Flüchtlingspolitik, die dem Aspekt gerecht wird, wie wir Menschen helfen können, die in Not sind. Machen wir uns nichts vor: Die steigenden Flüchtlingszahlen werden uns in den nächsten Jahren noch begleiten.

Dazu brauchen wir Rezepte, wie wir diejenigen, die hier sind, unterstützen können, etwa wenn Kinder in die Schule müssen. Das Erlernen der deutschen Sprache ist Grundvoraussetzung, um am gesellschaftspolitischen Leben teilzunehmen. Deswegen die Frage an die Landesregierung: Gibt es dafür Konzepte? – Ich habe Rückmeldungen aus Schulen, die hilflos sagen: Da kommen Schüler auf uns zu, denen wir helfen wollen; aber die sind gar nicht kommunikationsfähig.

Kollege Rudolph, die angemeldete Redezeit ist vorbei.

Herr Innenminister, werden Sie dieser Verantwortung gerecht. Wir sind gespannt, wie Sie auf diese gestellten Fragen eingehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)