Protokoll der Sitzung vom 18.12.2014

Aha, das ist interessant. Der hessische Wirtschaftsminister macht Politik nicht für den Staat und seine Bürger, sondern nur für seine grüne Klientel in diesem Land. Das zeigt, wes Geistes Kind diese Landesregierung ist.

(Beifall bei der FDP)

Herr Al-Wazir, dass Sie bei diesem Thema das umsetzen, was Sie Ihrer grünen Klientel, ihren grünen Wählern, aber auch allen Organisationen, die Sie mit Ihren Maßnahmen unterstützen, versprochen haben, das wundert und überrascht mich nicht. Was mich überrascht, ist: Der Hessische Ministerpräsident – der heute Geburtstag hat und wahrscheinlich deshalb nicht hier sein kann; dafür habe ich volles Verständnis – –

(Michael Boddenberg (CDU): Nein! Er ist im Bundesrat! Das wissen Sie auch! Er ist entschuldigt!)

Nein, das weiß ich zurzeit nicht, aber vielen Dank für den Zwischenruf. Wenn er im Bundesrat ist, ist er entschuldigt. Herr Boddenberg, das ist doch gar kein Problem.

Herr Boddenberg, mir geht es heute nicht um Herrn AlWazir, sondern um den Hessischen Ministerpräsidenten, mit dem wir – gemeinsam in Verantwortung stehend – vereinbart hatten, dass gegen den Willen der Menschen in Hessen keine Windparks errichtet werden. Der Hessische Ministerpräsident hat vor zwei Jahren klar gesagt: Wenn eine Stadtverordnetenversammlung, ein Gemeinderat entscheidet oder Bürger in einem Bürgerentscheid sagen, dass ein Windpark vor Ort aus guten Gründen nicht gewollt ist, dann akzeptieren wir diesen Bürgerwillen. – Ich halte diese Position für richtig; denn wir haben sie mit Ihnen vereinbart.

(Beifall bei der FDP)

Heute lese ich in einem längeren Brief des Hessischen Ministerpräsidenten – Herr Al-Wazir, möglicherweise haben Sie sich auch an dieser Stelle durchgesetzt, was schlecht für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande, in dieser Frage aber auch für den Hessischen Ministerpräsidenten wäre – zu der Frage, wie man mit dem Bürgerwillen vor Ort umgeht, Folgendes:

Hessen-Forst bewirtschaftet als Landesbetrieb den Staatswald unter erwerbswirtschaftlicher und gemeinwohlverpflichteter Zielsetzung und sucht gleichzeitig nach Lösungen im Konsens mit den betroffenen Kommunen.

(Michael Boddenberg (CDU): Was denn sonst?)

Herr Boddenberg, was heißt das im Umkehrschluss? Wenn dieser Konsens nicht hergestellt wird, dann weichen die Windparkbetreiber auf Landesflächen aus und setzen den Windpark den Menschen direkt vor die Nase, obwohl die Leute vor Ort gesagt haben, sie wollen keine Windkraftanlagen.

(Michael Boddenberg (CDU): Haben wir noch so etwas wie Eigentümerrechte? Was für ein Unsinn!)

Wenn Sie jetzt erzählen, das trage keine grüne Handschrift, dann muss ich Ihnen sagen: In dieser Frage ist die CDU ganz eindeutig umgefallen und hat sich dem Druck der GRÜNEN gebeugt.

(Beifall bei der FDP – Angela Dorn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer ist denn umgefallen? Sie sind doch umgefallen!)

Auch die zweite Aussage in diesem Brief ist falsch. Der Ministerpräsident schreibt:

Sie sehen, sämtliche Vereinbarungen, an denen Sie mitgewirkt haben, haben weiterhin Bestand.

Nein, Herr Boddenberg. Wir haben damals, als Hessische Landesregierung in der Verantwortung stehend, mit dem Leiter von Hessen-Forst vereinbart, dass nicht auf Landesforstflächen verwiesen wird, wenn eine Kommune gesagt hat: „Wir wollen nicht, dass ein Windpark gebaut wird“, damit nicht das geschieht, was jetzt in Wiesbaden passiert, dass nämlich 100 m weiter weg ein Windpark in einem FFH-Gebiet errichtet wird, damit das Ziel der GRÜNEN, dass 4.000 Windräder in Hessen stehen, Realität wird. Ich sage Ihnen ganz offen: Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit des Hessischen Ministerpräsidenten. Da können Sie sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Sie haben Ihre Position aufgrund des Drucks des grünen Koalitionspartners massiv geändert. Sie setzen den Menschen 4.000 Windräder vor die Nase, obwohl Sie wissen, dass das Blödsinn ist. Sie tun das alleine deshalb, Herr Boddenberg, damit Sie in Hessen regieren können. Dass wir Ihnen das übel nehmen, das können Sie glauben.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU)

Insofern geht es in dieser Debatte um Glaubwürdigkeit. Wenn der Hessische Ministerpräsident der Auffassung ist, dass die alte Aussage gilt, dass Windkraftanlagen in Hessen nicht gegen den Willen der Kommunen und der Menschen installiert werden, dann soll er das heute sagen. Wenn er anderer Auffassung ist, dann wissen die Menschen, was sie von dieser Position zu halten haben.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rentsch. – Das Wort hat Frau Abg. Dorn, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Rentsch, zum Stichwort Glaubwürdigkeit: Die Person, die bei diesem Thema am allerunglaubwürdigsten ist, sind wohl Sie. Sie haben den Landesentwicklungsplan höchstpersönlich unterschrieben. Sie haben die Windenergienutzung auf den Weg gebracht. Jetzt protestieren Sie gegen die Windkraftnutzung. Sie sind bei diesem Thema unglaubwürdig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich möchte zu Beginn meiner Rede Ministerpräsident Bouffier zitieren, der, als er alle Fraktionen zum Energiegipfel eingeladen hat, am 5. April 2011 sagte:

Der Gipfel ist Auftakt intensiver Beratungen. Wenn sich die Energieversorgung schneller in Richtung erneuerbare Energien bewegen soll, müssen wir unter anderem über Energietransport und Energiespeicherung reden. Es wird nicht gehen, dass wir gegen alles sind. Aber es muss der Versuch unternommen werden, zu schauen, ob wir gemeinsam für bestimmte Dinge sind.

Wir GRÜNE haben nach dieser Einladung diskutiert – aber nicht lange, weil wir wussten: So schrecklich das Ereignis von Fukushima auch war, jetzt war ein Fenster für die Energiewende offen, das danach wahrscheinlich nicht mehr offen sein würde. Deshalb gab es im November 2011 eine Einigung, und bis auf die Fraktion DIE LINKE haben alle Fraktionen unterschrieben.

Es ist kein Geheimnis, dass wir GRÜNE uns damals mehr hätten vorstellen können, z. B. die Energiewende noch schneller voranzubringen. Uns war eine fraktionsübergreifende, gesellschaftsübergreifende Einigung aber mehr wert. Die Energiewende kam nämlich gerade durch die Kluft zwischen den politischen Lagern nicht voran. Uns war die Energiewende wichtiger, als nach außen zu zeigen,

dass man es immer noch etwas besser machen kann. Das unterschied uns damals von den LINKEN.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Rock, wir maßen und wir messen dem Vertrag, der zwischen den Fraktionen und zwischen den gesellschaftlichen Gruppen ausgehandelt wurde, ein sehr hohes Gewicht bei. Das war ein politischer Erfolg und auch ein ganz persönlicher Erfolg von Ministerpräsident Bouffier. Ich gebe zu, dass es mir damals als Abgeordnete der Opposition nicht unbedingt gefallen hat, dass es ein persönlicher Erfolg war. Es ist in der Tat so: Das Abschalten von Biblis und der Energiegipfel bilden einen politischen Wendepunkt in der hessischen Geschichte.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Sehr geehrter Herr Kollege Rentsch, für mich sind die Unterschriften unter diesem Vertrag viel wert, denn hier geht es um Vertragstreue und um Glaubwürdigkeit – zwei Werte, die in der Politik sehr, sehr wichtig sind.

(Nicola Beer (FDP): Soli!)

Sie, liebe Kollegen der FDP, haben mit dem Näherkommen der Landtagswahl diese Vertragstreue immer mehr aufgeweicht. Inzwischen haben Sie mit dem Vertrag komplett gebrochen. Das haben wir bei diesem Haushaltsentwurf gesehen. Ihre Kürzungsanträge richten sich auf das beim Energiegipfel Vereinbarte – aus einem einzigen Grund: um Proteststimmen zu bekommen.

Meine Damen und Herren von der FDP, ich frage Sie: Sind Ihnen die Werte Vertragstreue und Glaubwürdigkeit eigentlich noch wichtig? Wollen Sie Ihr Netz nur für Protestwähler auswerfen, um wenigstens noch ein paar Stimmen zu bekommen? Wie kann man mit dem historischen Erbe einer Partei so umgehen?

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie führen jetzt einen Feldzug gegen die Energiewende, insbesondere gegen Windenergieanlagen, und zwar nur deswegen, weil der Protest dort im Moment am stärksten ist. Ich will ganz klar sagen: Diesen Protest muss man wirklich nicht überdramatisieren. Ich möchte einmal die Emnid-Umfrage aus dem Jahre 2013 in Erinnerung rufen: 93 % der Bevölkerung halten einen verstärkten Ausbau der erneuerbaren Energien für wichtig oder für äußerst wichtig; 59 % sind speziell mit Windkraftanlagen in ihrer Nachbarschaft einverstanden; wenn dort schon Windräder stehen, steigt dieser Anteil auf 70 %.

Es gab im Vogelsberg eine Umfrage, die dieses Ergebnis örtlich noch einmal bestätigt hat. Aber Ihnen als FDP reichen wenige Proteste, um Stimmung vor Ort zu machen – nur um behaupten zu können, wir agierten gegen den Willen der Bevölkerung. Das tun wir eben genau nicht.

(Zurufe von der FDP)

Ein Bürgerentscheid ist ein Bürgerentscheid. Wenn die Bürgerinnen und Bürger von Oestrich-Winkel mehrheitlich entschieden haben, dass sie keine städtischen Flächen für die Nutzung der Windenergie hergeben wollen, dann gilt das Ergebnis dieses Bürgerentscheids.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich sage ganz deutlich aber auch: Das war bisher der einzige Bürgerentscheid in Hessen, der so ausging. Herr Rentsch, Sie haben es gerade ausgeführt: Zwei Bürgerentscheide, in Hünfeld und in Heidenrod, gingen eindeutig positiv für die Windkraftnutzung aus; in Bad Arolsen und in Braunfels haben sich einfach zu wenige Menschen beteiligt, das Quorum wurde nicht erreicht.

(Florian Rentsch (FDP): Wie sind die ausgegangen?)

Vor Ort war man zwar tendenziell dagegen, aber wenn zu wenige Menschen bei einem Bürgerentscheid ihre Stimme abgeben, dann zeigt das, dass das vor Ort wohl nicht das Riesenthema war.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der FDP, all das zeigt doch: Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will die Energiewende, und sie will auch die Windkraftnutzung. Es gibt natürlich auch die Haltung „not in my backyard“; das wissen wir alle. Das sagt aber eine Minderheit.

Meine Damen und Herren, in Hessen findet die Energiewende statt. Sie findet mit den Bürgerinnen und Bürgern und für die Bürgerinnen und Bürger statt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie braucht natürlich unser Engagement, zu zeigen, warum Windräder für den Klimaschutz und für den Ausbau der erneuerbaren Energien wichtig sind.