Protokoll der Sitzung vom 18.12.2014

Zweitens. Der Anlassbezug kann gestrichen werden, wenn die Regeln des Verfassungsgerichts eingehalten werden. Das Verfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung – Kollege Lenders hat sie vorhin hervorragend zitiert, leider sind die nachfolgenden Redner darauf aber nicht eingegangen – klar gesagt, dass das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Ladenöffnungen an Sonn- und Feiertagen und von Ladenöffnungen an Wochentagen gewährleistet bleiben muss. Es darf keine Gleichstellung der Sonn- und Feiertage mit den Werktagen geben. Im Rahmen der Abwägung muss es sich also immer um eine Ausnahme handeln.

Diesen Vorgaben sind wir mit unserem Gesetzentwurf nachgekommen. Danach sind vier verkaufsoffene Sonntage pro Kommune möglich, aber ohne einen Anlassbezug; die Kommunen können frei entscheiden, ob sie verkaufsoffene Sonntage durchführen wollen, oder nicht. Das können die politischen Mehrheiten vor Ort entscheiden. Das ist eine Form der Demokratie, die den Willen der Menschen vor Ort aufnimmt.

(Beifall bei der FDP)

Mir sind zwei Punkte wichtig. Erstens. Stephan Grüttner erinnert sich: Als wir damals die Ladenöffnungszeiten in Hessen liberalisiert haben, hat die SPD – die Linkspartei gab es damals noch nicht, das war nicht schlecht für den Hessischen Landtag – vom Untergang des Abendlandes gesprochen. Frau Kollegin Fuhrmann hat damals die Reden gegen den Gesetzentwurf gehalten, ich erinnere mich noch daran. Was haben wir heute? Heute könnten die Läden in Hessen an sechs Tagen pro Woche 24 Stunden geöffnet sein. Was tun die Geschäftsbetreiber? Sie richten sich nach dem Willen der Kunden.

Das hat sich eingespielt. Das Abendland ist eben nicht untergegangen, sondern wir haben in der Regel bis 20 Uhr geöffnete Geschäfte, weil die Kunden in Hessen anscheinend gar nicht später einkaufen. Deshalb war es auch nicht notwendig, dass der Staat hier eine Regelung trifft. Das ist eine echte Liberalisierung, die Sinn ergibt.

(Beifall bei der FDP)

Herr Schaus, jetzt komme ich zu meinem wichtigsten Punkt kurz vor Weihnachten: Ich weiß nicht, in welcher Gesellschaft Sie leben. Aber in der Gesellschaft, in der ich lebe, sagen mir die Einzelhändler in Gesprächen, dass aufgrund der großen Konkurrenz durch das Internet die Umsätze leider deutlich zurückgehen. Wissen Sie, was Amazon von dem Einzelhändler in der Wiesbadener Graben

straße unterscheidet? Dass Amazon siebenmal 24 Stunden geöffnet hat.

(Beifall bei der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- KE): Nur wenn Sie die Sonntagsarbeit genehmigen!)

Die Frage, was die Arbeitsplätze stärker sichert, nämlich Ihre restriktiven Vorstellungen, die Sie mit Ihren Freunden von ver.di teilen, oder dass man sinnvolle Regelungen hat, damit auch Einzelhändler eine Chance haben, sich gegen Amazon zu wehren, beantworte ich folgendermaßen: Da bin ich einseitig auf der Seite der Einzelhändler, die sich in dieser Frage politische Unterstützung wünschen. Die bekommen sie von der FDP und den Liberalen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Janine Wiss- ler (DIE LINKE))

Vielen Dank. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die erste Lesung des Gesetzentwurfs durchgeführt.

Wir überweisen den Gesetzentwurf zur Vorbereitung der zweiten Lesung an den Sozial- und Integrationspolitischen Ausschuss, federführend, und an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, beteiligt. – Dem widerspricht niemand. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Modernisierung des Dienstrechts der kommunalen Wahlbeamten und zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften – Drucks. 19/1222 –

Die Redezeit ist auf fünf Minuten je Fraktion verkürzt worden. Für die Fraktionen, die den Gesetzentwurf einbringen, hat der Kollege Bauer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen heute einen Gesetzentwurf vor, mit dem rechtzeitig zur Kommunalwahl 2016 zwei grundlegende Änderungen vorgenommen werden sollen.

Erstens. Künftig gibt es keine Altersgrenzen mehr für kommunale Wahlbeamte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Es kommen noch ein paar Punkte. – Zweitens passen wir die Pensionen kommunaler Wahlbeamter maßvoll an. Davon sollen diejenigen, die bereits in ihr Amt gewählt sind, nicht betroffen sein. Für sie gilt selbstverständlich Bestandsschutz. Hinzu kommen zahlreiche Harmonisierungen wahlrechtsrelevanter Bestimmungen mit den Vorgaben aus dem Europa- und dem Bundestagswahlrecht.

Liebe Kollegen, bereits im Sommer haben CDU und GRÜNE in der Hessischen Gemeindeordnung die Möglichkeiten für eine wirtschaftliche Betätigung von Kommunen verbessert. Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf soll ein zweiter Schritt erfolgen. Wir wollen eine moderate Reform durchführen. Weitere Änderungen werden 2015 fol

gen. Dann steht unter anderem auch die von CDU und GRÜNEN vereinbarte Verbesserung der Bürgerbeteiligung auf der Tagesordnung.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Michael Adam – niemand von Ihnen wird ihn kennen. Wer ist Michael Adam? Michael Adam war 2008 mit 23 Jahren der jüngste amtierende Bürgermeister Deutschlands und der jüngste bayerische Bürgermeister überhaupt.

(Zurufe von der SPD: Von der SPD!)

Ja, von der SPD. Ein guter Mann.

(Manfred Pentz (CDU): Es gibt noch SPD-Bürgermeister!)

Konrad Adenauer von der CDU war ein weitaus bekannterer Mann. Er ist bekanntlich mit 73 Jahren zum ersten Mal Bundeskanzler geworden, bevor er vier weitere Amtszeiten bestritten hat. Sie sehen also, das Thema Alter dürfte für die Qualität der Arbeit eines Menschen, der sich für ein politisches Wahlamt engagiert und interessiert, eigentlich keine Rolle spielen.

(Beifall bei der CDU)

Bestimmt kennen Sie alle fähige 24-Jährige und durchaus rüstige und lebenserfahrene Siebzigjährige oder sogar noch Ältere. Wir wollen es künftig den Wählerinnen und Wählern selbst überlassen, welche Person sie in welches Amt wählen. Das ist ein Stück weit mehr Demokratie, und dafür stehen CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

(Beifall bei der CDU)

Wir greifen damit natürlich auch Entscheidungen zur Altersdiskriminierung auf, keine Frage. Zugleich werden wir das Mindestalter für die Wahl in das Bürgermeisteramt – das zurzeit noch bei 25 Jahren liegt – auf 18 Jahre senken.

Auch die Neuregelung der Altersversorgung von Wahlbeamten soll maßvoll sein und sich an den Regelungen anderer Länder orientieren, sodass den Kommunen dadurch zukünftig Versorgungszahlungen erleichtert oder sogar erlassen werden. Künftig wird Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, aber auch Beigeordneten nicht mehr unabhängig von ihrem Lebensalter am Tag ihres Ausscheidens eine Pension ausbezahlt, sondern erst dann, wenn sie mindestens acht Dienstjahre lang ihr Wahlamt ausgeübt haben und wenn sie das Mindestalter von 60 bzw. 55 Jahren erreicht haben.

Wir haben uns für diese Regelung entschieden, weil sich die Versorgung in anderen Bundesländern bereits daran orientiert. Wir Landtagsabgeordnete haben eine ähnliche Versorgungslage. Wir nehmen damit die durchaus berechtigte Kritik des Bundes der Steuerzahler auf.

Meine Damen und Herren, natürlich können Wahlbeamte bereits mit 55 Jahren einen Antrag auf vorzeitige Versorgung – mit Abschlägen – stellen. Wer früher ausscheidet, hat selbstverständlich auch Anspruch auf Übergangs- und Altersgeld und dadurch eine entsprechende Sicherheit.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir müssen bei den weiteren Beratungen jedoch darauf achten, dass für die Demokratie vor Ort wichtige Wahlämter attraktiv bleiben. Es ist kein Geheimnis, dass auch für einen hauptamtlichen Kommunalpolitiker die Arbeitsbelastung enorm ist, dass die Entlohnungen für Führungspositionen in der Wirtschaft oft viel höher sind und dass das gesellschaftspolitische Ansehen nicht immer hoch ist.

Die Bereitschaft, kommunale Wahlämter auszuüben, ist eine wichtige Voraussetzung für eine lebendige Demokratie und auch ein Schlüssel für den Erfolg unseres Landes. Deshalb muss sichergestellt sein, dass der Knochenjob eines Bürgermeisters, eines Beigeordneten, aber auch eines Landrats attraktiv bleibt, sowohl in der aktiven Phase als auch später bei der Versorgung. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dafür müssen wir Sorge tragen.

(Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zum Abschluss: Wichtig ist uns auch der Hinweis, dass es keine Verschlechterungen für bereits gewählte Bürgermeister, Landräte oder kommunale Wahlbeamte geben wird. Ausdrücklich ausgenommen von der Neuregelung sind selbstverständlich bereits ins Amt gewählte Kommunalpolitiker. Dies sei an der Stelle noch einmal betont.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die anstehenden Beratungen und lade Sie jetzt schon ein, an der Gesetzesarbeit konstruktiv mitzuwirken. – Besten Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kollege Hahn, FDP-Fraktion.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Thema „Abschaffung der Altersgrenze“ könnte man auch sagen: Was lange währt, wird endlich gut. – Vor etwas mehr als zehn Jahren, am 2. Dezember 2004 – das passt gut –, wurde ein Gesetzentwurf vorgelegt, Drucks. 16/3286, in dem die FDP-Fraktion gefordert hat, § 39 Abs. 2 Satz 2 zu streichen. Wir hatten eine muntere Debatte.

Diejenigen, die damals schon dem Landtag angehörten, kann ich darauf hinweisen, dass diese Debatte im Rathaus stattfand. Dort haben wir uns über dieses Thema unterhalten. Die damalige kommunalpolitische Sprecherin der damals allein regierenden CDU-Fraktion, Frau Zeimetz-Lorz, erklärte in der Debatte, das sei ein sehr interessanter Vorschlag, man müsse einmal darüber reden.

(Günter Rudolph (SPD): Das wars dann auch!)

Das Ergebnis kennen wir. Deshalb freue ich mich sehr, dass es jetzt gelungen ist, diese sicherlich früher einmal erklärbare Altershöchstgrenze aufzuheben. Unsere Argumente, die ich – so schließen sich die Kreise – auch damals schon, vor zehn Jahren, für die FDP vortragen durfte, lauteten: Wenn wir sagen, die Direktwahl der Hauptamtlichen ist eine Entscheidung der Bürger, ist sie das auch. Da gibt es keine Begrenzungen zusätzlicher Art einzurichten. Wenn die Bürgerinnen und Bürger eine 85-Jährige zur Bürgermeisterin wählen wollen, sollen sie das tun. Wenn sie einen Achtzehneinhalbjährigen zum Bürgermeister wählen wollen, sollen sie das machen. Das ist die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger.

Klar, man muss volljährig sein, sonst kann man ein solches – auch hoheitliches – Amt überhaupt nicht ausüben. Aber ansonsten ist es die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger. Deswegen begrüßen wir, die FDP, diese beiden

Änderungen: die Abschaffung der Altersgrenze und die Absenkung des Mindestalters. Zehn Jahre hat es gedauert, nachdem dieses Thema zum ersten Mal ins Parlament eingebracht worden war. Jetzt wird es offensichtlich beschlossen.

Wir haben auch überhaupt nichts dagegen, dass die Verfahrensvorschriften für die Zusammenlegung der Termine von Landtagswahlen, Europawahlen und Bundestagswahlen auf der einen Seite mit denen von kommunalen Entscheidungen, seien es Kommunalwahlen oder Direktwahlen, auf der anderen Seite vereinfacht werden. Das ist alles okay.

Ich möchte deshalb meine letzten zweieinhalb Minuten Redezeit nutzen, um Ihnen zu sagen, dass auch wir bei der Regelung der Altersversorgung dringenden Handlungsbedarf sehen, ohne Frage. Ich hatte die Ehre, in der sogenannten Starzacher-Kommission zu sitzen, wo wir Anfang der Neunzigerjahre die Versorgung, die Alimentierung der Abgeordneten des Hessischen Landtags, insgesamt vom Kopf auf die Füße gestellt haben, mit entsprechenden Anrechnungsnotwendigkeiten und entsprechenden Begrenzungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon sehr merkwürdig, dass es nach bestehendem Recht möglich ist, dass ein 35-Jähriger, egal welchen Geschlechts, nach einer Zeit von sechs Jahren als Bürgermeister eine lebenslange Pension bekommt, die, so haben wir es einmal errechnet, mindestens 2.000 € im Monat betragen wird. Deshalb ist es vernünftig, dass man an dieses Thema herangeht.

(Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das machen wir!)